Gigantisches Sondervermögen - Wo die Milliarden für die Infrastruktur hinfließen könnten
Fünfhundert Milliarden Euro schwer soll das Sondervermögen sein, mit dem Schwarz-Rot in den kommenden zehn Jahren Deutschland sanieren will. Das ist mehr als der jährliche Bundeshaushalt.
Dank neuer Schulden winkt den Betreibern von Deutschlands Schienen, Straßen, Krankenhäusern und Stromnetzen sehr viel zusätzliches Geld ebenso wie den Ländern und Kommunen, für die 100 Milliarden Euro reserviert werden sollen.
Wofür genau das Geld ausgegeben werden soll, wurde in den Sondierungen von Union und SPD noch nicht festgelegt. Das weckt Begehrlichkeiten. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das neue Sondervermögen nicht ausreichen wird, um alle Wünsche zu erfüllen. Ein Überblick.
Fünfhundert Milliarden Euro schwer soll das Sondervermögen sein, mit dem Schwarz-Rot in den kommenden zehn Jahren Deutschland sanieren will. Das ist mehr als der jährliche Bundeshaushalt.
Dank neuer Schulden winkt den Betreibern von Deutschlands Schienen, Straßen, Krankenhäusern und Stromnetzen sehr viel zusätzliches Geld ebenso wie den Ländern und Kommunen, für die 100 Milliarden Euro reserviert werden sollen.
Wofür genau das Geld ausgegeben werden soll, wurde in den Sondierungen von Union und SPD noch nicht festgelegt. Das weckt Begehrlichkeiten. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das neue Sondervermögen nicht ausreichen wird, um alle Wünsche zu erfüllen. Ein Überblick.
Schienennetz
Allein bei der Deutschen Bahn bezifferte Aufsichtsratschef Werner Gatzer den Finanzbedarf in den kommenden Jahren auf 150 Milliarden Euro. Laut dem scheidenden Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) fehlt der Bahn eine Milliardensumme im mittleren zweistelligen Bereich, um die Generalsanierung von 40 Hauptkorridoren und den Ausbau des Netzes wie geplant durchzuführen.
Besonders für die Digitalisierung der Zugsicherung fehlt vielerorts das Geld. So verzichtet die Bahn bei der Generalsanierung der Strecke Berlin-Hamburg auf eine vollständige Digitalisierung. Beim wichtigsten Pilotprojekt – dem digitalen Knoten Stuttgart – steht die dritte Ausbaustufe nach wie vor unter Finanzierungsvorbehalt.
Nun will das Bahnmanagement Union und SPD genau vorrechnen, welche Projekte sich mit wie viel zusätzlichem Geld doch noch umsetzen lassen. So will der Konzern eine möglichst hohe Summe einwerben.
Autobahn GmbH
Bei der Autobahn GmbH sieht Wissing eine Lücke von 25 Milliarden Euro. Ohne zusätzliches Geld aus dem Sondervermögen werde das Brückenmodernisierungsprogramm deshalb nicht kommen, warnt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband der deutschen Bauindustrie. „Erhält die Autobahn GmbH 30 Milliarden Euro zusätzlich bis 2029 sind auch wichtige Ausbauprojekte wie der sechsspurige Albaufstieg zwischen Ulm und Stuttgart möglich“, wirbt er.
SPD-Verkehrspolitiker Detlef Müller hält hingegen weiter einen Fokus auf den Erhalt für nötig. Nach wie vor seien nicht alle im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Projekte umsetzbar. Um alle Wünsche von der Kita bis zur Autobahn zu erfüllen, sei sonst ein Sondervermögen in Billionenhöhe nötig, sagte Müller, der für die abgewählte Ampelkoalition in den Aufsichtsrat der Autobahn GmbH entsandt wurde.
Tim-Oliver Müller drängt vor allem auf eine schnelle Umsetzung. Allein mit den bisherigen langwierigen Planungsprozessen werde es nicht gehen. „Die Auftraggeber müssen sich jetzt so aufstellen, dass sie die Bauprojekte schnell planen und auf den Weg bringen können, damit wir die zusätzlichen Gelder auch verbauen können.“ An fehlenden Kapazitäten der Bauindustrie werde das nicht scheitern.
