Die Seele des Münchner Künstlerhauses: Garderobiere Klara Biefeld (93)

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Die Gäste des Künstlerhauses nahm sie in Empfang. 30 Jahre lang. Die 93-jährige Klara Biefeld. © Astrid Schmidhuber

Drei Jahrzehnte lang war die Garderobe im Münchner Künstlerhaus das Reich von Garderobiere Klara Biefeld (93). Ein Blick hinter die Kulissen.

Nur einmal hat jemand sie gelinkt. Klara Biefeld ist sich sicher. Der Herr, der damals vor ihrer Garderobe im Münchner Künstlerhaus als Letzter am Abend seinen Schein vorzeigte, der gehörte zu dem weiß-blau gestreiften Schirm, der noch übrig war. Auch die Nummern passten zusammen. Doch er? Bestand darauf, dass er einen nigelnagelneuen Trachtenschirm dabei gehabt habe, nicht den billigen bajuwarisch gemusterten. „Es war nichts zu machen. Ihm wurde der Trachtenschirm ersetzt. Dabei konnte gar kein Fehler passiert sein“, erzählt Biefeld. Und man merkt: Es wurmt sie noch immer. Nach all den Jahren.

Diese ungewöhnliche Frau. Im August feiert sie ihren 94. Geburtstag. „Das ist doch noch kein Alter!“, meint sie dazu nur und grinst. Bis vor vier Jahren hat sie regelmäßig an der Garderobe des Münchner Künstlerhauses gearbeitet. Wie die drei Jahrzehnte zuvor. Eine Institution, die Seele des Hauses am Lenbachplatz. Regelmäßige Gäste kennen sie, fragen, was aus „Frau Biefeld“ geworden sei. Und wenn sie zum Interviewtermin wieder hinter der Theke steht und fürs Foto noch einmal einen Mantel über den Kleiderbügel ziehen darf, dann werden ihre Augen glasig. „Das vermisse ich jede Stunde. Ich würde sofort wieder anfangen. Können wir da nicht doch etwas machen?“, fragt sie und schaut wehmütig herüber zu den Leiterinnen des Hauses, Birgit Gottschalk und Jennifer Ruhland.

An der Garderobe lassen die Gäste den Abend Revue passieren

Die sind selbst unglücklich darüber, dass sie ihr diesen Wunsch nicht uneingeschränkt erfüllen können. So viele Stunden stehen, seit einiger Zeit plagt Klara Biefeld ab und zu Schwindel. Was, wenn er während der Arbeit einsetzt und sie stürzt? Doch natürlich, die kompetente Garderobiere, sie fehlt. „Frau Biefeld hat die Leute an der Garderobe gut eingestimmt und gut wieder aus dem Abend entlassen. Durch sie wussten wir immer, wie es ihnen gefallen hat. Wenn die Menschen ihre Mäntel abgeholt haben, haben sie ihr berichtet. Und sie hat es dann an uns weitergetragen“, erzählt Gottschalk. Da kamen dann ihre trockenen Kommentare. Beispielsweise: „Also, es war den Leuten heute etwas lang.“

Das Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz.
Das Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz. © Oliver Bodmer

Und Larifari gab’s bei ihr nicht. Ihre Einweisungen neuer Mitarbeiter sind im Haus legendär. Wenn jemand einen Mantel einfach am Kragen auf den Haken hing? „Da kann ich gar nicht hinschauen!“ Oder den tropfnassen Knirps direkt über die Jacken? „Ooooh. Das tut mir direkt weh.“ Apropos Regen. Da hatte die Biefeld ihre eigenen Tricks. Sie sammelte Plastiktüten, die wurden über die Schirme gestülpt. „Die Leute waren begeistert. Sie konnten die nassen Sachen so auch in die Handtasche tun.“ Aber natürlich kam von ihr immer der Hinweis: Beim nächsten Mal die Tüte bitte wieder mitbringen.

Dann sagt Klara Biefeld einen Satz, der mitten ins Herz trifft. „Manchmal, wenn ich mir nachts Gedanken über die Garderobe mache, frage ich mich, wie sie das jetzt eigentlich machen mit den nassen Sachen. Wo man doch nicht mehr so viel Plastik in den Verkehr bringen soll.“ Bis in ihre Träume begleitet sie die Zeit im Künstlerhaus.

Hat sich das Publikum eigentlich sehr verändert über all die Jahre? „Nicht besonders. Im Allgemeinen haben wir hier Leute gehabt, die sich immer ein wenig schick gemacht haben. Ein Besuch im Künstlerhaus ist immer noch etwas Besonderes für die Menschen.“

Die Weste sitzt noch immer: Klara Biefeld und Künstlerhaus-Leiterin Birgit Gottschalk (li.).
Die Arbeitsweste sitzt noch immer: Klara Biefeld und Künstlerhaus㈠Leiterin Birgit Gottschalk (li.). © Astrid Schmidhuber

Und dann der Höhepunkt in jedem Jahr: die Schweißer-Tagung. Stets im Frühling, vier Tage lang. Dutzende Männer. Da ließ sich Klara Biefeld vorab die Haare ondulieren. Und wenn der letzte Tagungstag geschafft war, gab’s Blumen für sie – und Applaus. „Die hätten niemand anderen akzeptiert“, erzählt Jennifer Ruhland schmunzelnd. Der Termin fürs nächste Jahr steht bereits fest. Auch Klara Biefeld hat ihn im Kalender stehen. Dann wird sie wieder ihre rote Weste anziehen, maßgeschneidert. Früher stand „Künstlerhaus“ darauf. „Das hab ich von der Schneiderin ändern lassen. Ich trage die Jacke gern privat, da schaut das ja nicht gut aus mit dem Schriftzug. Das ist ein Stoff, da können Sie jetzt Kaffee drüber schütten und nichts passiert.“ Sehr praktisch, die Jacke. Vor allem aber stecken so viele schöne Erinnerungen darin. „Die wird mich bis zum Schluss begleiten.“

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