Fiasko: Russlands Top-Panzer erleidet in der Ukraine erhebliche Verluste
Der Bundesverteidigungsminister ist in heller Aufregung: Russlands Rüstungsindustrie scheint zu mächtig. Möglicherweise ist das stark übertrieben.
Moskau – „Um die Stückzahlen zu erhöhen, müssen die Produktionslinien des T-90M in Fabriken und Gießereien entweder neu gestartet werden (…) oder von Grund auf neu gebaut werden. Trotz der Produktionssteigerungen neuer Panzer im Vergleich zur Produktion in Friedenszeiten dürfte es immer schwieriger werden, genügend Panzer zu liefern, um die derzeitigen Abnutzungsraten auszugleichen“, schreibt Michael Gjerstad vom Thinktank International Institute for Strategic Studies (IISS). Kurz vor Eintritt in das vierte Jahr des Ukraine-Krieges ist Wladimir Putins Panzer-Armee ziemlich am Ende. Während Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Russlands Panzer-Produktion für unzerstörbar hält, sehen Beobachter die Zukunft von Russlands Kriegstechnik nüchterner.
„Russland hat vollständig auf Kriegswirtschaft umgestellt und stellt der Armee jedes Jahr 1.000 bis 1.500 Panzer auf den Hof. Das sind etwa doppelt so viele, wie die größten fünf europäischen Länder zusammen überhaupt im Bestand haben“, zitierte die Bild den Bundesverteidigungsminister. Gjerstad hat ihm da widersprochen. Auch andere Autoren halten Russlands Schwierigkeiten in der Produktion moderner Kampfpanzer für erheblich. Der T-90 mit seiner unterdurchschnittlichen Leistung in der Ukraine ist dafür nur ein Beispiel. Der T-14-Armata ein weiteres.
Ukraine-Krieg: Kostensenkungen bei Modernisierungen machten Russlands Prunkstück zum Reinfall
Das Magazin Forbes hatte bereits Ende 2023 geurteilt, dass Kostensenkungen bei Modernisierungen Russlands Prunkstück zum Reinfall machten. Das gilt nicht weniger für den T-90, wie bereits knapp ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Krieges bekannt wurde – der von Wladimir hochgelobte und seiner Meinung nach beste Panzer der Welt entblößte als Beute-Panzer der Ukraine schnell seine Schwächen, wie das Magazin ArmyInform berichtete.
„Deutschland und Europa insgesamt werden Jahrzehnte brauchen, um mit der derzeitigen russischen Waffenproduktion Schritt zu halten. ... Politischer Wille, Produktionskapazität und die Mittel, um all dies zu bezahlen, werden über den Sieger entscheiden.“
Der V-92S2F-Motor des Panzers solle danach zu schwachbrüstig sein für das fast 50 Tonnen schwere Gefährt. Das im T-90 verbaute Kalina-Feuerleitsystem enthalte westliche Komponenten für den zivilen Gebrauch und sei deshalb für militärische Zwecke überbewertet. Außerdem sei die Elektronik gegen Anweisungen bezüglich der Feuchtigkeitsanforderungen zusammengebaut, sodass der von der Ukraine erbeutete Panzer oxidierende Kontakte offenbarte und mögliche Versager nahelegte. „Das viel gepriesene neue automatische Nachladesystem erwies sich als ein weiterer Mythos, denn um Munition aus dem Magazin im hinteren Teil des Turms nachzuladen, muss man den Panzer verlassen und die Patronen mit den eigenen Händen tragen“, schrieb ArmyInform.
Das Medium zitierte als Zeugen Serhiy Bachurin. Der Leiter des ukrainischen Zentrums für die Erforschung von Trophäen und zukünftigen Waffen und militärischer Ausrüstung berichtete vom T-90 als dem erstaunlichsten Fall, den seine Spezialisten zu untersuchen hatten. Bachurin sagte, dass sich dieser Panzer kaum vom Vorgänger-Modell T-72 unterscheide. „Es ist nur eine Art Haufen aus etwas veredeltem Metall“, sagt Bachurin. Anfang der 1990er-Jahre als Weiterentwicklung des T-72 sowie dessen Nachfolgers, des T-80, aus der Zeit des Kalten Krieges gebaut, wurden die Modelle jeweils dem Stand der Technik angepasst, ohne in einem bestimmten Segment alle gegnerischen Modelle zu überragen.
Putins Fiasko: „Russlands Panzer T-90M hinterlässt in der Ukraine einen Pfad der Tränen.“
Der T-90M ist letztendlich lediglich besser geschützt als seine Vorgänger und verfügt über erweiterte Gegenmaßnahmenfähigkeiten. Dazu gehört die eingebaute explosive reaktive Panzerung zum Schutz vor Hohlladungen und zur Minimierung der Auswirkungen von panzerbrechenden Geschossen auf das Gehäuse aus Panzerstahl. Was alles nichts nützt, wie Brent M. Eastwood für das Magazin 19fortyfive.com geschrieben hat: „Russlands Panzer T-90M hinterlässt in der Ukraine einen Pfad der Tränen“
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Laut dem Stern benötigt Russland vor allem die modernen T-90 Panzer als mobile Feuerwehr gegen etwaige Offensivbemühungen der Ukraine. Vor allem die Abschnitte, die für solch eine ukrainische Gegenoffensive interessant sind, wurden bisher durch die Verlegung moderner russischer Panzer verstärkt. Seine Vorteile spielt der Panzer vor allem durch seine reaktive Panzerung aus; allerdings ist auch die kaum gegen moderne Panzerabwehrwaffen wie die von einem einzelnen Soldaten getragene Javelin gefeit.

