„Arbeiten bis zum Tod“ und „Lohndumping“ – Kritik am Rentenplan der Union
Die CDU-Idee von steuerfreier Arbeit für Rentner wird von FDP, Grünen und Linken harsch kritisiert. Die Parteien haben andere Vorstellungen für genug Geld im Alter.
Berlin – Sollten Rentner steuerfrei weiterarbeiten dürfen? Forderungen für abgabenfreie Löhne im Alter von CDU und der Senioren Union (SU) stoßen bei anderen Parteien auf Widerstand. Die Grünen sprechen von der Union als „Rentner-Schreck“ und werfen ihr eine Politik für Reiche vor. In der FDP wird prophezeit, die Idee führe zum Gegenteil von dem, was gesellschaftlich gewollt ist. Auch Linken-Chefin Janine Wissler greift die CDU-Idee an: Rentner sollen so „bis zum Tod arbeiten“.
Den Aufschlag zur jüngst diskutierten Frage, wie das Arbeiten im Alter geregelt werden könnte, machte die CDU um ihren Generalsekretär Carsten Linnemann. Im neuen Grundsatzprogramm fordert die Partei eine „Aktivrente“, dass also freiwillig weiterarbeitende Rentner ihr Gehalt bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei bekommen sollen.
Chef der Senioren-Union spricht bei Arbeiten in der Rente von „Schikane durch die Ämter“
Einen Schritt weiter geht Fred-Holger Ludwig, Vorsitzender der Senioren-Union der CDU. Er fordert komplette Steuerfreiheit. „Arbeiten im Alter muss sich besonders lohnen. Wer nach Eintritt in die Rente weiterarbeiten will, sollte soviel arbeiten können, wie er will – aber steuerfrei.“ Außerdem kritisiert Ludwig bürokratische Hürden wie die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. „Wer auch im Alter arbeiten will, soll dies dürfen – ohne Schikane durch die Ämter“
Linken-Vorsitzende Wissler widerspricht der Forderung und sagt gegenüber IPPEN.MEDIA: „Aktivrente läuft ja darauf hinaus, dass arme Rentner praktisch bis zum Tod arbeiten sollen, statt dass man ihnen eine ausreichende Rente zahlt.“ Wissler zufolge gehe es nicht um Rentner, die aus Freude am Beruf weiterarbeiten, sondern die, die es müssten, weil ihre Rente nicht für den Lebensabend reicht. „Dafür brauchen wir keine Aktivrente, dafür brauchen wir eine solidarische Mindestrente über der Armutsgrenze.“
Immer mehr Rentner in Deutschland sind auf zusätzliches Geld angewiesen
Tatsächlich sind so viele Rentner wie noch nie auf zusätzliches Geld angewiesen. Laut Statistischem Bundesamt waren im ersten Quartal 2023 680.000 Rentner in Deutschland auf die sogenannte Grundsicherung angewiesen – ein Höchstwert. Auch die Zahl der nach dem regulären Renteneintrittsalter weiterhin arbeitenden Menschen steigt. Das geht laut Redaktions Netzwerk Deutschland aus Antworten des Bundesarbeitsministeriums hervor. So waren im September über 1,1 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland älter als 67 Jahre, über 50.000 mehr als im Vergleichsmonat des Vorjahres.
Für Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, verschärft die CDU-Idee der Steuerfreiheit das Armutsproblem im Alter. „Herr Linnemann macht mal wieder Politik, von der die Reichsten am meisten profitieren. Die CDU entwickelt sich zum Rentner-Schreck, gerade für Menschen mit weniger Geld“, sagt der Grünen-Politiker gegenüber unserer Redaktion.
Hilft ein höherer Mindestlohn zur Stabilisierung der Rente?
Audretsch prangert an, dass viele Rentner nicht mehr arbeiten können: „Der Manager kann häufig problemlos ein paar Jahre länger arbeiten und würde mit dem Linnemann-Vorschlag hohe Summen an Steuern sparen. Der Lagerarbeiter kann selten länger arbeiten und würde auch deutlich weniger profitieren, da er weniger Steuern auf seinen niedrigeren Lohn zahlt.“
Die Grünen um Audretsch verfolgen einen anderen Weg: „Sicherheit für eine gute Rente im Alter geben gute Löhne und ein stabiles Rentenniveau. Darum haben wir den Mindestlohn auf zwölf Euro angehoben, die CDU hat leider ihre Zustimmung im Bundestag verweigert. Nun setzen wir die Stabilisierung des Rentenniveaus um.“
FDP: Rentenplan der Union ist gefährlich für junge Fachkräfte
Die FDP prophezeit im Rentenplan der Union Probleme für junge Menschen. Anja Schulz, Mitglied im FDP-Bundesvorstand und zuständig für Rentenpolitik, hält die Idee der Steuerfreiheit für weder hilfreich noch vernünftig: „Sie bietet zu viel Raum für ungewollte Nebeneffekte wie beispielsweise die Möglichkeit zum Lohndumping, da Rentner aufgrund der Steuerfreiheit geringere Lohnforderungen stellen könnten.“ Schulz befürchtet, dass so junge Fachkräfte für den Arbeitgeber zu teuer sind und Unternehmen weniger junge Menschen einstellen.
„Außerdem würde eine Steuerfreiheit den Anreiz zur Frührente verstärken, da das Arbeiten als Rentner lohnender ist. Das ist jedoch genau das Gegenteil von dem, was wir als Gesellschaft wollen“, sagt Schulz mit Blick auf den Generationenvertrag. Stattdessen wollen die Freien Demokraten die sogenannte „Flexi-Rente“– also das Weiterarbeiten, ohne bereits Rente zu beziehen – weiter fördern. „So entstehen mit jedem weiteren Jahr in Arbeit sechs Prozent höhere Rentenansprüche. Diese bleiben den Rentnern auch dann erhalten, wenn sie nicht mehr arbeiten und sind damit deutlich nachhaltiger.“