Rasselnde „Renaissance“: Im Krieg der Zukunft spielt der Panzer eine große Rolle
Eine neue Munitionsfabrik und ein top-modernes Panzermodell: Der Krieg der Zukunft bleibt in Teilen klassisch, aber Deutschland tut sich damit schwer.
Düsseldorf – Die Briten haben den Panzer auf dem Kieker. Das Inselreich war schon die erste Nation, die Panzer an die Front geschickt hat; und sie als erste Nation künftig gänzlich aus der Geschichte bewaffneter Auseinandersetzungen tilgen möchte. „Die britische Armee plant eine Zukunft ohne Panzer“ – als die Neue Zürcher Zeitung erstmals davon berichtete, war die Krim bereits seit sechs Jahren unter Russlands Kontrolle. Jetzt gehen Großbritannien sowohl das Kleingeld aus als auch das Personal und damit die Lust auf Panzer generell.
Zu der Zeit wollte aber neben dem damaligen Premier Boris Johnson noch kein westlicher Staatenlenker glauben, dass ein bereits lange erkalteter Krieg zwischen Ost und West noch ein Glutnest übrig gelassen hatte: Wladimir Putin. Für Armin Papperger ist das ein wirtschaftlicher Glücksfall: „Der Kampfpanzer wird eine Renaissance erleben, weil die Europäer wieder auf die Bündnis- und Landesverteidigung setzen müssen, ihre Panzer aber veraltet sind“, sagte der Geschäftsführer der deutschen Rüstungsschmiede Rheinmetall jetzt dem Tagesspiegel.
Neuer Standort in der Lüneburger Heide
Rheinmetall will seine Munitions-Produktion deutlich ausweiten. In der Lüneburger Heide soll am bestehenden Standort Unterlüß (Landkreis Celle) eine neue Fabrik für Artilleriemunition entstehen. Bundeskanzler Olaf Scholz setzte am Montag (12. Februar) zusammen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD), Firmenchef Armin Papperger und der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen den symbolischen ersten Spatenstich für das Werk, das in nur zwölf Monaten Bauzeit fertiggestellt werden soll. Bereits im kommenden Jahr solle die Produktion anlaufen, kündigte der Rüstungskonzern an.
„Wir haben uns und der Ukraine bisher beholfen, indem wir sehr viel aus dem Bestand geliefert haben“, erklärte der Kanzler. Aber dies sei immer weniger möglich. „Es ist wichtig, dass wir alles dafür tun, die Produktion weltweit zu erhöhen.“ Das neue Werk von Rheinmetall sei hier ein wichtiges Signal.
Quelle: Deutsche Presse-Agentur
Seit 2014 weist die Rheinmetall-Aktie einen massiven Kurszuwachs aus von im Schnitt + 21,1 Prozent jährlich, schreibt das Magazin börse: Ein Investment in Höhe von 10.000 Euro wäre damit nach deren Berechnungen auf 67.981 Euro gestiegen. Allerdings dämpft die börse zu hoch fliegenden Optimismus: Zocken mit Rüstungsaktien sei hoch risikoreich. Und auch Capital misstraut dem Ansinnen, mit Panzern künftig viel Geld zu machen. Rheinmetall liefert Munition, vor allem für die Ukraine, und Panzer, vor allem für die Bundeswehr. „Die Wachstumstreiber des Konzerns kommen fast alle aus Feldern, die man als die ‚alte Rüstungsindustrie‘ bezeichnen kann. Doch die globale Nachfrage dürfte sich in den nächsten Jahren mehr und mehr auf die Erzeugnisse der ‚neuen Rüstungsindustrie‘ verlagern: Drohnen – sowohl in der Luft als auch auf See –, Laser, Cybertechnologie, Digitalisierung“, schreibt Capital.
