Landratsamt Miesbach sucht verzweifelt nach Unterkünften für Geflüchtete
Das Landratsamt Miesbach sucht dringend neue Unterkünfte für Geflüchtete. Wie diese in einer Sporthalle leben, bekamen Medienvertreter zu sehen.
Miesbach – Turnhallen, findet Landrat Olaf von Löwis, sind „eine der ungeeignetsten Unterkünfte, um Geflüchtete unterzubringen“. Dennoch sind derzeit im Landkreis fast 600 Menschen in Sporthallen untergebracht. Es fehlen Alternativen. So war der Pressetermin in der Berufsschule Miesbach vergangene Woche auch ein Hilferuf.
Berufsschulturnhalle Miesbach ist dezentrale Drehscheibe
Das Landratsamt hatte Medienvertreter eingeladen, sich selbst ein Bild von der Situation in einer großen Unterkunft zu machen. In der Berufsschulturnhalle, einer sogenannten dezentralen Drehscheibe, stehen maximal 148 Plätze zur Verfügung. Sie ist mit 132 Menschen fast komplett belegt. Ihnen stehen Stockbetten, jeweils etwa 20 in mit Planen getrennten Boxen, zur Verfügung. Als Stauraum dienen außerhalb dieser provisorischen Räume kleine mobile Spinde.
Menschen unterschiedlicher Herkunft, von Südamerika bis Afghanistan und Syrien, von der Ukraine bis Myanmar, leben hier – einige weit länger als die üblichen Tage und Wochen. „Wir sind an der Kapazitätsgrenze“, macht von Löwis klar. Weil die Kapazitäten in der Berufsschulturnhalle praktisch ausgeschöpft waren, musste vor Kurzem ein Bus mit 50 ukrainischen Geflüchteten, der dem Landkreis zugewiesen war, gleich weiter nach Tegernsee fahren.
Kein Platz: Ukrainer werden nach Tegernsee gefahren
Statt in der dezentralen Drehscheibe in Miesbach, wie die Halle jetzt genannt wird, wurden die neu Ankommenden in der Tegernsee Gymnasium-Sporthalle untergebracht, in der bereits 168 Asylbewerber lebten. Diese steht aber nicht mehr lang zur Verfügung. Ziel ist es, die drei Landkreis-Sporthallen – neben der Tegernseer und der Berufsschulturnhalle auch die Sporthalle des Miesbacher Gymnasiums – wieder ihrem originären Zweck zuzuführen.
Zunächst wird die Tegernseer Halle geräumt, der Landkreis belegt die neue Containeranlage am Moarhölzl in Holzkirchen. Dort stehen nun 218 Plätze zur Verfügung, Ende des Jahres kommen rund 500 am Vivo-Gelände in Warngau hinzu. Die Anlage sorgt aber nur für eine temporäre Erleichterung und bereits für sorgenvolle Blicke in die Zukunft bei den Verantwortlichen. Die Unterkunft bei der Vivo wird nur zwei Jahre bestehen, bis dahin müssen Alternativen gefunden werden.

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Am Landratsamt arbeitet eine eigene Taskforce an der Akquise. „Wir schauen uns alles an“, sagt Olaf von Löwis zu der schwierigen Suche. Das Team hofft auf Unterstützung aus der Bevölkerung und den Kommunen. Allerdings ist die von verschiedenen Seiten geäußerte Solidarität doch nicht überall gleich groß. Zumindest deuten darauf die Flüchtlingszahlen in den einzelnen Kommunen hin.
Dabei ist klar, dass die Unterbringung nur gemeinsam funktionieren wird – und Sporthallen nicht belegt werden sollten. „Die drei großen Turnhallen gehen uns extrem ab“, sagte von Löwis. Sowohl für den Schulsport als auch für die Vereine fehlen die Hallen. „Die Nachwuchsarbeit liegt am Boden“, erklärte Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller. Zumindest die Berufsschulturnhalle hätte bald wieder zur Verfügung stehen sollen. Doch die Pläne platzten, im ehemaligen Impfzentrum in Hausham die dezentrale Drehscheibe einzurichten. Viel Zeit und großer Aufwand sei für die Planung betrieben worden.
Eine Turnhalle ist eine der am schlechtesten geeigneten Unterkünfte
„Da ist es umso bitterer, dass es jetzt nicht umzusetzen ist“, zeigte sich von Löwis enttäuscht. Ein Ersatzstandort ist nicht in Sicht, er müsste sich in der Nähe des Landratsamtes befinden. Darüber hinaus befürchtet von Löwis, dass von Hausham ein fatales Signal ausgehen könnte. Wer sich nur lang genug gegen eine Asylunterkunft sträubt, kann sie verhindern. „Ein Bürgermeister, dem das gelingt, ist der Held“, sagte der Landrat mit einer gehörigen Portion Frust und Ärger.
So bleibt vorerst keine andere Möglichkeit, als weiter neu ankommende Geflüchtete in der Berufsschulturnhalle unterzubringen. Manche bleiben dort auch länger, sogar bis zu einem Jahr. So, wie ein 21-jähriger Afghane, der die Schule besucht und auf eine eigene Wohnung hofft, aber dennoch rundum zufrieden ist.
Der Landkreis sucht weiter verzweifelt nach neuen Unterkünften
Dabei ist das beengte Leben in der Halle nicht einfach, die Bedürfnisse ganz unterschiedlich. Während ein Teil der Bewohner früh raus muss, um eben zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, wollen andere auch über 22 Uhr hinaus, wenn Nachtruhe angeordnet ist, zusammensitzen, Musik hören, Filme schauen. Mal schreit ein Kind, woanders wird telefoniert – in der stickigen Halle ist alles zu hören und an Schlaf oft ebenso wenig zu denken wie an Privatsphäre.
Für Olaf von Löwis grenzt die Situation an eine Katastrophe, Besserung ist nicht in Sicht. Es herrsche eine „gewisse Perspektivlosigkeit, die wir aber nicht akzeptieren“. Ihm bleibt nur, weiter an die politischen Entscheidungsträger zu appellieren und zu hoffen, „dass der Flüchtlingsstrom minimiert wird“. Zunächst ist aber einfach Solidarität im Landkreis gefragt.
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