Streit um die Ampel-Reform der Rente: Höhere Beiträge sind „schlicht der Preis für angemessene Renten“
Das Rentenpaket II der Ampel-Koalition wird endlich im Bundestag beraten. Trotzdem wird noch über die Vor- und Nachteile der Reform gestritten. Ein Institut lobt den Plan der Regierung.
Berlin - Auch wenn der Streit um das Rentenpaket II noch lange nicht beigelegt ist: Er wird nun endlich im Bundestag beraten. Am Freitag (27. September) fand die erste Diskussion im Parlament zur Rentenreform statt. Im Vorfeld hatte die FDP-Bundestagsfraktion ihre Zustimmung zum Gesetz verweigert, solange es höhere Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern fordere. Nach der Debatte geht das Gesetz in die Ausschüsse, wo es zu Änderungen kommen kann.
Zentraler Bestandteil des Rentenpakets II ist die Stabilisierung der Renten: Sie sollen bis 2040 nicht unter das Niveau von 48 Prozent des Durchschnittslohns fallen. Diese sogenannte Haltelinie würde ohne neues Gesetz spätestens ab 2025 fallen und die Renten würden unter die Grenze von 48 Prozent fallen.
Stabile Renten fordern höhere Beiträge: Ab 2028 zahlen Arbeitnehmer mehr
Um die Stabilisierung der Renten zu finanzieren - und zwar trotz einer immer wachsenden Zahl an Rentnern und Rentnerinnen - sollen im Gegenzug die Beiträge in die Rentenkasse stärker steigen als bisher vorgesehen. Ab 2028 werden sie nach Angaben der Regierung auf 20,0 Prozent steigen, 2030 bei 20,6 Prozent und ab 2035 bei 22,3 Prozent. Ohne die geplanten Änderungen geht die Regierung von 21,3 Prozent bis ins Jahr 2045 aus. Aktuell liegt der Beitragssatz in die Rentenkasse bei 18,6 Prozent, sie wird jeweils hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt.
Diese höheren Beiträge sind gerade zentraler Streitpunkt der Ampel. Kritiker halten die Stabilisierung der Renten für einen Fehler, da die Kosten der Rentenversicherung dadurch enorm steigen werden. Diese Kosten auf die Beitragszahler abzuwälzen, sehen sie als Bruch des Generationenvertrags: Jüngere Menschen werden belastet, während ältere und mittlere Altersgruppen profitieren. Das Arbeits- und Sozialministerium hält die Beitragssteigerungen für „vertretbar“.
Neue Untersuchung verteidigt Rentenpaket II: „Preis für angemessene Renten“
Zur Verteidigung der Ampel-Pläne kommt nun eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Das WSI gibt zu bedenken, dass es wenig Alternativen zu höheren Beiträgen gibt - und die sind alle ebenso unbeliebt. So könnte man die Leistungen der Rentenkasse kürzen, die Regelaltersgrenze erhöhen oder die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt erhöhen, um die Rentenkasse abzusichern. Höhere Beiträge seien „schlicht der Preis für angemessene Renten, schon bei gegebenem Niveau und gegebenem Renteneintrittsalter“.

„Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass höhere Beitragssätze zur öffentlichen Alterssicherung gesellschaftlich durchaus tragfähig sind – in Österreich beträgt der Beitragssatz zur Rentenversicherung seit 1988 22,8 Prozent bei überproportionaler Beteiligung der Arbeitgeber“, heißt es in der Untersuchung. Österreich wird hierzulande immer wieder gerne als Vergleich herangezogen, da dort die Renten im Schnitt deutlich höher ausfallen als hier. Das liegt zum einen am höheren Beitragssatz, zum anderen aber auch daran, dass alle Menschen in eine Rentenkasse einzahlen (auch Selbstständige und Beamte).
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Zuschüsse an die Rentenkasse sinken: Ampel kürzt bei der Rente
Auch von der Aussage, die Zuschüsse aus dem Haushalt für die Rentenversicherung würden unkontrollierbar stark steigen, hält das WSI offenbar wenig. Denn im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinken die Zuschüsse aus Steuermitteln an die Rente seit Beginn der Ampel-Legislaturperiode. Das hat jüngst auch die Deutsche Rentenversicherung in ihrem „Rentenupdate“ vom September 2024 herausgehoben.
Der Anteil des BIP, der durch Steuerzuschüsse an die Rentenversicherung aufgewendet wurde, betrug demnach im vergangenen Jahr 2,7 Prozent. Das ist der tiefste Stand seit über 20 Jahren. Der Höchststand war 2003, als der Anteil 3,5 Prozent betrug.
Auch in Relation zum Bundeshaushalt sieht die Rentenversicherung keine stetig steigenden Ausgaben. 2023 gingen 25 Prozent aller Ausgaben an die Rentenkasse, das liegt unter dem Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre, der bei 28 Prozent lag. Der Höchststand war 2004, als 31 Prozent des Bundeshaushalts in die Rente flossen.
Stabilisierung der Renten ist „alternativlos“: Rentenpaket II braucht aber weitere Reformen
Das WSI hält außerdem die Aussage, dass das Rentenpaket II den Vertrag zwischen den Generationen auflösen würde, für „falsch“. „Die Rede von einem Generationenkonflikt vernachlässigt außerdem, dass es auch Solidarität zwischen den Generationen gibt und die Jüngeren sich für eine faire Rente für die Generationen ihrer Eltern und Großeltern einsetzen können.“ Des Weiteren würden auch Jüngere von stabilen Renten profitieren, also von einem System, auf das sie sich verlassen können, so das Argument.
In einer Kolumne in der Zeit teilt der renommierte Ökonom und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fraztscher, die Meinung des WSI zur Bedeutung von stabilen Renten. Die Stabilisierung des Rentenniveaus „ist alternativlos für die vielen Millionen Menschen in Deutschland heute, die für ihren Lebensunterhalt primär auf die gesetzliche Rente angewiesen sind, auch weil sie kaum eigene Ersparnisse haben und mit dem Renteneintritt einen geringeren Lebensstandard erwarten müssen“, schreibt der Ökonom. Die Altersarmut werde sich in den kommenden 15 Jahren ohnehin verschärfen.
Doch auch Fratzscher hält das Rentenpaket für einen Bruch des Generationenvertrags. „Egal, wie man es dreht und wendet: Das Rentenpaket II ist eine Umverteilung von Jung zu Alt und schwächt die Generationengerechtigkeit.“ Aus seiner Sicht ist das Rentenpaket nicht ganz falsch - müsse aber mit zusätzlichen Reformen ergänzt werden, zum Beispiel um mehr Erwerbstätige in den Arbeitsmarkt zu bekommen, die dann ihre Beiträge zur Rentenkasse leisten. Allen voran müsse dabei die Frauenerwerbstätigkeit in Fokus genommen werden: 3,5 Millionen Frauen würden gerne mehr arbeiten, können es aufgrund von strukturellen Problemen wie fehlender Kinderbetreuung nicht.