T-90 nur ein Beispiel: Russland führt einen industriellen Krieg gegen die Ukraine
Fakt ist, dass Russland die Anstrengungen seiner Rüstungsproduktion weiter nach Kräften forciert. Die rund 4.000 Kampfpanzer der Russischen Föderation von Beginn des Krieges sind in der Masse erstmal verloren – die Invasionsarmee habe Mühe, allein die horrenden Verluste adäquat auszugleichen, hatte im vergangenen September Tomas Malmlöf nahegelegt. Der Autor der schwedischen Verteidigungsforschungsagentur (FOI) mutmaßt, dass Russland in der Lage sei, pro Jahr rund 520 neue Fahrzeuge auf die Ketten zu stellen: „62 Panzer vom Typ T-90M Proryv, 62 weitere vom Typ T-90/T-90A; 80 Panzer, Typ T-80BVM; 140 Panzer vom Typ T-72B3 und weitere 140 vom Typ T-72B3M“, wie das Magazin Defense Express über Malmlöfs Ergebnisse berichtet hat.
Der in London ansässige Thinktank Chatham House hatte Mitte Juli vergangenen Jahres auch eine besorgniserregende Bewertung russischer militärischer Regenerationsfähigkeiten veröffentlicht. Den Analysten zufolge sind die Sanktionen immer noch zu durchlässig und die russische Wirtschaft immer noch zu widerstandsfähig, um den Westen zu beruhigen. Obwohl Russland in Richtung Hochtechnologie weiter ins Hintertreffen gerät: „Die russischen Bemühungen, militärische Innovationen und bahnbrechende Technologien zu fördern, weisen in unterschiedlichem Ausmaß Unzulänglichkeit auf – die Hauptproblembereiche sind die Produktion von Mikrochips (wo Russland kritisch hinterherhinkt), militärische künstliche Intelligenz (KI), die Robotisierung der Streitkräfte, und andere fortschrittliche Technologien“, schreibt Autor Mathieu Boulégue.
Russland führe einen industriellen Krieg gegen die Ukraine, schreibt Guntram B. Wolff. Der Analyst des in Brüssel ansässigen Thinktanks Bruegel rechnet tatsächlich mit einer nahezu gleichbleibend hohen industriellen Produktionskapazität der Russen und stellt sie der ausbaufähigen militärischen Produktion in den Westländern entgegen. Allerdings bewegen sich alle Analysten mehr oder weniger im Bereich der wilden Spekulation; sie changieren in ihren Bewertungen ständig zwischen dem Soll der russischen Rohstoffe und dem Haben der russischen Arbeitskraft.
Der Unterschied: Russland führt einen Krieg, den es gewinnen zu müssen glaubt
Fakt ist, dass Russland beispielsweise den T-90-Panzer tatsächlich an die Front geschafft hat. Allerdings hat das Russland wenig gebracht. Letztendlich hält Russland lediglich ihre eingelagerte Sowjet-Technik im Spiel. Sicherlich kann Moskau für eine Konfrontation mit der Nato auf sein atomares Arsenal zurückgreifen, dennoch fehlen die schlagkräftigen Beweise, dass Russland konventionell ein ernstzunehmender Gegner für einen Waffengang mit der Nato darstellen könnte.
Michael Fredenburg unterstellt den westlichen Ländern eine grundlegend andere intrinsische Motivation gegenüber einem Krieg als Fortsetzung der Außenpolitik, wie er schreibt: „Die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten führen einen Krieg, den sie gerne gewinnen würden, während Russland einen Krieg führt, den es gewinnen zu müssen glaubt – einen existentiellen Krieg.“ Der Analyst des US-Thinktanks Responsible Statecraft hält den Westen für technologisch fortschrittlicher, aber Russland für kriegstüchtiger.
Die Produktionsgeschwindigkeit der Russen könne die technologische Überlegenheit des Westens erneut eindeutig übertreffen, wie Caleb Carr für das Small Wars Journal bereits nach einem Jahr Ukraine-Krieg vorausgesagt hat. Möglicherweise seien der T-90 und der T-14 Armata Versuche gewesen, einen den West-Panzern ebenbürtigen Gegner entgegenzustellen – und sie seien damit im Ukraine-Krieg gescheitert. Dennoch sieht die Prognose für die westlichen Länder düster aus, wie Guntram B. Wolff für den Thinktank Bruegel schreibt. „Deutschland und Europa insgesamt werden Jahrzehnte brauchen, um mit der derzeitigen russischen Waffenproduktion Schritt zu halten. ... Politischer Wille, Produktionskapazität und die Mittel, um all dies zu bezahlen, werden über den Sieger entscheiden.“