26 Namen und ein Briefkasten: Behörden haben Mehrfamilienhaus im Visier

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Ein Briefkasten mit mehr als 25 einzelnen Namensschildern ruft immer wieder die Arbeitsgemeinschaft Leistungsbetrug auf den Plan. Doch Kontrollen seitens der Behörden verliefen bislang erfolglos. © Reinartz

Die AG Leistungsbetrug hat ein Mehrfamilienhaus in Offenbach im Visier. Mehrere Kontrollen vor Ort brachten aber keinen Leistungsmissbrauch zu Tage.

Offenbach – Ein Mehrfamilienhaus mit 26 Namen an einem einzelnen Briefkasten, die meisten davon entstammen einem Labeldrucker, sind wild und windschief auf den maroden Behälter geklebt. Oben schaut frisch eingesteckte Post heraus. Im dazugehörigen Haus wohnt zurzeit offenbar keiner, vor der Einfahrt steht auf dem Gehweg ein mattschwarzer Geländewagen mit Frankfurter Kennzeichen.

Für Nachbar Detlev K. ist das in höchstem Maß verdächtig. Er wendet sich nach eigenen Angaben schon vor mehr als einem Jahr an die Stadt und teil seine Beobachtung mit. „Seitdem werde ich von Amt zu Amt verwiesen, aber keinen scheint das zu interessieren“, klagt K. „Dabei ist völlig klar, dass da etwas nicht stimmt“, so der Senior. „Ich gehe davon aus, dass es sich in irgendeiner Form um Sozial- oder Steuerbetrug handeln muss.“

In der Tat scheint etwas mit dem Briefkasten nicht stimmen. Zumal das dahinterliegende Mehrfamilienhaus klein ist und nicht einmal im Ansatz 26 Parteien fassen könnte.

Liegenschaft ist der Stadt bekannt und wurde kontrolliert

Bei der Stadt Offenbach ist man der Sache offenbar nachgegangen und weist K.s Vorwürfe zurück. „Die Liegenschaft ist der Stadt seit Längerem bekannt und wurde im Rahmen der behördlichen Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Leistungsmissbrauch mehrmals von der Bauaufsicht, der Gewerbeaufsicht und dem Ordnungsamt kontrolliert“, berichtet Stadtsprecher Fabian El Cheikh.

Zuletzt sei das vor etwa zwei Wochen geschehen. Fündig geworden seien die Ermittler nicht. „Dort ist neben Wohnnutzung auch ein Gewerbebetrieb ordnungsgemäß gemeldet“, so der Sprecher. „Bei den Kontrollen ergaben sich keine Anhaltspunkte für unzulässige Nutzung, Vermüllung oder Überbelegung.“

Aufgrund der vielen Schilder habe die Stadt jedoch die Hauseigentümerin aufgefordert, die Namen dort nicht wohnender Personen zu entfernen. „Zudem hat die Meldebehörde eine Bereinigung im Melderegister vorgenommen“, erklärt El Cheikh das Vorgehen. Die Eigentümerin der Liegenschaft sei zuvor aufgefordert worden, dort nicht mehr wohnhafte Personen zu benennen. Dem sei diese auch gefolgt. Die Stadt hat damit laut ihrem Sprecher keine weitere Handhabe. Zumindest nicht, solange es keine Missstände oder Verstöße, etwa gegen Bau- oder Melderecht, gibt.

„Liegenschaft bleibt vorerst auf dem Schirm der AG Leistungsmissbrauch“

Dennoch verspricht El Cheikh: „Die Liegenschaft bleibt vorerst auf dem Schirm der AG Leistungsmissbrauch.“ Detlev K. sei nach seiner Beschwerde bei der Stadt über die Kontrollen informiert worden und habe darum gebeten, über die Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten zu werden. El Cheikh: „Dies ist aus datenschutzrechtlichen Gründen aber nicht möglich.“

AG Leistungsmissbrauch

Immer wieder nutzen Menschen Leistungen, auf die sie keinen Anspruch haben. Vermieter verlangen überhöhte Mieten von Leistungsempfängern, etwa in überbelegten Wohnungen, die sie nicht versteuern. Staat und Kommune entgehen so Steuereinnahmen, während durch die zu teure Miete zu viel für die Unterkunft gezahlt wird. Die Arbeitsgemeinschaft Leistungsmissbrauch ist ein Arbeitskreis der Stadt gemeinsam mit Vertretern der Polizei, des Finanzamts und der Zollfahndung. Ziel der Gruppe ist ein optimierter Informationsfluss, um Sozialleistungsmissbrauch wirksam zu begegnen. Drei- bis viermal im Jahr finden Treffen der Dienststellen statt. Vertreten sind seitens der Stadtverwaltung Ausländeramt, Bauaufsicht, Bürgerbüro, Main-Arbeit, Sozialamt, Ordnungsamt, Wohnungs-, Versicherungs- und Standesamt sowie teilweise auch das Vermessungsamt. Dazu beteiligen sich das Finanzamt, die Polizei und die Zollfahndung. Die Geschäftsführung liegt beim Ordnungsamt, die Arbeit wird von einer zusätzlich tagenden Fallbearbeitungsgruppe unterstützt, in der gezielter, fallbezogener Informationsaustausch die Effizienz erhöhen soll. (Quelle: Stadt Offenbach)

Am Donnerstag war der mit neuer Post gefüllte Briefkasten übrigens noch immer mit einer großer Zahl an Namensschildern versehen. (rz)

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