Verzweifelte Lehrerin packt aus: "Hatte Angst" – Elterngespräche nur noch zu zweit

Elterngespräche werden immer komplizierter – das beobachtet eine erfahrene Pädagogin gegenüber heute.at. Gesellschaftlicher Druck und Perfektionsansprüche belasten den Dialog zwischen Lehrkräften und Eltern. Beleidigende Worte und sogar Drohungen seien an der Tagesordnung, so Sabine K. (52, Name von der Redaktion geändert). 

Der Pädagogin wurde schon mit Anwälten gedroht

Eine erfahrene Pädagogin, die seit 20 Jahren in Wien unterrichtet, weist auf eine erschreckende Entwicklung hin: Egal, ob es um die Notengebung, das Fehlverhalten des Kindes oder eingesetzte Sanktionen gehe – man müsse sich vor den Eltern immer rechtfertigen, so die Lehrerin. „Ich muss mir Sachen anhören, wie 'Mit Ihnen muss ich eh noch ein Wörtchen reden'." Sogar mit Anwälten wurde der Pädagogin schon gedroht, so heute.at. An ihrer Schule würden Elterngespräche nur noch in Anwesenheit einer zweiten Lehrkraft geführt, so Sabine K.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass Elterngespräche früher so schwierig waren“, erklärt die Pädagogin, deren Name aus Datenschutzgründen nicht genannt wird. Der Austausch zwischen Schule und Elternhaus hat sich verändert. Wo früher Offenheit und Kooperation dominierten, stehen heute oft Spannungen im Raum. 

Sabine K., eine Lehrerin aus Wien, geht mittlerweile mit einem mulmigen Gefühl in die Elterngespräche. Diese werden auch nur mehr in Anwesenheit einer zweiten Lehrperson geführt.
Sabine K., eine Lehrerin aus Wien, geht mittlerweile mit einem mulmigen Gefühl in die Elterngespräche. Diese werden auch nur mehr in Anwesenheit einer zweiten Lehrperson geführt. Imago Images (Symbolbild)

„Viele Eltern sind sensibler geworden“

Die Ursache sieht die Pädagogin im gesellschaftlichen Wandel. Eltern stehen unter enormem Druck, perfekte Kinder zu erziehen – und sich selbst als fehlerfrei zu präsentieren. Kritik an Leistungen oder Verhalten wird schnell persönlich genommen. „Viele Eltern sind sensibler geworden“, sagt sie. Das Ergebnis: Gespräche werden emotional aufgeladen, konstruktive Lösungen rücken in den Hintergrund.

Elterngespräche haben sich auch in Deutschland verändert

Auch in Deutschland verändern sich die Elterngespräche. Beispiel: Die Situation an Schulen in Hessen. Lehrkräfte geraten hier zunehmend unter Druck, da Eltern sich ihnen gegenüber immer aggressiver verhalten. Die Pädagogen wünschen sich deshalb dringend mehr Unterstützung.

Gleichzeitig spitzt sich der Lehrkräftemangel in der Region zu. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat kürzlich auf diesen alarmierenden Zustand hingewiesen. Es fehlt an qualifizierten Lehrkräften, und bereits in zwei Jahren könnten über 10.000 ausgebildete Lehrer fehlen.

Lehrermangel in Deutschland: Eine Übersicht

  • Erheblicher Lehrkräftemangel: In Deutschland fehlen derzeit etwa 14.500 Vollzeit-Lehrkräfte an Schulen. Laut Prognosen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) könnten bis 2030 über 110.000 Lehrkräfte fehlen, insbesondere bedingt durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026.
  • Ursachen des Mangels: Der Mangel wird durch eine alternde Lehrerschaft verstärkt, da viele in den Ruhestand gehen, sowie durch steigende Schülerzahlen. Hinzu kommt, dass etwa 41 % der Lehramtsstudierenden ihr Studium abbrechen, was den Nachwuchs erheblich einschränkt.
  • Regionale Unterschiede: Der Lehrkräftemangel unterscheidet sich je nach Bundesland. Besonders stark betroffen sind Nordrhein-Westfalen mit über 6.700 unbesetzten Stellen und Berlin mit über 1.000 unbesetzten Stellen (Stand 2020). In Hessen könnten innerhalb von zwei Jahren über 10.000 Lehrkräfte fehlen.
  • Fachspezifische Engpässe: Besonders kritisch ist der Mangel in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), was die Ausbildung in diesen zukunftsrelevanten Bereichen gefährdet.
  • Maßnahmen der Länder: Die Bundesländer setzen auf Quereinstiegsprogramme, Zulagen und die Erhöhung von Studienplätzen, um den Mangel zu bekämpfen. Kritiker, wie die GEW, bemängeln jedoch, dass diese Maßnahmen unzureichend seien und fordern bessere Arbeitsbedingungen sowie höhere Gehälter.
  • Langfristige Folgen: Ohne wirksame Gegenmaßnahmen drohen größere Klassen, Unterrichtsausfälle und eine sinkende Bildungsqualität, was langfristig die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beeinträchtigen könnte.