Ampel-Zoff: Habeck und Lindner präsentieren Wirtschaftspläne – Scholz steht vor Entscheidung
Das öffentlich gewordene Wirtschaftspapier von Finanzminister Lindner führt die Ampel weiter in die Krise. Alle Augen liegen jetzt auf Bundeskanzler Scholz.
München – Der Abgesang auf die Ampel-Koalition hat in den vergangenen Wochen immer neue Züge angenommen. Dass das erste Dreierbündnis auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 2025 getrennte Wege gehen wird, gilt als sicher. Doch vor allem seit dieser Woche sind die Zweifel daran, dass die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) überhaupt noch solange durchhält, noch einmal radikal gestiegen. Am Freitag gelangte ein neues Dokument an die Öffentlichkeit, welches die nötige Sprengkraft hat, um die Ampel endgültig zu beenden – Kanzler Scholz steht jetzt vor einer Entscheidung.
Ampel am Ende? Scholz steht wegen Lindners Wirtschaftspapier vor einer Entscheidung
Das Dilemma des Bundeskanzlers kann dabei auf zwei Personalien heruntergebrochen werden: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) oder Finanzminister Christian Lindner (FDP). Letzterer hatte am Freitag mit seinem Grundsatzpapier über eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik für Aufsehen gesorgt und den Druck auf den Kanzler massiv erhöht. Das Dokument sei vor allem intern für die Ampel-Regierung bestimmt gewesen, beteuerte der Finanzminister. Spätestens seit seiner Veröffentlichung kann es aber auch als Ultimatum an den Kanzler angesehen werden.
„Der Ball liegt klar beim Kanzler. Jetzt muss sich Olaf Scholz entscheiden, ob er diese Regierung retten will“, zitiert die Bild-Zeitung am Samstag aus Kabinettskreisen. Teile der FDP sähen Lindners Wirtschaftspapier als wichtige Vorgabe dafür, was in den verbleibenden Monaten der Legislaturperiode noch passieren müsse. „Entweder ist der Kanzler bereit, wesentliche Punkte unserer Analyse und Vorschläge mitzutragen – oder das Ganze hat ein Ende“, zitiert die Bild weiter aus FDP-Kreisen.
Ampel-Streit um Wirtschaftspolitik: Lindners Papier kontert Habecks „Deutschlandfonds“-Pläne
In dem Papier sprach sich Lindner vor allem erneut gegen eine Auflockerung der Schuldenbremse aus – viel mehr sollen Investitionen zurückgefahren werden. Das betreffe unter anderem die Klimaschutzförderung oder die geplanten Subventionen für eine neue Intel-Chipfabrik in Sachsen-Anhalt. Manche wollten das Blatt wenden, indem sie Wohlstand durch Umverteilung versprächen, schrieb Lindner in dem Papier. „Sie erwecken den Eindruck, ein Staat ohne Schuldenbremse könne neues Wachstum kaufen. Dabei unterschlagen sie, dass Schulden Geld kosten“, erklärte er weiter.
Die Forderung richtet Lindner wohl vor allem in Richtung Koalitionspartner. Wirtschaftsminister Habeck hatte erst vor knapp anderthalb Wochen seinen eigenen Wirtschafts-Plan für Deutschland vorgestellt. Dieser unterscheidet sich jedoch stark von den Ideen seines Koalitionskollegen. Habeck schlug eine „unbürokratische Investitionsprämie“ von zehn Prozent des Investitionsvolumens vor. Das Geld solle aus einem „Deutschlandfonds“ von Bund und Ländern kommen und besonders auch an „Handwerksbetriebe sowie kleine und mittelständische Betriebe“ gehen. Mehr Investitionen oder Festhalten an der Schuldenbremse? Die Ampel zeigt sich wieder einmal tief gespalten – und in der Mitte steht der Kanzler.
Droht der Ampel der Bruch? Lindner verteilt „rot-gelbe Karte“ an Scholz
Auch wenn bislang nicht bekannt ist, wie das Papier an die Öffentlichkeit gelangt ist, könnte Lindners Wirtschaftsplan im vom Finanzminister ausgerufenen „Herbst der Entscheidung“ den Anfang vom Ampel-Ende einleiten. „Lindner will aus der Ampel raus, er weiß nur noch nicht wie“, zitierte Politico erst vor wenigen Tagen ein namentlich nicht genanntes Mitglied des Kabinetts. Mit dem Wirtschaftspapier könnte der Finanzminister jetzt einen Weg gefunden haben.
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Der FDP-Abgeordnete Alexander Müller bezeichnete Lindners Papier im Spiegel als „rot-gelbe Karte“ für die Ampel. „Deutschland sackt wirtschaftlich immer weiter ab“, es müssten jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen werden, führte Müller aus. „Passiert das nicht, wollen wir nicht länger die Verantwortung mittragen.“ Eine Position, die offenbar viele Abgeordnete in der FDP-Fraktion teilen.
Schicksalswochen der Ampel: Steht Deutschland vor Neuwahlen?
Die Ausgangslage verspricht ordentlich Zündstoff für den am Mittwoch angesetzte Koalitionsausschuss. Die Bild-Zeitung will aus FDP-Kreisen erfahren haben, dass Lindners Partei noch vor dem Treffen eine Reaktion des Kanzlers zu den Forderungen ihres Parteichefs erwarte. Doch im Kanzleramt ist es bislang gewohnt ruhig. Scholz hatte in den vergangenen Wochen die Wirtschaftspolitik der Ampel zur Chefsache erklärt. Das zeigte nicht zuletzt ein am Dienstag angesetzter Industriegipfel im Kanzleramt, den Scholz ohne Lindner und Habeck veranstaltet hatte. Den Druck der Koalitionspartner wird der Kanzler jedoch auf Dauer nicht ignorieren können. Zu unterschiedlich sind die Positionen – zu verhärtet die Fronten.
Sollte Scholz es nicht gelingen, die jüngsten Streitigkeiten wegzumoderieren, droht der Ampel-Koalition endgültig das Aus. Für die Zeit danach werden bereits mehrere Optionen diskutiert, die vor allem auch von den andauernden Planungen für den Bundeshaushalt 2025 abhängen. Am wahrscheinlichsten dürften jedoch vorgezogene Neuwahlen sein. Für diese kursiert in Berliner Kreisen bereits ein Datum: Der 9. März 2025.
Ampel-Krise spitzt sich zu: Lindner bemängelt wegen Wirtschaftspapier „Indiskretion“
Lindner besteht derweil weiter darauf, die erneuten Streitigkeiten nicht selbst durch die Veröffentlichung des Papiers herbeigeführt zu haben. Der Wirtschaftsplan hätte zunächst nur im engsten Kreis der Bundesregierung beraten werden solle, schrieb Lindner in einer E-Mail an Parteifreunde, die der dpa vorliegt. Weiter beklagte der Finanzminister mit Blick auf die Veröffentlichung eine „Indiskretion“. An wen sich Lindners Vorwurf richtet, ist bislang nicht bekannt. Für den Zustand der Koalition ist dies jedoch nebensächlich. (fd)