Rheinmetall spielt in dem Konzert der global player seine Rolle – aber keine erste Geige; und Firmen-Chef Papperger will sein neues Produkt losschlagen: den Panther KF51; ihm zappelt dafür sogar schon der ersten Nato-Partner an der Angel: Ungarn hat die Düsseldorfer beauftragt, „den Panther KF51 bis zur Serienreife zu entwickeln“, wie das Unternehmen bekannt gab. Und auch Deutschland will er als Cashcow gewinnen, wie er dem Tagesspiegel erklärt: „Gerade Russlands Angriffskrieg zeigt uns doch, dass viel, viel mehr Kampfpanzer der neuesten Generation notwendig sind. Hätte die Ukraine gleich am Anfang mehr davon zur Verfügung gehabt, bevor die ganzen Panzersperren aufgebaut wurden, hätte sie die Möglichkeit gehabt, durchzustoßen und möglicherweise weitere Erfolge zu erzielen.“
Neues Lagebild: Die Ukraine hebt den Krieg in Europa wieder auf die Agenda
Viel mehr also auch an Leopard 2. „Das ist ein guter Panzer, keine Frage, aber konzeptioniert wurde er in den 70er-Jahren. Der Panther hat eine erheblich größere Kampfkraft und Aufklärungs- und Kampfdrohnen an Bord“, sagt Papperger. Auch die Briten sahen vor dem Ukraine-Krieg eine Zukunft der Drohnen am Horizont heraufziehen, wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) heraushebt. „Die Verteidigung des insularen Königreichs selbst und seiner Überseegebiete hat für London oberste Priorität. Dieses zweifache Erfordernis setzt unter anderem die Verfügbarkeit leichter Kräfte voraus, die per Schiff oder Flugzeug an den Einsatzort gebracht werden können. Militärische Macht lässt sich aber auch durch weitreichende Waffen, Drohnen, Flugzeuge und Instrumente im Cyber- und Weltraum projizieren“, schreibt sie.

Großbritannien hatte folglich die Verteidigung von Festland-Europa aus dem Fokus verloren – was sich jetzt wieder umkehren könnte, wie auch die SWP prophezeit. Die Struktur künftiger Armeen wird sich denen zufolge an der globalen Agenda orientieren; und die ist ungewiss, also auch schwer planbar. Fakt ist lediglich, dass allein schon durch den demographischen Wandel bedingt, die Armeen schrumpfen werden. Vielen Panzern wird schlichtweg viel Personal fehlen.
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Neue Kriege: Der Panzer wird auch gegen Russland seine klassische Rolle behalten
Dem Panzer wird seine neue Rolle noch auf Leib zu schneidern sein – wobei der Krieg asymmetrischer werden wird, aber auch in seiner klassischen Form vital bleibt, wie Ralf Raths erklärt – der Historiker ist Direktor des Deutschen Panzermuseums in Munster: „Die Zeit der Panzerschlachten und operativen Durchbrüche ist da zwar vorbei. Aber angesichts der Panzernutzung in der Ukraine oder in Syrien wird schnell deutlich, dass die Panzer stattdessen zu ihrer ursprünglichen Rolle zurückkehren: Sie werden vermehrt in geringer Zahl und im taktischen Kontext eingesetzt: Als Rammböcke in kleinen Gefechten, als Ankerpunkte für die Infanterie oder als Artillerieeinsatz über lange Distanzen im Direktfeuer“, sagte er der Welt.
Asymmetrischer Krieg – Freund und Feind sind schwer zu trennen
Kriege gelten als asymmetrisch, wenn die Gegner einander als so unterschiedlich wahrnehmen, dass sie sich wechselseitig nicht mehr als symmetrische Spiegelbilder begreifen wie etwa in einem Krieg „Staat“ gegen „Staat“. Beispiele hierfür sind Auseinandersetzungen zwischen einem Staat und einem Terrornetzwerk oder einem Imperium und einem Staat. Solche asymmetrischen Konstellationen werden das Kriegsgeschehen im 21. Jahrhundert bestimmen.
Unter Bedingungen großer Asymmetrie erodieren die klaren Grenzziehungen, die den symmetrischen Staatenkrieg der europäischen Geschichte seit dem Westfälischen Frieden von 1648 charakterisierten. Die Grenzen zwischen Soldat und Zivilist, Kombattant und Nonkombattant (Beispielsweise Soldaten, die sich ergeben haben), Front und Hinterland, Militär und Polizei, Außen- und Innenpolitik, Krieg und Frieden verwischen. In asymmetrischen Kriegen gibt es keine offiziellen Kriegserklärungen und keine formellen Friedensschlüsse. Ebenso verlieren klare Fronten, feste territoriale Grenzen, Uniformen mit sichtbaren Hoheitsabzeichen und verbindliche kriegsrechtliche Regeln an Bedeutung.
Quelle: Campus Verlag
Auch im asymmetrischen Krieg hält er den Panzer allerdings noch für brauchbar: Zur Geländebeherrschung reiche nach seiner Einschätzung oft ein einzelnes Fahrzeug. Und welche Rolle Panzer in einem neuen Krieg zwischen Indien und Pakistan oder einem Konflikt zwischen Amerika und China hätten, sei ohnehin fraglich – die könnte könnte seiner Meinung nach plötzlich wieder sehr klassisch ausfallen.
Der Kurs der Rheinmetall-Aktie mag als Blaupause für ein verändertes Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit herhalten; das jedenfalls sieht der deutsche Militärhistoriker Sönke Neitzel: „Kämpfen, töten, sterben – all das aber blieb für die meisten Bundesbürger weit weg und eher theoretisch. Was Soldaten denken und erleben, das habe viele in ,Politik und Medien nie ehrlich interessiert‘“, äußerte er gegenüber dem Deutschlandfunk.
