Pfarrer Mensing verurteilt Angriffe auf KZ-Gedenkstättenleiter – Andacht für KZ-Überlebenden
Pfarrer Björn Mensing aus Dachau hat die jüngsten Angriffe auf den KZ-Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner verurteilt. Wagner war ein Freund des KZ-Überlebenden Ivan Ivanji, der im Mai verstorben ist. Eine Andacht findet am morgigen Freitag statt.
Dachau – Kirchenrat Dr. Björn Mensing, Pfarrer und Historiker an der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau, erinnert am morgigen Freitag, 30. August, 12.30 Uhr, in einer ökumenischen Andacht an Ivan Ivanji, der im Mai im Alter von 95 Jahren verstorben ist.
Ivan Ivanji, ein jüdischer KZ-Buchenwald-Überlebender, Literat und AfD-Gegner, wurde 1929 im Königreich Jugoslawien, im heutigen Zrenjanin (Serbien), geboren. Seine Eltern, säkulare Juden, hatten in Deutschland Medizin studiert. Seine Kindheit verbrachte er im von der Vielfalt unterschiedlicher Nationen, Religionen und Kulturen geprägten Banat. Zu Hause sprach man deutsch, ungarisch und serbisch. Diese Vielfalt hat Ivan Ivanji Zeit seines Lebens als Bereicherung beschrieben, die ihn ebenso wie der Verlust seiner Eltern und seine eigene Deportation im Mai 1944 und die Gefangenschaft in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald für immer geprägt haben.
Im November 2017 war der Literat („Mein schönes Leben in der Hölle“) und einstige Dolmetscher Titos auf Einladung von Pfarrer Mensing aus Belgrad nach Dachau gekommen. Er sprach im Rathaus bei der Gedenkfeier zum Jahrestag der Pogromnacht, besuchte die KZ-Gedenkstätte und stellte sich dem Gespräch mit Jugendlichen in der Berufsschule, das er noch im Dezember 2023 in einem Zeitungsartikel erwähnte.
Große Sorge um Deutschland
Für unvorstellbar kann ich es nicht mehr halten.
Gerade weil Ivan Ivanji immer wieder Einladungen nach Deutschland annahm und einen Teil seiner Bücher auf Deutsch schrieb, hat ihn zuletzt große Sorge um Deutschland umgetrieben. Er habe nicht geglaubt, dass Neonazis „hier in Deutschland (…) wieder die Macht übernehmen.“ Und er fügte hinzu: „Für unvorstellbar kann ich es nicht mehr halten.“ Er beobachtete „die Entwicklung hier im Lande, wo das Lager Buchenwald stand, mit Besorgnis, mit Schrecken. Es ging ja nicht nur um Thüringen, nicht nur um Deutschland, ich fürchte, es geht um die Idee der parlamentarischen Demokratie“.
Treffend würdigte Prof. Dr. Jens-Christian Wagner als Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Ivan Ivanji in einem Nachruf: „Völkischer Nationalismus, kulturelle Hybris, Ressentiments gegenüber Menschen anderer Herkunft, anderen Glaubens, anderer politischer Überzeugungen waren ihm fremd. Was für ihn zählte, waren praktizierte Mitmenschlichkeit und Solidarität in Anerkennung der Würde eines jeden Menschen auf dieser Erde. Was für ihn zählte, war die Sicherung eines jeden und einer jeden vor Ausgrenzung, Ausbeutung und rassistischer Entmenschlichung.“
Angriff auf Gedenkstättenleiter
Nicht mehr erleben muss Ivan Ivanji, wie es dieser Tage zu massiven Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen gegen seinen Freund Jens-Christian Wagner kommt. Bislang unbekannte Täter hatten ein Porträt des Gedenkstättenleiters auf eine Todesmarschstele geklebt. Die Stele erinnert an die Opfer der Todesmärsche aus den Lagern des KZ-Komplexes Mittelbau-Dora. Das hatte Wagner am 20. August auf dem Internetdienst X, vormals Twitter, selbst bekannt gemacht. Der Stiftungsdirektor gehört zu den Unterstützern einer Kampagne, die ein AfD-Verbotsverfahren fordert. In einem Brief an 350 000 Haushalte warnte er die Thüringer Wähler vor einem „Geschichtsrevisionismus“ der AfD.
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Wählen Sie eine demokratische Partei und ihre Kandidaten.
Wagner erhält nach Angriffen Unterstützung aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Pfarrer Björn Mensing kritisierte die Angriffe gegen Wagner scharf und solidarisierte sich mit dem Gedenkstättenleiter. Mensing forderte die Menschen in Thüringen und Sachsen zudem auf, am kommenden Sonntag, 1. September, zur Landtagswahl zu gehen und eine „demokratische Partei und ihre Kandidaten“ zu wählen.
Der Kirchenrat unterstützte außerdem den bundesweiten Appell der Aktionsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in Deutschland gegen die Zunahme von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass in Deutschland. In dem Appell werden auch Drohungen gegen AfD-Kritiker Wagner verurteilt. Zu den rund 50 Unterzeichnern zählen Vertreter von Gedenkstätten, Stiftungen und der Kirche. Sie wollen damit ein Zeichen gegen Geschichtsrevisionismus und Diskriminierung setzen. dn