Reporter berichtet vom Lettland-Einsatz mit der Bundeswehr

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Andrang beim Pressetag: Weil die lettische Luftwaffe keine Kampfjets besitzt, war das Medieninteresse groß. © Kronenbitter

Eine Bündnisverteidigung 190 Kilometer vor der russischen Grenze mit sechs Neuburger Eurofightern und 200 Soldaten: Tagblatt-Reporter Max-Joseph Kronenbitter aus Kottgeisering berichtet von seinem zweimonatigen Einsatz als Pressestabsoffizier an der NATO-Ostflanke in Lettland.

Kottgeisering/Lielvarde – „Die über unsere Köpfe donnernden Eurofighter sind für uns Letten keine Lärmbelästigung, sondern der Sound der Freiheit – wir sind sehr froh, dass die deutsche Luftwaffe im Auftrag der NATO hier in Lettland ist und ein starkes Zeichen Richtung Russland sendet.“ Diesen Satz von Colonel Viesturs Masulis höre ich so oder so ähnlich immer dann, wenn ich Journalisten zu einem Pressetermin mit dem Chef der lettischen Luftwaffe begleite.

Lärm von Kampfjets hört man in dem mittleren der drei baltischen Staaten tatsächlich erst seit wenigen Wochen. Denn die komplette lettische Luftwaffe besteht aus sechs Hubschraubern und drei uralten Propellerflugzeugen. Viel zu wenig, um die 280 Kilometer lange Grenze zu Russland (und die 170 Kilometer lange zu Belarus) auch nur annähernd zu schützen.

Alarmrotte schützt den Luftraum

Die Hauptaufgabe des aus 200 Frauen und Männer bestehenden deutschen Kontingents – zum größten Teil aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg an der Donau – besteht jedoch weniger in der eigentlichen Grenzsicherung. „Wir stellen mit zwei bewaffneten Kampfflugzeugen die sogenannte Alarmrotte und steigen immer dann auf, wenn sich russische Militärflugzeuge im internationalen Luftraum nicht an die auch im zivilen Luftverkehr geltenden Regularien halten“, sagt der deutsche Kontingentführer Oberstleutnant Swen Jacob. Dazu gehöre, vorher einen Flugplan aufgegeben zu haben, das Transponder-Signal zur Erkennbarkeit im Luftraum einzuschalten und vor allem auf Funksprüche zu reagieren.

Zehn sogenannte scharfe Einsätze

Zehn solcher Alarmierungen gab es seit Anfang März, als die Neuburger die Verstärkung Air Policing im Baltikum (VAPB) übernommen hatten. Die „scharfen“ Einsätze betrafen immer den Luftkorridor über der Ostsee zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und St. Petersburg. Aus verständlichen Gründen dürfen russische Flugzeuge nämlich nicht die Abkürzung über die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland nehmen.

Dieser VAPB-Auftrag ist weder für Deutschland noch für die zahlreichen anderen NATO-Staaten mit starker Luftwaffe neu. Seit 20 Jahren – genau so lange, wie Lettland Mitglied in der NATO ist – stellen sie abwechselnd die „Luftpolizei“. Neu ist hingegen die Tatsache, dass die Flugzeuge aus Lettland starten, genauer gesagt von der Luftwaffenbasis Lielvarde – einer Kleinstadt an der Düna, die gut 60 Kilometer weiter nordwestlich bei Riga in den Rigaer Meerbusen mündet.

„Eigentlich wären wir wie in vergangenen Jahren wieder im estnischen Ämari, südwestlich von Tallinn. Aber die dortige Start- und Landebahn wird in diesem Jahr saniert und ist für uns nicht nutzbar“, erklärt Swen Jacob. So ergibt sich für die Neuburger Piloten ein neuer Platz und ein neues Trainingsareal.

Zusätzlich zu ihrer Bereitschaft im Falle einer Alarmierung steigen zweimal täglich je zwei Jets zum Training auf. Geübt werden Luftkämpfe mit anderen Nationen und Luftbetankungen – auch in der Nacht. Zudem müssen die Piloten regelmäßig Ausbildungsabschnitte wiederholen, um einsatzbereit zu sein. „Von der russischen Grenze halten wir uns dabei fern, schließlich wollen wir nicht provozieren“, sagt ein Pilot.

Großer Medienrummel auf dem Fliegerhorst

Meine Hauptaufgabe ist hingegen, dafür zu sorgen, dass die Präsenz der Luftwaffe im Baltikum nicht nur akustisch, sondern auch in den Medien wahrgenommen wird. „Show of Force“, also „Demonstration der Stärke“ – am Himmel und in Zeitung/Internet lautet das gängige Motto der NATO. Für Presseoffiziere ist das ein bisweilen heikler Spagat zu der andererseits auch notwendigen Wahrung militärischer Geheimnisse. Denn die aktuelle Gefährdung der Truppe ist derzeit weniger ein kriegerischer Angriff Russlands, als vielmehr die Sorge vor Spionage und Sabotage.

Und so bin ich Mitorganisator eines Medientages, zu dem knapp 30 vorwiegend lettische Journalisten auf den Fliegerhorst kommen. Sie sehen unter anderem zwei Eurofighter-Starts. Einen derartigen Medienauflauf hatten die lettischen Pressekameradinnen noch nicht erlebt.

Sehr befriedigend sind aber auch die vielen, zustimmenden Kommentare, die wir immer wieder unter den „X“- (Twitter)-Fotos mit den abgefangenen russischen Flugzeugen lesen. Sicher auch eine Folge aus der Erkenntnis, dass Frieden und Freiheit ein fragiles Gut geworden sind.

Sonntags geht es nach Riga

Sonntags können die deutschen Soldaten ihre Wohncontainer in der Kaserne verlassen. Dann geht es in die lettische Hauptstadt Riga. Trotz 40-jähriger, russischer Okkupation (so bezeichnen es die Letten selbst) sind dort schöne (Jugendstil-)Häuser und Cafés sowie schmucke Kirchen zu sehen. Stadtführungen zum politischen Hintergrund und zur geschichtlichen Einordnung gehören für die Soldaten auch zum Programm.

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