Putin droht teure Schlappe: Wichtige Pipeline nach China womöglich vor dem Aus
Die Pipeline „Power of Siberia 2“ soll große Mengen russisches Gas nach China transportieren. Doch Peking stellt sich quer. Das liegt am Preis – und politischen Überlegungen.
Fünf Jahre Bauzeit, 2600 Kilometer Länge und eine Kapazität von 50 Milliarden Kubikmetern Gas im Jahr: Die Pipeline „Power of Siberia 2“, die eines Tages von Russland nach China führen soll, ist ein Mammutprojekt. Für Moskau bedeutet sie steigende Einnahmen aus dem Gasgeschäft, für Peking günstiges Erdgas für seine Haushalte und Unternehmen. Und sie soll ein Imagegewinn für Wladimir Putin sein. Der Kremlchef will dem Westen nur allzu gerne zeigen, dass er international alles anders als isoliert ist, dass er trotz seiner Verbrechen im Ukraine-Krieg noch immer mehr Freunde hat, als manch einem in Europa oder den USA lieb ist.
Peking ist einer der engsten Verbündeten des Kreml und unterstützt Russlands Angriffkrieg diplomatisch sowie mit der Lieferung von Gütern, die zu militärischen und zivilen Zwecken verwendet werden können. Geht es nach Russland, dann soll auch die geplante Pipeline die russischen Kriegskassen füllen. Das Problem: Bislang existiert „Power of Siberia 2“ nur auf dem Papier. Und das könnte auch so bleiben. Das Prestigeprojekt droht zur Schlappe für Putin zu werden.
Dabei bemühen sich beide Seiten, das Projekt zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung am Leben zu halten. Als Putin im Mai bei seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zu Gast war, beschwor er einmal mehr die geplante Pipeline. Der russische Energieriese Gazprom und andere beteiligte Unternehmen würden sicher bald eine Einigung über die Route der Pipeline erzielen, ließ Putin wissen. Und auch der russische Vize-Regierungschef Alexander Nowak, zuständig für das wichtige Öl- und Gasgeschäft, erklärte anlässlich von Putins China-Besuch, schon „in naher Zukunft“ würden die entsprechenden Verträge zu „Power of Siberia 2“ unterzeichnet.
„Power of Siberia 2“: Pipeline-Projekt zwischen Russland und China kommt vorerst nicht
Geschehen ist seitdem nichts. Auch ein für diese Woche geplanter Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang in Moskau dürfte kaum Bewegung in das festgefahrene Projekt bringen. Mehr noch: Die Mongolei, durch deren Staatsgebiet ein großer Teil der geplanten Pipeline verlaufen soll, scheint nicht mehr an das Projekt zu glauben.
Wie die Hongkonger South China Morning Post (SCMP) berichtet, findet sich „Power of Siberia“ nicht in dem am Freitag (16. August) vorgestellten Regierungsprogramm, das sich die neue mongolische Regierungskoalition für die kommenden vier Jahre gegeben hat. Die demokratische Mongolei, die zwischen den beiden Autokratien Russland und China liegt, wird seit der Parlamentswahl Ende Juni von einer Dreierkoalition unter Führung der Mongolischen Volkspartei regiert. Als Transitland wäre die Mongolei am Bau der möglichen Pipeline von Russland nach China beteiligt und würde zudem Transitgebühren kassieren. Noch im Juli hatte der mongolische Präsident Uchnaagiin Chürelsüch das Projekt in einem Gespräch mit Putin als „wichtig für die Wirtschaft“ seines Landes bezeichnet.
Munkhnaran Bayarlkhagva, ein ehemaliges Mitglied des nationalen Sicherheitsrats der Mongolei, erklärt das Fehlen der Pipeline im neuen Regierungsprogramm mit Streitigkeiten zwischen Peking und Moskau über den Preis des russischen Gases. „Wir treten in eine lange Pause ein, in der Moskau nicht mehr glaubt, von Peking den gewünschten Deal zu bekommen, und das Projekt wahrscheinlich auf bessere Zeiten verschieben wird“, sagte Bayarlkhagva der SCMP. Zudem herrsche in Peking Unmut darüber, dass Gazprom die alleinige Kontrolle über den mongolischen Teil der Pipeline haben wolle. „Das hätte eine plötzliche und langfristige Zunahme des Moskauer Einflusses in der Mongolei zum Nachteil Pekings bedeutet“, sagte Bayarlkhagva.
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Streiten China und Putins Russland um den Preis fürs Gas?
Partner beim Bau der Pipeline ist auf chinesischer Seite die China National Petroleum Corporation (CNPC). Das Staatsunternehmen will Berichten zufolge für russisches Gas, das durch die geplante Pipeline nach China kommt, nur so viel zu zahlen, wie das Gas auf dem russischen Binnenmarkt kostet. Weil der Bau der Pipeline aber gewaltige Summen verschlingen würde, sei das für Gazprom nicht akzeptabel, sagte Anna Kireeva vom Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen in Moskau der SCMP. Beide Seiten müssten deswegen einen Kompromiss finden.
China bezieht russisches Gas derzeit unter anderem über die Pipeline „Power of Siberia 1“, die Ende 2019 in Betrieb genommen wurde. Daneben fließt Pipeline-Gas auch aus Zentralasien und Myanmar in die Volksrepublik. Zudem importiert die Volksrepublik große Mengen an Flüssiggas (LNG), vor allem aus Australien und Katar. Während für Peking Russland also nur ein Lieferant von vielen ist, ist die Abhängigkeit der Russen von den Abnehmern in China deutlich größer. So soll „Power of Siberia 2“ die Verluste ausgleichen, die Russland durch das Aus der Ostseepipeline „Nord Stream 1“ entstanden sind. Die geplante Pipeline nach China soll Gas aus einem großen Vorkommen auf der Jamal-Halbinsel in Nordwest-Sibirien bringen. Von dort flossen bis zu Beginn des Ukraine-Kriegs große Mengen auch nach Westeuropa.
Schon jetzt aber zahlt Peking für russisches Gas viel weniger, als dem Kreml lieb sein kann. So bekommt Russland laut einem Bericht der Financial Times von den Chinesen im Schnitt lediglich 4,40 US-Dollar pro eine Million British Thermal Units (BTU) – weniger als halb so viel, wie Moskau einst von europäischen Abnehmern kassieren konnte. Bitter für den Kreml: Zuletzt gingen auch die Erdöl-Exporte nach China zurück. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag (20. August) berichtete, sanken die chinesischen Importe aus Russland im Juli um 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Grund dafür sei die gesunkene Nachfrage in China.