Nach dem historischen Absturz der SPD bei der Bundestagswahl steht die Partei vor einem personellen Umbruch. Einer, der sein Mandat verloren hat, ist Detlef Müller aus Chemnitz. Der 60-Jährige war stellvertretender Fraktionsvorsitzender, doch nun kehrt er zu seinem ursprünglichen Beruf zurück – er wird wieder Lokführer.
„Es tut weh. Es ist bitter. Es ist enttäuschend“, sagt Müller im Gespräch mit FOCUS über sein Ausscheiden aus dem Bundestag. Doch er nimmt die Niederlage sportlich: „Abgeordneter zu sein ist ein Job auf Zeit. Nur der Bürger entscheidet, wie es weitergeht. Wir leben in einer Demokratie.“
SPD-Mann fliegt aus Bundestag: „Ich gehe zur Bahn zurück“
In Sachsen erreichte die SPD nur 8,5 Prozent der Zweitstimmen. Müller verpasste knapp den Wiedereinzug. „Mit 8,7 Prozent hätte es wohl für mich gereicht. Aber das ist wie im Fußball: Tor geschossen oder nicht, also egal.“
Nun wagt er einen Neuanfang – oder vielmehr eine Rückkehr. „Back to the Roots – wie man sagt“, erklärt Müller. Vor seiner politischen Karriere arbeitete er als Lokführer, nun wird er wieder für die Bahn im Regionalverkehr tätig sein. „Ich werde wieder Lokomotive fahren. Ich gehe zur Bahn zurück und werde wieder durch die Lande ziehen.“ Möglich sei auch ein Wechsel in den Fernverkehr: „Vielleicht fahre ich in meinen letzten Arbeitsjahren noch mal einen ICE.“
Der frühere Bundestagsabgeordnete sieht die aktuelle Krise der SPD mit Sorge. Besonders in der Arbeiterschicht sei das Vertrauen verloren gegangen. „Viele sagen, sehr vereinfacht ausgedrückt: Die SPD kümmert sich nicht um uns, sondern um die, die nicht arbeiten.“ Dabei, so betont er, habe die Partei viel für Arbeitnehmer getan: „Wir haben das Wohngeld erhöht. Dies unterstützt viele Menschen, bei denen Lohn und Rente nicht ausreichen. Wir haben das Bürgergeld angepasst. Auch hier unterstützt das viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor. Wir haben den Mindestlohn erhöht.“
„Das ist nicht angekommen“: Müller sieht Defizite bei seiner eigenen Partei
Doch Müller gibt zu: „Das ist nicht angekommen.“ Die SPD müsse sich stärker auf ihre traditionelle Wählerschaft konzentrieren. „Wir müssen uns, genauso wie die Gewerkschaften, wieder besinnen, wo unsere eigentliche Kernklientel ist, wenn man das so sagen darf: Arbeiter und Angestellte, Selbstständige, Landwirte, Handwerker, die, die also arbeiten.“
Trotz der Niederlage hält Müller an seiner Partei fest: „Ich bin und bleibe in der SPD und werde mich in der Lokalpolitik weiter ehrenamtlich engagieren.“ Rückblickend nennt er die Rettung des Deutschlandtickets als seinen größten Erfolg. „Mit dem Ampel-Aus im November drohte auch das Aus für das Deutschlandticket. Ich hatte noch gute Beziehungen zu Fachpolitikern in der Union. Wir haben uns dann mal abends getroffen und vereinbart, wie man das Ticket doch retten kann.“
Nun freut er sich auf seine Rückkehr in den Führerstand. Was ihn daran besonders reizt? „Wenn man eine Störung selbst beseitigt und dadurch einen Zugausfall verhindert. Oder wenn man im Morgengrauen in Richtung Sonnenaufgang aufbricht. Fast schon kitschig. Ich freue mich drauf.“