Supervulkan in Italien: Neuer Krater am Meeresgrund entdeckt – Hinweise auf riesigen Tsunami

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Am Meeresgrund vor Ischia wurde ein neuer Vulkankrater entdeckt. © IMAGO/Jon G. Fuller / VWPics

Forscher haben einen neuen Krater am Meeresgrund beim Supervulkan im Süden Italiens entdeckt. Erdrutsche könnten dort jederzeit Tsunamis verursachen.

Pozzuoli/Neapel – Der Supervulkan der Phlegräischen Felder sorgt seit zwei Jahren für Schlagzeilen, da Hunderte Erdbeben und eine mächtige Aufwölbung der Erdoberfläche beweisen, dass die Magmakammern in der Tiefe aktiv werden. Wissenschaftler halten einen bevorstehenden Ausbruch für möglich, der unter Umständen so katastrophal wie in der Eiszeit ausfallen könnte, als alles Leben im Umkreis von 80 Kilometern vernichtet wurde.

Auch seit dem Jahreswechsel bebt in den Phlegräischen Feldern immer wieder die Erde. Jüngst haben Forscher festgestellt, dass im Supervulkan Magma in der Erdkruste Richtung Oberfläche aufsteigt. Andere Wissenschaftler warnen vor allem vor heftigen Erdbeben. Die Forschungsaktivitäten hatten bislang ihren Schwerpunkt am Festland. Doch zwei Drittel des Kraters des Supervulkans befinden sich im Meer. Ein umfangreiches Forschungsprojekt vor der Küste förderte jetzt neue Erkenntnisse zu Tage, die auf unglaubliche Katastrophen hindeuten.

Der Meeresgrund vor Süditalien ist wenig erforscht – dabei schlummern dort gefährliche Unterwasservulkane

Ein multidisziplinäres Team des staatlichen geophysikalischen und vulkanologischen Instituts INGV und des Nationalen Forschungsrates CBR entdeckte jetzt eine bisher unbekannte Caldera, also einen riesigen Vulkankrater und einen riesigen Unterwasser-Erdrutsch. Kürzlich wurden die Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift Geomorphology veröffentlicht.

Es fanden magnetische Untersuchungen statt, die im Jahr 2022 aus der Luft und von Schiffen durchgeführt wurden. Dabei wurden „bedeutende magnetische Anomalien entdeckt, die auf die Anwesenheit eines alten untergetauchten Vulkans westlich von Ischia hinweisen“, heißt es in einer vom INGV verbreiteten Kurzfassung des Artikels.

Die Caldera der Phlegräischen Felder gehört zusammen mit dem Yellowstone-Vulkan in Wyoming (USA) und dem Tobasee auf Sumatra (Indonesien) zu den gefährlichsten aktiven vulkanischen Strukturen der Erde. Im Gegensatz zu den abgelegenen Supervulkanen in Übersee leben hier aber 700.000 Menschen. 

Ein riesiger Vulkankrater tauchte auf den neuen Grafiken der Wissenschaftler auf

„Eines der Hauptergebnisse unserer Studie ist zweifellos die Identifizierung einer großen Caldera, die noch nie zuvor beschrieben wurde“, heißt es weiter. „Diese Entdeckung könnte sich als wichtig für das Verständnis der Entwicklungsgeschichte und der vulkanischen Aktivität der Phlegräischen Felder und der Insel Ischia erweisen“, erklärt Riccardo De Ritis, INGV-Forscher und Erstautor des Artikels.

Auch die vor allem von Kurgästen wegen ihrer Thermalquellen geschätzte Insel Ischia ist ein Teil der Phlegräischen Felder. Zuletzt ereignete sich hier 1301 ein Vulkanausbruch. Jetzt entdeckten die Forscher unter Wasser „morphologische Grate mit kreisförmiger Symmetrie, die sich mehrere Hundert Meter über den Meeresboden erheben“. Sie reichen von 550 Metern unter dem Meeresspiegel bis zu einer Tiefe von nur 34 Metern.

