„Hemmschwelle für staatsterroristische Akte sinkt“: Experten warnten schon vor Bayreuth-Festnahme
Saboteure sollen in Diensten Russlands Attacken in Deutschland geplant haben. Davor warnen Sicherheitsexperten seit Wochen – und vor einer weiteren Gefahr.
Berlin – Erneut zeigt sich: Die Sorge vor russischen Angriffen in Deutschland ist nicht abstrakt. Im nordbayerischen Bayreuth hat die Polizei am Donnerstag (18. April) zwei Männer unter dem Verdacht der Anschlags-Vorbereitung festgenommen. Sie sollen US-Stützpunkte ausgespäht und Anschläge auf militärische Transportwege geplant haben – laut Innenministerin Nancy Faeser (SPD), um Ukraine-Hilfen zu untergraben.
Sicherheitsexperten warnen seit Wochen vor solchen Attacken und machen klar: Die Zahl von Sabotageakten wird bald deutlich steigen. Deutschland solle sich vorbereiten.
Mutmaßliche Saboteure aus Russland in Bayreuth festgenommen: Aktionen, die verunsichern sollen
Erst Ende März hatte das Geheimdienstgremium des Bundestages die Regierung aufgefordert, das Land besser gegen russische Einflussoperationen zu wappnen. Auch die CDU-Innenexpertin Serap Güler hatte im Interview mit IPPEN.MEDIA vor Angriffen in Deutschland gewarnt.
Gemeint sind konzertierte Aktionen, die die Gesellschaft spalten und verunsichern sollen, sowie Ausspähungen und auch physische Attacken. „Die gezielte Nutzung von Desinformationskampagnen ist schon seit längerem Teil der russischen Strategie, welche darauf zielt, soziale Spannungen in Europa und Deutschland zu erkennen und auszuweiten“, erklärte zuletzt Extremismus-Experte Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
Sicherheitsexperten: Zahl von Desinformationskampagnen aus Russland wird deutlich zunehmen
Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Der „Fall Lisa“ von 2016. Damals war über Teile der russischsprachigen Community in Deutschland eine Falschmeldung über eine angebliche Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens durch einen „Südländer“ verbreitet worden. In Russland hatte das für ein gewaltiges Medienecho gesorgt. Später hatten sich die Vorwürfe als Fake-News herausgestellt. Solche Kampagnen werde es wohl sehr bald wieder zuhauf geben, heißt es aus Sicherheitskreisen.
In Bayern festgenommene Saboteure wollten wohl Hilfe für Kiew im Ukraine-Krieg stören
Und jetzt also offenbar konkrete Pläne für Anschläge. Das Ziel der mutmaßlichen Saboteure soll es gewesen sein, die Hilfe aus dem Westen für Kiew im Ukraine-Krieg zu stören. In Bund und Ländern ist man bereits seit einiger Zeit in Alarmbereitschaft. Eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums etwa hatte jüngst auf Nachfrage erklärt: „Militärische und politische Eskalationen erhöhen den Druck auf Nachrichtendienste autoritärer Staaten, Informationen zu beschaffen und Interessen durchzusetzen. Gleichzeitig senken sie die Hemmschwelle für staatsterroristische Aktivitäten oder Sabotage, da die Eskalationsgrenzen durch den Krieg bereits verschoben sind.“
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Innenministerium: „Deutschland eines der Hauptziele“
Und aus dem Bundesinnenministerium hieß es gegenüber IPPEN.MEDIA, Deutschland sei eines der Hauptziele für russische Kampagnen und Attacken. „Die Sicherheitsbehörden haben alle illegitimen Aktivitäten ausländischer Mächte in Deutschland – Spionage, Desinformation, Cyberaktivitäten – im Blick.“ Zu einzelnen Erkenntnissen könne man sich aber nicht öffentlich äußern.
Unterdessen mahnen Experten, dass Deutschland nicht hinreichend gegen Cyberattacken oder Angriffe auf die kritische Infrastruktur gerüstet sei. Der Informatiker Klaus Schilling etwa erklärte im Gespräch mit IPPEN.MEDIA, die Regierung müsse dringend in ein eigenes Satellitennetzwerk investieren. Er ist Experte für Telematik beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Schilling geht es um sogenannte Satellitenkonstellationen, also Gruppen von Kleinsatelliten, die in einem niedrigen Orbit um die Erde kreisen.
Experte fordert Investitionen in modernes Satellitensystem: „Ukraine-Krieg zeigt, wie wichtig das ist“
Mit Starlink hat US-Unternehmer Elon Musk ein solches Netzwerk bereits seit Jahren im All. Deutschland hinke ebenso wie ganz Europa indes deutlich hinterher, warnte Schilling: „Wenn bei Angriffen auf die kritische Infrastruktur Kommunikationssysteme zerstört sind, dann geht es nur noch über Satelliten.“
Wie wichtig solche Kommunikationsnetzwerke seien, habe man zu Beginn des Ukraine-Kriegs gesehen. Dort hatten russische Attacken die Infrastruktur in Teilen des Landes lahmgelegt. In Deutschland war das seinerzeit aufgefallen, weil es – gewissermaßen als Kollateralschaden – Störungen in der Steuerung von Windparkanlagen gegeben hatte. Ohne ein modernes Kommunikationssystem mithilfe von Satelliten gebe es mittelfristig ernste Sicherheitslücken, so Schilling.