Kreativität muss das Hauptfach sein
Die Streichung von Unterrichtsstunden im musischen Bereich ist das nächste Versagen der Bildungspolitik. Kommentar
Das „Grundschul-Abitur“ ist ein geflügeltes Wort. Es steht für den großen Leistungsdruck, dem schon die jüngsten Schüler unterliegen. Als Höhepunkt der schulischen Laufbahn gilt nur das Abitur als erstrebenswert. Der Übertritt aufs Gymnasium ist nach dieser Logik zwingend.
In dieser Grundannahme und vor allem in den Reaktionen der Bildungspolitik liegen aber mehrere Fehler. Es ist schon einmal grundfalsch, nur IT-Fachkräfte, Ingenieure und Geisteswissenschaftler ausbilden zu wollen.
Und es wäre ja ohnehin fatal, nur von der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt her zu denken. Es muss auch um das Angebot an Talenten gehen. Es gibt so viele junge Menschen, die eher für die praktische als die theoretische Arbeit geschaffen sind. Warum sollen sie in eine akademische Laufbahn gedrängt werden, wo sie doch an anderer Stelle – im Handwerk, auf dem Bau, in der Pflege – so dringend gebraucht werden?
Da ist es schon befremdlich, dass heutzutage bei Abi-Noten die Eins vor dem Komma eher die Regel als die Ausnahme ist. Die Spitzennote sollte doch für Spitzenergebnisse reserviert sein. Hohe Übertrittsquoten an Realschulen sowie Gymnasien und eine solche Notengebung suggerieren doch, dass jeder Schüler, der sich bis zum Abschluss durchgequält hat, zu einer Elite gehört. Solche Fehlanreize produzieren Frust und Stress bei Schülern, Eltern und Lehrern.
Die Stundenstreichungen bei musischen Fächern in der Grundschule passen da leider nur zu gut ins Bild. Die Politik doktert an Symptomen herum und verliert das Gesamtbild aus den Augen. Die Kinder sollen besser in Lesen, Schreiben und Rechnen werden. Daran ist erstmals nichts falsch. Verkehrt ist allerdings, dieses Ziel mit noch mehr Druck und noch weniger Freiraum für den Geist erreichen zu wollen.
Denn Musik, Kunst und Werken helfen (ähnlich wie Sport) dabei, die eigenen Talente zu entdecken und damit selbstbewusster an die weiteren Herausforderungen des Schulalltags zu gehen. Sie trainieren vernetztes Denken und kreative Problemlösungen. Sie öffnen den Geist für Unbekanntes. Sie bringen im besten Fall Spaß und Leichtigkeit in den Unterricht. Gerade für Kinder doch so wichtig, um mit den Anforderungen klarzukommen.
In einer Welt mit Google und ChatGPT geht es schon lange nicht mehr darum, alles selbst zu wissen und zu können. Kreativ mit den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten umgehen zu können, wird immer mehr zur Schlüsselqualifikation. Wo, wenn nicht im Kunst-, Werk- oder Musikunterricht lernen das Kinder am besten?