Riskanter Sprung ins heiße Wasser: Stadtwerke konkurrieren mit MAN und GfA bei Tiefengeothermie
Die Stadtwerke Dachau, das Abfall-Kommunalunternehmen GfA sowie die MAN liefern sich gerade ein Wettrennen um heißes Waser im Dachauer Untergrund – und gehen dabei finanziell ein hohes Risiko ein.
Dachau – Der Großraum München sitzt auf einem Wärmeschatz. Tief im Boden findet sich nämlich heißes Thermalwasser, das – mittels modernster Technik – an die Oberfläche gepumpt und in Wärmenetze eingespeist werden kann. Kohle und Gas, so der Plan der Politik, würden damit langfristig überflüssig und die sogenannte Tiefengeothermie ein wichtiger Baustein für die angestrebte Energiewende.
Allein: Eine zwei bis drei Kilometer tiefe Bohrung ist technisch hoch kompliziert und aufwendig, der Leitungsbau verschlingt weitere Millionen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel: Während sich nach Ansicht von Experten die Bohrtürme und -anlagen noch vergleichsweise schnell beschaffen lassen – die USA sind auf dem Gebiet Vorreiter – fehlt es hierzulande aber noch an ausreichend Personal, das die Bohrtechnik beherrscht.
Tiefengeothermie im Lankdreis Dachau: Stadtwerke, GfA und MAN wagen Sprung ins heiße Nass
Dennoch wagen derzeit viele Privat- und Kommunalunternehmen den Sprung ins heiße Wasser. Im Landkreis sind dies – wie berichtet – die Stadtwerke, das von den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck betriebene Gemeinsame Kommunalunternehmen für Abfallwirtschaft GfA sowie der Großkonzern MAN, der in erster Linie sein Werk in München künftig klimaneutral mit Energie versorgen will, aber – quasi als Nebenprodukt – mit der Gemeinde Karlsfeld zusammen auch die Bürger vom heißen Wasser profitieren lässt.
Am weitesten fortgeschritten ist dabei MAN. Für seine Claims – also neudeutsch: Bohrgebiete – Karlsfeld-Ost und Karlsfeld-Nord hat das Unternehmen schon vor Monaten die sogenannte bergrechtliche Erlaubnis erhalten. Im nächsten Jahr soll gebohrt werden, der Anschluss ans Karlsfelder Fernwärmenetz soll 2026 erfolgen.
Die GfA ist nach den entsprechenden Kreistagsbeschlüssen aus Dachau und Fürstenfeldbruck im vergangenen Sommer ebenfalls schon ein gutes Stück weiter. Die eigens gegründete Geothermie-Gesellschaft soll „Amperland Thermalwärme GmbH“ heißen und bald Fernwärme bis ins Dachauer Stadtgebiet liefern.
„Wir müssen mit einem armdicken Bohrer in zwei Kilometern Tiefe eine Pfütze treffen“
Seit wenigen Tagen liegt das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie vor, die Aufschluss über den geologischen Untergrund des GfA-Bohrungsgebiets geben sollte. Erste Probebohrungen sind für 2025 geplant, die Kosten dafür werden auf 20 Millionen Euro beziffert. Das Problem der „Fündigkeit“, wie GfA-Chef Thomas König im vergangenen Jahr den Kreisräten erläuterte, sei da aber noch nicht eingepreist. Er umschrieb das Risiko, am Ende vielleicht doch kein heißes Wasser zu finden, so: „Wir müssen mit einem armdicken Bohrer in zwei Kilometern Tiefe eine Pfütze treffen.“
Die Stadtwerke Dachau haben dieses Problem nicht, sie wissen, wo ihre Pfütze liegt. Wie das Tochterunternehmen der Stadt vor wenigen Tagen mitteilte, hat es nun vom bayerischen Wirtschaftsministerium offiziell die Erlaubnis bekommen, es im Claim Dachau-Nord mit Tiefengeothermie zu versuchen.
Das sogenannte Erlaubnisfeld, das bis in eine Tiefe von 2,5 Kilometern reicht, erstreckt sich dabei von Assenhausen im Westen bis Haimhausen im Osten, mit Röhrmoos im Norden als äußerstem Punkt und der Stadtgrenze von Dachau im Süden als Grenze. Bohrungen der Gemeinde Haimhausen am Heiglweiher hatten vor zehn Jahren ergeben, dass die dortige Wassermenge und -temperatur sehr gut für Geothermie nutzbar wären.
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Bürgermeister nur in begrenztem Umfang bereit, sich zu beteiligen
Doch die Stadtwerke sind vergleichsweise spät dran. Ihr Aufsuchungsgebiet bringt es mit sich, dass es viele und vor allem lange Leitungen brauchen wird, bis das heiße Wasser im Stadtgebiet und dort beispielsweise in Dachau-Ost ankommt. In Dachau-Ost, bei den großen Gewerbebetrieben, die ganzjährig viel Energie benötigen, könnte den Stadtwerken dann aber unter Umständen schon die MAN-Geothermie die lukrativsten Kunden weggeschnappt haben.
Die Bürgermeister Peter Felbermeier aus Haimhausen, Dieter Kugler aus Röhrmoos und Richard Reischl aus Hebertshausen hatten denn auf Nachfrage bereits signalisiert, sich nicht oder nur in begrenztem Umfang an dem Stadtwerke-Projekt beteiligen zu wollen. Reischl rechnet vor: „Pro Kilometer Leitung muss man mit 1 bis 1,5 Millionen Euro rechnen.“ Nehme man dann noch die Investition in Bohrtürme und -anlagen, sei man schnell bei 170 Millionen Euro. Das, so Reischl, „ist schon Champions League“.
Ob die kleinen Stadtwerke, die nebenbei auch noch den Neubau des Hallenbads sowie den städtischen Busverkehr schultern müssen, in dieser Champions League mitspielen können, hält Reischl daher für fraglich. Zwar geben sich die Stadtwerke optimistisch, eines Tages mittels Geothermie eine „nachhaltige Energieversorgung der Region gewährleisten“ zu können. Zur Frage der Finanzierung teilen sie aber lediglich mit: Dafür gebe es „noch keine spezifischen Pläne“.
Auch die Frage, ob und wie die Nachbargemeinden, in deren Boden ja gebohrt werden soll, in das Projekt eingebunden werden können, lassen die Stadtwerke offen. Es solle „die bestmögliche Kooperation“ geben und man sei „aktiv im Austausch mit allen potenziellen Partnern“.
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„Bis zur ersten Bohrung ist es noch ein langer Weg“
Hebertshausens Bürgermeister Reischl kann die Stadtwerke zwar verstehen, wenn diese ihren Wärmeschatz nicht teilen wollen. „Andererseits brauchen sie Partner.“ Er stünde bereit – „aber nur, wenn es sich um eine wirkliche, ehrliche Partnerschaft handelt“. Dies bedeute: „Wenn die Partnerschaft erwünscht ist seitens der Stadtwerke, dann sehe ich nicht ein, dass unsere Bürger genauso viel zahlen wie Herr Müller aus Dachau.“
Auf diese Diskussion will sich Stadtwerke-Chef Robert Haimerl aber noch nicht einlassen. Er sagt nur: „Bis zur ersten Bohrung ist es noch ein langer Weg.“ Jetzt gehe es darum, einen Förderantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu stellen sowie ein geologisches Ingenieurbüro zu finden.
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