Interview mit Schauspielerin Katharina Kempter über Feminismus, Stereotype und Gleichberechtigung

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Schauspielerin Katharina Kempter ist Vorsitzende des Kulturvereins Lollipop, der seine Räumlichkeiten in Kempten hat. Sie sagt: „Alle profitieren davon, wenn sich beide Elternteile um die Kindererziehung kümmern.“ © Foto: Linda Rosa Saal

Kempten/Allgäu – Die Schauspielerin Katharina Kempter setzt sich auf vielfältige Weise für Feminismus ein. Im Interview spricht sie darüber, was nötig ist für mehr Gleichberechtigung.

Frau Kempter, ob in der Ausstellung „Körper dürfen“ oder in den „Vagina-Monologen“, die das Ensemble Lila Sahne auf die Bühne bringt, Sie setzen sich auf vielfältige Weise für den Feminismus ein. Seit wann sind Sie in dieser Richtung aktiv?

Katharina Kempter: „Als meine Tochter zur Welt kam, wurden mir die Stereotypen stark bewusst, die man zugeschrieben bekommt. Zum Beispiel der Spruch ‚So etwas macht man doch nicht als Mädchen!‘, oder dass man Mädchen oft für ihr Aussehen lobt und weniger dafür, was sie können.“

Frauen verdienen im Schnitt immer noch 18 Prozent weniger als Männer, sie leisten immer noch viel mehr Care-Arbeit und besetzen weniger Führungspositionen oder politische Ämter. Treten wir auf der Stelle?

Kempter: „Ja. Es geht um subtile Dinge. Letztes Jahr hat eine Freundin zum Equal Pay Day einen Brief von ihrer Versicherung bekommen mit dem Hinweis, dass es ja ‚leider‘ das Gender Pay Gap gebe, und der Aufforderung, doch ‚bitte‘ über die beworbene Kapitalanlage privat vorzusorgen. Statt vorzuschlagen, alle Männer zahlen einen geringen Teil ihres Einkommens in einen Fonds, lautete die perfide Aufforderung: Zahle von deinem ohnehin schon niedrigen Gehalt.

Es ist ja nicht so, dass wir schlechter verhandeln, sondern schlicht weniger arbeiten können, wenn wir Kinder bekommen. Solange ich gebärfähig bin, gelte ich als Risikofaktor. Auch wenn ich schon zwei Kinder habe. Denn dann ist man ja oft beim kranken Kind zu Hause. Dabei haben Männern auch Kinder. Die einjährige Elternzeit meines Mannes fanden aber viele komisch.“

Tatsächlich, immer noch?

Kempter: „Ja, vor allem von Ämterseite her. Da fielen Sätze wie, ‚normalerweise verdient der Mann genug für beide und die Frau kümmert sich um die Kinder‘. Das Allgäu ist in vielerlei Hinsicht noch sehr traditionell.

Obwohl sich in Sachen Feminismus auch einiges tut: Zum Beispiel die Kemptener Theater­intendanz hat eine Frau inne, das Netzwerk der „Allgäuer Macherinnen“ bringt Frauen und Unternehmerinnen zusammen. Auch die Arbeit der Gruppe Access Allgäu Area (AAA) oder der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Kempten, Katharina Simon, sind wichtig und haben Strahlkraft – am 8. März gab es von AAA eine Mahnwache zum feministischen Kampftag und von der Gleichstellungsstelle werden jedes Jahr die Frauenaktionstage mit unterstützenden und empowernden Workshops durchgeführt.“

Wie kommen wir zu mehr Gleichberechtigung?

Kempter: Feminismus heißt nicht, Frauen müssen werden wie Männer, arbeiten 60 Wochenstunden in der Führungsriege und alle Kinder ab einem Jahr besuchen die Kita.

Sondern Gleichberechtigung heißt: Frauen haben die gleichen Chancen, mit dem, was sie mitbringen, was vielleicht Mutterschaft oder Familie bedeutet.

Es ist essentiell wichtig, dass Männer mehr in die Kinderbetreuung gehen können. Jedes Elternteil bringt etwas anderes wichtiges mit für die Kindererziehung. Ein weiterer Vorteil: Bei uns war keiner am Limit. Davon haben letztlich die Kinder profitiert.“

Soziologin Jutta Allmendinger plädiert dafür, dass eine Vier-Tage-Woche für alle gelten sollte. Was halten Sie davon?

Kempter: „Das sehe ich auch so. Wenn alle 40 Stunden arbeiten, dann maximiert das zwar Gewinne, aber die Kinder bleiben auf der Strecke und auch der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt. Ähnlich ist es jetzt gerade zu beobachten.

Was gibt es konkret für Möglichkeiten, Dinge zu verändern?

Kempter: „Es bringt unglaublich viel, Care-Arbeit in der Beziehung sichtbar zu machen, und zu fragen ‚Wer macht hier eigentlich was? Wer macht was unbezahlt?‘ Dafür gibt es Vorlagen. Als zweites kommt die gemeinsame Überlegung, ob die verdienende Person wirklich 40 Stunden arbeiten muss. Nur weil ich mich dagegen entscheide, 40 oder 50 Stunden pro Woche zu arbeiten, bin ich nicht faul.“

Aber ändert dieses Vorgehen „von unten“ etwas am System?

Kempter: „Ja, ich glaube schon. Wenn viele Paare solche Konzepte entwickeln, ändert sich automatisch etwas am Gefüge, auch wenn das wahrscheinlich sehr lange dauern wird. Man kann nicht darauf warten, dass so eine Veränderung von außen reguliert wird. Diese gesellschaftlichen Dinge sind so ungreifbar. Nichtsdestotrotz gibt es Regularien, deren Änderung hilfreich sind, wie zum Beispiel die Abschaffung des Ehegattensplittings.“

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