Das Münchner Künstlerhaus feiert 125. Geburtstag: Die Glücklichmacher

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Ungewohnt: Normalerweise wuseln Birgit Gottschalk (li.) und Jennifer Ruhland ununterbrochen durch ihr Münchner Künstlerhaus. Hochengagiert sind die beiden künstlerische Chefinnen. Für das Foto haben sie sich in das herrliche Treppenhaus des Hauses am Lenbachhaus gesetzt. © Oliver Bodmer

Das Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz wird 125 – und feiert mit buntem Programm. Ein Treffen mit den enthusiastischen Leiterinnen Birgit Gottschalk und Jennifer Ruhland.

Nur so eine These: Möglicherweise ist diese alte Dame auch nach 125 Jahren noch so putzmunter, weil hier besonders viele Frauen wirken. Das Münchner Künstlerhaus: Am 29. März von einer Herrenrunde gegründet, heute fest in weiblicher Hand. Und das wird wörtlich genommen. Hands-on, neudeutsch für Anpacken, leben Birgit Gottschalk und Jennifer Ruhland dem gesamten Team vor – und jede einzelne Mitarbeiterin, jeder einzelne Mitarbeiter (die gibt’s auch) zieht mit. Wer Gottschalk, Stiftungsvorstand und Gesamtleiterin des Hauses, und Ruhland, stellvertretende Stiftungsvorsitzende, in den wunderschönen Räumen am Münchner Lenbachplatz trifft, hat so eine Ahnung, wie die beiden das machen mit der immerwährenden Motivation des Personals. Wie hat Erich Kästner es einmal formuliert? „Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“ Gottschalk und Ruhland sind in diesem Sinne ganz und gar Mensch geblieben. Mit kindlicher Freude nehmen sie die Dinge in Angriff. Und wenn sie dann davon erzählen, anlässlich der Sause zum 125. Geburtstag am 29. März 2025, wird man fast weggepustet von so viel Energie und Enthusiasmus.

Das Münchner Künstlerhaus bietet alles von Jazz über Kabarett bis Musical

Besser: angepustet. Denn sofort bekommt man Lust, mitzufliegen in diesem Wunderort der Fantasie. Rund 360 Tage im Jahr ist im Münchner Künstlerhaus was los. „Wir haben Jazz, Klassik, Ausstellungen, Kinder- und Jugendprogramme, Kabarett, Lesungen, wir hatten auch schon Musical. Und dadurch, dass wir die Räume im Haus außerdem für externe Veranstaltungen vermieten, kommen aus sämtlichen Professionen Menschen für Kongresse, Seminare und so weiter zu uns“, schwärmt Jennifer Ruhland. Das viel beschworene Miteinander und Aufeinandertreffen unterschiedlicher Sichtweisen, hier wird es gelebt.

Zwischen Synagoge und Grandhotel: das Künstlerhaus (Mi.) im Jahr 1926.
Zwischen Synagoge und Grandhotel: das Münchner Künstlerhaus im Jahr 1926. © Münchner Künstlerhaus

Ganz so, wie sich das besagte Gründerväter einst gedacht hatten. Seit 1850 bestand die Idee, in München einen Ort der Begegnung für Kulturfreunde zu schaffen. München war zu der Zeit eine der Kulturmetropolen in Europa, wenige Meter weiter stand der Glaspalast, in dem außergewöhnliche Ausstellungen stattfanden (bevor er 1931 abbrannte – und mit ihm etliche Kunstwerke, darunter einige Caspar David Friedrichs). Von dort sollte man weiter flanieren können zum Künstlerhaus. Viele Anläufe benötigten die Visionäre wie Franz von Lenbach (1836-1904), Gabriel von Seidl (1848-1913), Fritz August von Kaulbach (1850-1920), Ferdinand von Miller (1842-1929) und Lorenz von Gedon (1843-1883), bis sie schließlich das heutige Grundstück in der Nähe des Stachus erhielten. Prinzregent Luitpold legte 1893 den Grundstein, von Seidl begann mit dem Bau.

„Man merkt, dass Künstler dieses Haus errichtet haben“, findet Birgit Gottschalk. „Es hat solch eine Harmonie. Wenn man hereinkommt, fühlt man sich sofort wohl.“ Stimmt. Das liegt auch an den vielen wertvollen Stücken, mit denen die Zimmer eingerichtet sind. Hat immer etwas von einem Besuch in der Villa Stuck oder dem Lenbachhaus. „Lenbachs Frau soll zu ihrem Mann gesagt haben: Also wenn du unser Schlafzimmer jetzt auch noch hergeben willst, dann reicht’s!“, erzählt Gottschalk lachend. Das sagt viel aus über die Obsession, mit der die Künstler damals an der Verwirklichung ihrer Vision gearbeitet haben.

Hier ist jeder willkommen: Das Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz heute.
Hier ist jeder willkommen: Das Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz. © Oliver Bodmer

Von der lassen sie sich 125 Jahre später noch immer inspirieren. „Dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben. Und: Das Haus aufmachen, aufmachen, aufmachen für alle, das ist unser Ziel“, formulieren es die beiden Leiterinnen. Und arbeiten dafür unermüdlich. Jeder, der unter 30 ist, kann bei allen Veranstaltungen im Künstlerhaus ein Ticket für zehn Euro lösen, und auch ansonsten setzen sie auf moderate Preise. Hier kommt ihnen zugute, dass sie keine Miete zahlen müssen, vermieten können. Und doch ist es kein Selbstläufer. „Das Künstlerhaus ist eine alte Dame, die einen unheimlichen Überlebenswillen hat“, sagt Jennifer Ruhland. „Aber man muss immer gut wirtschaften, immer weiter kämpfen. Allein, dieses Haus zu erhalten, es im Winter zu heizen! Damals wurde zwar wahnsinnig solide gebaut, doch es gibt kaum einen Tag, an dem uns nicht irgendeine unschöne Überraschung erwartet.“ Dass sie bei diesem Satz beide wissend lachen, zeigt die große Leidenschaft für Kunst und Kultur, die sie auch Krisen wie die Corona-Zeit oder andere Herausforderungen überstehen ließ und lässt.

Einmal im Jahr lädt das Münchner Künstlerhaus zum legendären Gauklerball

Im Zweifel hilft ihnen ihre unerschöpfliche Kreativität. Einmal im Jahr zum großen Gauklerball – dem legendären Faschingsfest des Hauses – etwa hilft ihnen ihre Fantasie, viel Geld zu sparen. Da werden die Garderobieren schon einmal gebeten, 500 Frösche zu basteln (Motto: „Im tierischen Paradies“), oder marschiert Gottschalk ein halbes Jahr vor dem Ball mit dem Motto „Im wilden Westen“ in die Bar Tabacco und bittet, dass sie in den nächsten sechs Monaten 100 leere Whiskeyflaschen für sie als Deko zurücklegen mögen. Und beim Fest „Die Gaukler in Auerbachs Keller“ muss viel geküsst worden sein. Denn spontan lud Gottschalk rund 50 Mistelzweige, die am Straßenrand lagen, in ihren Kofferraum – wieder mal: perfektes Dekorationsmaterial. „Wir müssen doch die Leute wegholen vom grauen Alltag – hin zu dem, was glücklich macht“, sagt Ruhland. Sie überlegen jetzt schon, wie sie den Schnee herbeizaubern können für eine geplante Dult im Dezember. Geschneit hat es auch am 29. März 1900, als alles begann. Das Glitzern ist geblieben. Herzlichen Glückwunsch, alte Dame!

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