Die Phlegräischen Felder hatten einen Vorläufer, der heute vor der insel Ischia am Meeresgrund liegt.
Die Phlegräischen Felder hatten einen Vorläufer, der heute vor der Insel Ischia am Meeresgrund liegt. © Copyright: xpablodebatx via imag

Alle diese Grate haben eine steile Außenkante und eine sanftere Neigung zur Mitte hin. Andere Forscher vermuteten hier schon ein „großes verborgenes Vulkansystem“. Der Durchmesser beträgt stattliche 12 Kilometer und entspricht fast den Ausmaßen des Supervulkans der Phlegräischen Felder. Jedenfalls sprechen die Forschungsergebnisse dafür, dass die Vulkanaktivitäten im Gebiet der Phleghräischen Felder langsam nach Osten wandern. Wie gefährlich Unterwasservulkane sein können, zeigt auch das Beispiel des Marsili, des größten aktiven Unterwasservulkans Europas, der 150 Kilometer südlich der Phlegräischen Felder liegt und jederzeit einen Tsunami auslösen könnte.

Gigantischer Erdrutsch unter Wasser hat vermutlich einen enormen Tsunami ausgelöst

„Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Forschung war die Kartierung eines riesigen Unterwasser-Erdrutschs, der sich über Dutzende Kilometer erstreckt und das Ergebnis von Ereignissen sein könnte, die mit der Instabilität der Vulkanhänge zusammenhängen“, fährt der Autor De Ritis fort. „Unsere Studie bietet eine klarere Sicht auf die Unterwassergeologie der Phlegräischen Felder und sie eröffnet wichtige potenzielle Überlegungen zur Minderung des Vulkanrisikos in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Italiens“, fügt Salvatore Passaro hinzu, Forscher am CNR und Co-Autor des Artikels. 

Im November 2022 forderte ein verheerender Erdrutsch auf Ischia zehn Menschenleben.
Im November 2022 riss ein verheerender Erdrutsch auf Ischia mehrere Häuser mit, zehn Menschen starben. © IMAGO/Ciro Fusco

„Die Entdeckung eines großen Erdrutschs, der vermutlich einen massiven Tsunami ausgelöst hatte, und die Identifizierung magnetischer Anomalien im Zusammenhang mit möglichen vulkanischen Aktivitäten liefern neue Ideen für weitere Forschung und Überwachung“, so Passaro. Er spricht „von unglaublichen Ausmaßen, die auf ein plötzliches Erdrutschereignis zurückzuführen sind, das den Südhang des Ischia-Kamms bis zu einer Entfernung von 40 Kilometern betraf und noch nie zuvor entdeckt wurde“. Auch in der Gegenwart kommt es auf der Ferieninsel immer wieder zu Erdrutschen, zuletzt am 26. November 2022, als nach starken Regenfällen mehrere Häuser von den Massen weggerissen wurden. Zehn Menschen starben dabei. Im Oktober des vorigen Jahres hatten heftige Regenfälle die Straßen von Ischia überflutet. Auf der mondänen Nachbarinsel Capri drohte ein Hotel nach einem Erdrutsch ins Meer zu stürzen.

Ischia ist ein riesiger Lavapfropfen, der von einem unterirdischen Vulkan 1800 Meter über den Meeresboden vor der Insel in die Höhe gehoben wurde. Die steilen Hänge aus erkalteter Asche sind anfällig für Rutschungen, die von Erdbeben ausgelöst werden können. Erdstöße kommen auf Ischia häufig vor. Zuletzt kamen 2022 dabei zwei Menschen ums Leben – das Beben hatte nur die Stärke 4, dennoch stürzten Häuser ein. 1883 starben bei einem schweren Erdbeben auf der Ferieninsel sogar 2333 Menschen, darunter 625 Touristen.

Schriftsteller berichten von Tsunami-Katastrophen in der Antike und im Mittelalter in Italiens Süden

Der römische Schriftsteller Strabon berichtete bereits davon, dass im 8. Jahrhundert v. Chr. die Bewohner der von Griechen gegründeten Stadt Pithekoussai auf Ischia von Erdbeben, sowie „durch Ausbrüche von Feuer, Meer und heißen Wassern“ vertrieben wurden. Das deutete auf einen Vulkanausbruch und auch auf einen durch einen Erdrutsch verursachten Tsunami hin.

Im Mittelalter verwüstete ein Tsunami die Bucht von Neapel und die Amalfiküste, der am 25. November 1343 durch einen gewaltigen unterseeischen Erdrutsch an der Vulkaninsel Stromboli südlich von Ischia verursacht wurde. Der italienische Schriftsteller Petrarca wurde Zeuge der Flutwelle. Diese Schilderungen zeigen: Solche schrecklichen Ereignisse können sich jederzeit wiederholen. Trotz der Gefahren wird derzeit bei Sotheby’s eine kleine zwischen Ischia und den Phlegräischen Feldern liegende Insel zum Verkauf angeboten.

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