Für András Schiff und Christian Tetzlaff ist es sonnenklar: Sie haben ihre US-Konzerte abgesagt und protestieren damit gegen Trumps Politik. Bayerns Orchester sehen die Sache etwas anders.
„Wie ein verrückter Elefant im Porzellanladen“ verhalte sich dieser Präsident. Donald Trump und der „fürchterliche Elon Musk“ hätten eine „Hässlichkeit in die Welt gebracht, die man bisher nicht kannte“. Klare Worte von András Schiff, für den feststeht: Er will auf absehbare Zeit nicht mehr in den USA gastieren. Der Pianist hat daher alle seine dort geplanten Konzerte abgesagt. Ebenso, das wurde schon vor einiger Zeit öffentlich, der Geiger Christian Tetzlaff. Droht den Vereinigten Staaten nun eine Boykottwelle durch Künstlerinnen und Künstler, nachdem auch immer mehr Touristen keine Lust mehr haben auf die einst liberale, großzügige Nation?
Europäische Orchester reisen traditionell gern in die USA. Wer in Chicago oder in der New Yorker Carnegie Hall seine Klangmarke hinterlässt, darf sich schließlich zum Spitzenkreis zählen. Die Bamberger Symphoniker waren zuletzt im April 2024 dort, gerade wird über eine Nordamerika-Tournee im Jahre 2028 verhandelt. Und die soll trotz Trump auch stattfinden, wie Intendant Marcus Rudolf Axt ankündigt. „Wir begreifen uns als Kulturbotschafter Bayerns und werden weiter in die USA reisen, um die Verständigung zwischen den Nationen zu fördern“, sagt er. Axt äußert jedoch Verständnis für „Einzelkünstler“ wie András Schiff und Christian Tetzlaff, „auch vor ihrem persönlichen Hintergrund und ihren gesellschaftspolitischen Haltungen“.
„Wir dürfen keine Brücken abreißen“
Jeder müsse seinen Weg finden, wie er mit der Situation umgehe, betont der Bamberger Intendant. „Business as usual darf nicht sein. Wenn wir allerdings nicht in der Carnegie Hall spielen, kratzt das Donald Trump überhaupt nicht.“ Der sei zwar von der Hälfte der US-Amerikaner gewählt, aber eben von der anderen Hälfte nicht. „Wir dürfen keine Brücken abreißen, das halte ich für ganz wichtig. Wir dürfen ein Land nicht kulturell isolieren.“ Ein verbotenes Land existiert für Marcus Rudolf Axt allerdings, und das ist China. Dort gebe es „eine große Gefahr der Vereinnahmung“. Kultur werde in China auch politisch benutzt.
Nikolaus Pont, Manager beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, hat ebenfalls „riesigen Respekt vor Christian Tetzlaffs Entscheidung“. In den kommenden beiden Jahren habe sein Ensemble ohnehin keine US-Tournee vereinbart. „Wo und unter welchen Umständen wir Gastspiele planen, prüfen wir selbstverständlich sehr genau. Dass die USA auch in Zukunft nicht zu jenen Ländern gehören, in denen Meinungsfreiheit, Demokratie und Grundrechte eingeschränkt sind, hoffen wir alle.“ US-Tourneen seien allerdings für Orchester aus einem ganz anderen Grund bedenklich, sagt Pont. Die Frage, ob man dorthin reise, stelle sich aus finanziellen und organisatorischen Gründen. „Die von den Veranstaltern angebotenen Honorare decken die enorm gestiegenen Kosten für Reise und Unterkunft bei Weitem nicht. Und die Visa-Prozeduren sind für die Musikerinnen und Musiker in den letzten Jahren eigentlich unzumutbar geworden.“
Münchner Philharmoniker verhandeln über 2027
Gerade aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt ist Florian Wiegand. Der neue Intendant der Münchner Philharmoniker hat dort Verhandlungen für eine US-Tournee im Jahr 2027 geführt. Was bedeutet: Das städtische Orchester wird das Land nach derzeitiger Lage nicht aus dem internationalen Geschäft ausklammern. „Führt ein Boykott vor allem dazu, sich selbst moralisch besser zu fühlen oder bewirkt er etwas aus unserer Sicht Gutes?“, fragt Wiegand. „Und vor allem: Können wir unsere Solidarität und Verbundenheit mit Künstlerinnen und Künstlern oder Veranstaltern, die jetzt vielleicht unter Druck kommen, besser ausdrücken, indem wir hinfahren und den Austausch pflegen oder hierbleiben?“ Für den Intendanten ist die Sache sonnenklar. Wenn private US-Veranstalter die Hand nach Europa ausstrecken, solle man diese Einladungen annehmen und für die musikbegeisterten Menschen spielen. Solche Signale habe er auch von Künstlern erhalten, die kürzlich im Rahmen des Amerika-Schwerpunkts bei den Philharmonikern gastierten.
Der Dirigent Franz Welser-Möst hat kürzlich für eine differenzierte Betrachtung geworben. Der Österreicher ist seit vielen Jahren Chef des Cleveland Orchestra und findet, dass Boykotte amerikanischer Kulturinstitutionen dazu führen würden, die USA in eine „intellektuelle Wüste“ zu verwandeln, wie er im Online-Portal „Backstage Classical“ schrieb. „Damit wäre eine Politik unterstützt, die genau das in Kauf nimmt: die Bedeutungslosigkeit der Kultur.“