Neues Selbstbild: Putin hat die Bedeutung der Bundeswehr wieder gestärkt
Neitzel ist ein ausgesprochener Fan von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), spätestens seit der den Begriff „Kriegstüchtigkeit“ in den gesellschaftlichen Diskurs eingereiht und sich damit angreifbar gemacht hat. „Wir sehen ja an der Kritik von verschiedener Seite – wie beispielsweise von der CSU – wie sehr das Vermeiden von Ehrlichkeit, das Wegdrücken von Wahrheiten Teil unserer politischen Kultur geworden ist“, sagt der einzige Professor für Militärgeschichte in Deutschland im ARD-Podcast „Streitkräfte und Strategien“. Insofern wird die kommende Umstrukturierung der Bundeswehr in Teilen realisieren, was er jahrelang gefordert hat – auch zum Thema Panzer.
Pistorius sei handschlagfähig; und sein Mindset stimme, schwärmt Armin Papperger im Tagesspiegel: „Wenn er sagt ‚Wir machen das‘, glauben wir das auch – Vertrauen ist entscheidend, wenn man investieren will. Natürlich hat er jetzt ein höheres Budget, aber die Verträge müssen auch erst einmal geschlossen werden. Allein für die Verträge in Milliardenhöhe, die wir im vergangenen Jahr mit dem Bund geschlossen haben, hätte das Ministerium früher zehn Jahre gebraucht. Das wird heute in wenigen Monaten erledigt. Das Team von Pistorius und dem Beschaffungsamt macht einen tollen Job!“
Der Wirtschaftsboss spürt also Rückenwind – wahrscheinlich um so mehr, je länger der Ukraine-Krieg dauert, oder je stärker die Position eines diktatorisch regierten Russland wird. Die Bundeswehr setzt erstmal weiterhin auf den Leopard, wie das Bundesministerium der Verteidigung im vergangenen Jahr verkündet hat: Das Heer wird 18 Kampfpanzer Leopard 2 A8 bekommen. Die neueste derzeit in der Bundeswehr genutzte Version ist der Leopard 2 A7V. Die moderneren Kampfpanzer 2 A8 sollen zwischen 2025 und 2026 ausgeliefert werden. Der Rahmenvertrag mit dem Hersteller enthält eine Option für den Kauf weiterer Kampfpanzer Leopard 2 A8.
Neues Modell: Der Panther soll die Nato wieder konfliktfähig machen
In rund zehn Jahren wollen Deutschland und Frankreich zudem den Panzer der Zukunft fertiggestellt haben: Das „Main Ground Combat System“, kurz MGCS (zu Deutsch etwa: Hauptbodenkampfsystem), soll dann in der Bundeswehr als Leopard 3 und im französischen Heer als Leclerc-Nachfolger dienen. Bis dahin könne der Panther in die Bresche springen, wie Papperger dem Handelsblatt gesagt hat: „Europaweit werden bis zum Jahr 2030 rund 1.000 der 8.000 Kampfpanzer ersetzt werden. Mit unserem neuen Panther wollen wir mindestens die Hälfte, also rund 500 Einheiten, des Volumens liefern.“ Bisher sei das Modell Vertretern aus mehr als 20 Nationen angeboten worden.
Polen hat bereits abgewunken. Geostrategisch spüren sie fast am deutlichsten den Atem Putins im Nacken. Seit rund einem Jahr überschlagen sich die Meldungen über Tempo sowie Art und Weise der polnischen Aufrüstung. Warschau orderte gerade mehr als 360 teils gebrauchte Abrams-Panzer aus den USA und 1.000 südkoreanische K2 Panzer (Black Panther) – der Preis macht die Musik. Die Neue Zürcher Zeitung sieht Polen gar auf dem Weg zur stärksten Armee Europas. Bis 2035 will Polen das geschafft haben.
Was zunächst nach einer Watsche für die europäische Rüstungsindustrie aussieht, könnte sich langfristig als eine glückliche Fügung erweisen: Spiegel-Autor Gernot Kramper sieht Deutschland nach dem spontanen Vorrücken der Polen extrem unter Zugzwang und rechnet hoch, was Deutschland an Großgerät aufbieten müsste, um mit Polens Anstrengungen auf Augenhöhe zu gelangen: „Die Verbündeten werden auch von Deutschland eine vergleichbare Anstrengung erwarten. Bezogen auf die doppelten Einwohner und die höhere Wirtschaftskraft wären es dann weit über 2000 Kampfpanzer.“