Schülerin (17) fordert Test-Revolution in Bayern – auch wegen eigener Erlebnisse: „Schon sehr belastend“

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Pünktlich zum Schulstart nach den Sommerferien sorgt die Petition einer 17-Jährigen aus München für Aufsehen. Was sie in Bayern verändern will.

München – „Inzwischen kann ich besser damit umgehen“, sagt Amelie N., „finde es aber immer noch ziemlich einschneidend.“ Die 17-Jährige aus München hat die Petition „Schluss mit Abfragen und Exen!“ gestartet, die sich an Landtag und Kultusministerium in Bayern wendet. Darin fordert die Gymnasiastin eine positive Lernkultur statt unangekündigter Tests und spontaner Abfragen.

Zum Schulstart nach den Sommerferien (10. September) hatten fast 9000 Menschen die Online-Petition unterzeichnet. Im Interview mit unserer Redaktion erzählt N. von eigenen Erfahrungen, die ihrem Vorstoß zugrunde liegen – und verrät, warum, sie selbst keine Lehrerin werden möchte.

Eigene Erfahrungen „rückblickend schon belastend“: Schülerin aus Bayern startet Petition

In der 5. Klasse ging es los mit Abfragen und Exen. Wie haben Sie damals den Übergang von der Grundschule erlebt?

Amelie N.: Man kommt ganz neu an eine Schule, kennt kaum Leute und wird gleich in einer der ersten Stunden abgefragt. Rückblickend war das schon sehr belastend. Wobei ich gar nicht sagen würde, dass die Grundschulzeit nur behütet war. Gerade in Bayern hat man durch den Übertritt schon sehr viel Druck. Manche sprechen ja sogar vom Grundschul-Abitur.

Schülerin aus München
Amelie N. will mit ihrer Petition den Schul-Alltag in Bayern verändern. © Yannick Thedens.

Am Gymnasium haben Sie Erfahrungen gemacht, die jetzt Anlass für Ihre Petition waren ...

Vorletztes Jahr haben mich unter anderem die Chemie-Stunden geprägt. Die meisten von uns wussten, dass sie das Fach danach nicht mehr wählen würden. Ich habe versucht, möglichst viel auswendig zu lernen, habe aber nur wenig davon wirklich verstanden. Dementsprechend groß war die Panik. Das beeinflusst den ganzen Schulalltag, wenn man weiß: da kommt jetzt dieses Fach und eventuell könnte ich ausgefragt werden – und am nächsten Tag wieder dasselbe. Wir hatten dreimal in der Woche Chemie.

Haben Sie die Petition bei Ihren Lehrern angekündigt?

Ich habe mal mit einer Lehrerin darüber gesprochen, wofür ich mich einsetze. Die anderen dürfte die Petition schon eher überraschend treffen.

Reaktionen auf Vorstoß:

Zahlreiche Organisationen unterstützen die Petition. Unter anderem das Forum Bildungspolitik in Bayern e. V. mit seiner Vorsitzenden Simone Fleischmann. Diese erklärt: „Es ist an der Zeit, dass wir über ein neues Leistungsverständnis in unseren Schulen sprechen. Schule muss nicht nur Wissen vermitteln, sondern jungen Menschen auch soziale und emotionale Kompetenzen an die Hand geben. Diese lassen sich nicht durch Exen abfragen.“

Offenbar kann sich das Kultusministerium Anpassungen durchaus vorstellen. Eine Sprecherin schreibt auf Anfrage unserer Redaktion, die Schulordnungen schrieben „eine verbindliche Durchführung von Stegreifaufgaben“ gar nicht vor. Die Lehrkräfte hätten „bei der Wahl der Leistungsnachweise folglich bewusst einen pädagogischen Spielraum“. Amelie N. sagt: „Das wird oft als Argument verwendet. Aber es sollte nicht auf Freiwilligkeit beruhen, dass man diese Rituale durchführt. Es sollte eine bayernweit einheitliche Regelung geben.“

„Glaube nicht, dass es großes Gesprächsthema auf dem Pausenhof wird“

Wie reagieren die Leute aus Ihrem Umfeld? Sie waren im Fernsehen zu sehen, mehrere Medien haben berichtet.

Nach einem Radio-Beitrag haben mich ein paar Leute angeschrieben. Viele in meinem Umfeld wissen schon, dass ich das mache. Wer an der Schule davon mitbekommen hat, weiß ich nicht. Ich glaube aber eher nicht, dass das ein großes Gesprächsthema auf dem Pausenhof wird.

Sie wollen Exen und spontane Abfragen in Bayern abschaffen. Wie sollten Leistungsnachweise Ihrer Meinung nach aussehen?

Schüler sollten lernen, weil sie darin einen Sinn sehen – und nicht aus Panik, unvorbereitet vor der Klasse zu stehen. Der Fokus sollte auf selbstbestimmtem Lernen liegen. Daran würde ich auch die Prüfungsformate orientieren. Ihr Ziel sollte nicht sein, dass am Ende eine Note dasteht. Schüler müssten viel mehr individuelles Feedback bekommen – um sich dann bei den nächsten Versuchen weiterentwickeln zu können. Es gibt ja auch in Bayern schon Schulen, die entsprechende Ansätze verfolgen.

Junge Leute wollen nur noch vier Tage arbeiten, jetzt auch noch weniger Druck in der Schule. Wie begegnen Sie solchen Pauschalurteilen?

Die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche und der Abschaffung unangekündigter Tests wird oft mit der Generation Z in Verbindung gebracht, die neue Arbeits- und Lernmethoden bevorzugt. Dabei geht es nicht um mangelnde Leistungsbereitschaft,

Schülerin aus Bayern (17) fordert Test-Revolution: „Alte Annahme ist überholt“

Was steht für Sie im Vordergrund?

In einer Gesellschaft, die zunehmend unter Burnout leidet, hinterfragt die Generation Z, ob mehr Druck wirklich zu besseren Ergebnissen führt. Die alte Annahme, dass immer mehr Arbeit und Druck automatisch zu mehr Leistung führen, ist überholt. Menschen wollen lernen. Positive Erlebnisse in der Schule sollten im Vordergrund stehen. Studien zeigen, dass eine stressfreie Lernumgebung langfristig produktiver ist. Unangekündigte Tests erzeugen unnötigen Stress und lenken vom eigentlichen Lernziel ab.

Als Lehrerin könnten Sie die Zukunft an Bayerns Schulen mitgestalten ...

Aktuell kann ich mir nicht vorstellen, als Lehrerin zu arbeiten. Klar, es braucht dringend Lehrkräfte, die frische Ideen einbringen und einen kritischen Blick auf das System werfen. Sonst findet nie eine Veränderung statt. Aber für mich wäre es schwierig, etwas zu machen, was von meinem eigenen Anspruch abweicht. Ich wäre ja gezwungen, Noten zu geben, Tests abzuhalten und Schüler durchfallen zu lassen.

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