„Flugtests bestanden“ – Ukraine entwickelt im Krieg gegen Russland eigene ballistische Rakete
Neue ballistische Raketen für die Ukraine: Dies bringt dem angegriffenen Land gleich mehrere Vorteile. Kiew steigert damit weiter die eigene Waffenproduktion.
Kiew – Die Ukraine importiert viele Waffen aus dem Westen, um sich im von Russland begonnenen Ukraine-Krieg gegen die Armeen des Kremls zu verteidigen. Doch auch die heimische Waffenproduktion hat Kiew seit Kriegsbeginn im Februar 2022 angekurbelt. So soll nun eine neue, in der Ukraine entwickelte ballistische Rakete das Arsenal Kiews bald erweitern, wie Wolodymyr Selenskyj äußerte.
Ukraine produziert ein Vielfaches an Waffen im Vergleich zu vor dem Krieg
„Unsere neue ballistische Rakete hat die Flugtests erfolgreich bestanden“, sagte der ukrainische Präsident während eines Auftritts auf einer Konferenz der Verteidigungsindustrie in Kiew am Dienstag (1. Oktober 2024). Selenskyj hatte Ende August bereits gesagt, die Ukraine habe eine im Inland produzierte ballistische Rakete getestet und beschrieb die Ergebnisse als „positiv“. Weitere Einzelheiten wollte er nicht nennen.

Laut dem ukrainische Premierminister Denys Shmyhal habe sich die inländische Waffenproduktion im Jahr 2023 verdreifacht und in den ersten acht Monaten des Jahres 2024 verdoppelt. Die ukrainische Regierung wird im Staatshaushalt des nächsten Jahres zusätzlich 7 Milliarden Dollar für den Kauf von Waffen und anderer militärischer Ausrüstung bereitstellen, sagte Shmyhal. Dies sei eine Steigerung von rund 65 Prozent.
In der Ukraine produzierte Raketen haben einen entscheidenden Vorteil für Kiew
Inländische Raketen haben einen entscheidenden Vorteil für die Ukraine: Kiew ist es nicht gestattet, westliche Langstreckenwaffen wie ATACMS gegen russische Ziele jenseits der Grenze einzusetzen. Die Ukraine hat gegen diese Einschränkung Berufung eingelegt, aber trotz offizieller Signale im letzten Monat bleibt sie in Kraft. Im Inland hergestellte ballistische Raketen würden nicht unter dieses Verbot fallen.
Die Ukraine verfügt laut Jacob Parakilas, Forschungsleiter für Verteidigungsstrategie, -politik und -fähigkeiten bei der europäischen Niederlassung des Think Tanks RAND, über eine Vielzahl ballistischer Raketen, sowie vom Westen gelieferte Ausrüstung wie das taktische Raketensystem der US-Armee (ATACMS).
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Ukraine-Krieg: Umgebaute Luftabwehrraketen „nicht so effektiv“
Die Ukraine verfügt über Vorkriegsbestände an Raketen wie der taktischen Kurzstreckenrakete Tochka-U, die für Kiew von gewissem – aber begrenztem – Nutzen ist, so Parakilas gegenüber Newsweek. Kiew hat einige ältere Luftabwehrraketen in ballistische Raketen für Landangriffe umgebaut, sagte Parakilas, aber diese seien „nicht so effektiv wie speziell gebaute ballistische Raketen“. „Wie bei den Tochkas ist der Vorrat an solchen Waffen begrenzt und nimmt ab, sodass sie bestenfalls eine Notlösung sind“, fügte der Experte hinzu.
Es ist laut Parakilas gut möglich, dass sich Selenskyjs Bemerkungen auf die Hrim-2 beziehen, eine Rakete, die seit langem in der Entwicklung ist, aber eine geschätzte Reichweite von etwa 500 Kilometern haben soll. Dies sei „nicht genug, um Moskau zu treffen“, aber eine ausreichend große Reichweite, um wichtige russische Standorte wie Luftwaffenstützpunkte, Munitionslager oder andere militärische Einrichtungen von ukrainischem Territorium aus zu bedrohen.
Ukrainische Raketen sind schwerer abzufangen als Marschflugkörper oder Drohnen
Parakilas weist auch auf einen weiteren Vorteil hin: Ukrainische Raketen sind für die russische Luftabwehr schwerer abzufangen als Marschflugkörper oder Drohnen. Bodenabschussrampen für die Hrim-2 könnten zudem „bei Nichtgebrauch fast überall versteckt gehalten, im Schutz der Dunkelheit zu ihren Startpunkten gefahren und nach dem Start schnell wieder bewegt werden.“ Wie stark sie den Krieg beeinflussen werden, hänge davon ab, wie schnell und in großen Mengen sie produziert werden können und wie zuverlässig und präzise sie seien.

Bisher konnte sich die Ukraine allerdings auf Drohnen verlassen, und will auch diese Produktion ausbauen. Die Ukraine wird nach eigenen Angaben Russland bei der Produktion von Drohnen schon in diesem Jahr deutlich übertreffen. „Unsere Möglichkeit – das sind mehrere Millionen Drohnen, und wir sind in der Lage, sie herzustellen“, sagte Verteidigungsminister Rustem Umjerow im ukrainischen Fernsehen. Die Ukraine werde Russland keine Chance geben, sie auf dem Gebiet zu überholen, da sie schon im laufenden Jahr ein Vielfaches der gegnerischen Produktion bauen werde, fügte Umjerow hinzu.
Ukraine treibt Entwicklung von Antischiffs-Marschlugkörper Neptune voran
Kiew hat jüngst auch sein im Inland produziertes Entwicklungsprogramm für Antischiffs-Marschflugkörper vom Typ Neptune vorangetrieben. Neptune-Raketen sollen im April 2022 das russische Flaggschiff im Schwarzen Meer, die Moskwa, versenkt und einen russischen Hafen in der Straße von Kertsch angegriffen haben. So verkündete auch Selenskyj: „Jeder kann sehen, wie effektiv unsere ‚Neptune‘-Raketen sind.“
Laut dem ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerov werde das Land bis Ende 2024 oder Anfang 2025 „viel über ein großes Raketenprogramm“ verfügen. Das ISW schrieb am Mittwoch, dass Kiews gesteigerte Waffenproduktion dazu beitragen werde, seine Abhängigkeit von seinen westlichen Unterstützern langfristig zu verringern. Westliche Hilfe werde die Ukraine aber dennoch benötigen. (cgsc mit dpa)