Energienetze
Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Einen Großteil der Investitionen, die dafür nötig sind, werden die Unternehmen selbst stemmen. Aber es ist Aufgabe des Staates, private Investitionen in diese „neue Energiewelt“ überhaupt erst möglich zu machen.
Zum Beispiel in den Wasserstoffhochlauf: Für die Herstellung von Wasserstoff in Deutschland müssen Elektrolyseure gebaut werden – der Staat fördert das finanziell. Auch fördert der Staat den Ausbau der Fernwärmenetze, was nötig ist, um den Heizungssektor klimaneutral zu machen. Ebenso bezuschusst der Staat den Ausbau von Ladeinfrastruktur für E-Autos.
Kompliziert wird es beim Ausbau des Stromnetzes. Hierbei ist bislang vorgesehen, dass Industrie und Verbraucher die Kosten des Ausbaus über Netzentgelte tragen. Union und SPD haben aber schon angekündigt, das mit Geld aus dem Haushalt bezuschussen zu wollen. Langfristig könnte der Kostenpunkt ein Kandidat für den neuen Infrastrukturfonds sein. Der Stromnetzausbau dürfte bis zum Jahr 2030 rund 126 Milliarden Euro kosten, wie eine Studie des Stadtwerkeverbands vorrechnet.
Zivil- und Bevölkerungsschutz
Nach der Corona-Pandemie, Flutkatastrophen sowie angesichts des andauernden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist der Zivil- und Bevölkerungsschutz zurück auf der politischen Agenda. „Trotz guter Fortschritte in den vergangenen Jahren haben wir weiteren erheblichen Investitionsbedarf“, sagte Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dem Tagesspiegel. Bei Warnung, Ausstattung, Notfallversorgung aber auch Schutzräumen gibt es teils massive Defizite.
Hilfsorganisationen fordern angesichts von Extremwetterereignissen wie Unwettern, Überflutungen oder Hitzewellen deutlich mehr Betreuungsplätze für Notfälle. Auch der als Reaktion auf die Corona-Pandemie beschlossene Aufbau einer Gesundheitsreserve mit Schutzausrüstung, Medikamenten und medizinischen Materialien geht bisher nur stockend voran.
Von einst 2000 öffentlichen Schutzräumen sind dem Innenministerium zufolge derzeit nur noch 579 formal dem Zivilschutz gewidmet. Weitere Investitionen dürften in Kampagnen für einen besseren Selbstschutz der Bevölkerung und eine bessere Krisenkommunikation fließen.
Krankenhäuser
Viele Land- und Stadtteilkrankenhäuser sind schlecht ausgelastet und für die Behandlung komplizierter Krankheiten nicht gerüstet. Die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht deshalb eine Konzentration auf spezialisierte Zentren vor. Kleinere Häuser sollen teilweise zu medizinischen Versorgungszentren werden.
Für den nötigen Umbau der Kliniken soll ein Transformationsfonds in den kommenden zehn Jahren 50 Milliarden Euro zur Verfügung stellen – zur Hälfte bezahlt von den Ländern und den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenkasse. Diese Summe könnte nun stattdessen aus dem Sondervermögen bezahlt werden. „Das Sondervermögen für Infrastruktur ist ein Durchbruch für unser Land“, freute sich Lauterbach.
Bildung
Viele Kinder in Deutschland lernen in maroden Schulden. Den Sanierungsstau der Kommunen bei den Schulgebäuden bezifferte die staatliche KfW-Bankengruppe vergangenes Jahr auf 54 Milliarden Euro. Bei Kitas liegt der Investitionsstau bei 12,7 Milliarden Euro.
Hinzu kommt die mangelnde Digitalisierung. Die Digitalpakte I und II haben das Problem kaum behoben. „Das deutsche Bildungssystem gleicht einer Großbaustelle. Die Aufgaben sind gewaltig“, sagte Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Jetzt müssen Union und SPD mindestens 130 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur für die Bildung fest zusichern“, forderte sie.
Das Original zu diesem Beitrag „Nicht alle Wünsche erfüllbar: Schienen, Krankenhäuser, Schulen – wohin könnte das Sondervermögen fließen?” stammt von Tagesspiegel.