Gastbeitrag von Michael Ehlers: Ulf Poschardt, "Shitbürgertum" und der Mut zur nötigen Provokation

Das Shitbürgertum ist wohlhabend, woke, hysterisch und tiefenunglücklich.“ – Ulf Poschardt, Ende Mai 2025 beim Wiener Kongress

Dieses Zitat hallt nach. Nicht nur, weil es rhetorisch messerscharf ist. Sondern weil es etwas anspricht, das viele in Unternehmer- und Managementkreisen längst denken – aber kaum einer laut sagt. Denn dort, in den Fluren erfolgreicher Unternehmen, höre ich oft Sätze wie:

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“

Oder: „Ich finde ja auch, dass das Klima kippt – aber ich sag’s lieber nicht öffentlich.“

Die Angst vor dem Shitstorm, vor öffentlicher Empörung, vor der moralischen Cancel-Keule ist real. Und lähmend.

Ulf Poschardt hat genau dafür jetzt Worte gefunden. Und zwar nicht irgendeine Wortwahl – sondern eine rhetorisch brillante, bewusst provokante, intellektuell anspruchsvolle. Mit seinem Buch Shitbürgertum bricht er ein Tabu: Er spricht aus, was andere nur hinter vorgehaltener Hand denken.

Über Michael Ehlers​

Michael Ehlers ist Rhetoriktrainer und coacht seit über drei Jahrzehnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Unternehmer, Top-Manager/innen, Profi-Sporttrainer, Influencer und viele mehr. Der mehrfache Bestsellerautor (u.a. "Rhetorik - Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter“ und „Der Fisch stinkt vom Kopf mit seinem Alter Ego Hein Hansen“) ist gefragter Experte und hat zum Beispiel für Focus, N-TV, ZDF und nahezu allen ARD-Sendern Rhetorik-Analysen durchgeführt (Kanzler-Duelle, Putin-Analysen). Ehlers ist Geschäftsführender Gesellschafter der Institut Michael Ehlers GmbH, Bamberg, Director of the Center for Rhetoric at SGMI Management Institute St. Gallen und Dozent des St. Galler Management Programm (SMP). Er tritt regelmäßig auf Veranstaltungen als Keynote-Speaker auf.

Worum geht’s im Buch?

Poschardt beschreibt eine neue Bourgeoisie – saturiert, belehrend, hypermoralisch –, die kulturell wie ökonomisch dominant ist, dabei aber zutiefst autoritär agiert. Nicht aus Machtgier, sondern aus Angst vor Kontrollverlust. Beispiel gefällig?

In einem Kapitel beschreibt er die „Empörungskaskade der Anständigen“:

Menschen, die glauben, das einzig Richtige zu vertreten, verlieren jede Demut im Umgang mit anderen Meinungen. Der Applaus für die „richtige Haltung“ ist wichtiger geworden als das Ringen um Wahrheit. Poschardt nennt das: “Tugendterror im Maßanzug.“ Treffender kann man es kaum sagen.

Ein rhetorischer Befreiungsschlag

Ich habe selten ein Buch gelesen, das so konsequent gegen Denkfaulheit anschreibt. Es ist keine Anleitung zum Rechthaben, sondern ein Weckruf zum Mitdenken. Und das auf einem sprachlichen Niveau, das man in der Debattenkultur oft vermisst.

Wer es liest, merkt schnell: Das hier ist keine rechte Empörungsschrift und kein Populismus. Es ist ein intellektueller Gegenentwurf zur moralischen Gleichschaltung. Poschardt polemisiert nicht dumpf – er spitzt zu. Das ist ein Unterschied. Und das ist – bei aller Reibung – rhetorisch legitim.

Der Auftritt in Wien – Klartext statt Kuschelkurs

Sein Auftritt beim Wiener Kongress, einem diskursfreudigen Salonformat, war mehr als eine Lesung: Es war ein rhetorischer Schlagabtausch mit dem Zeitgeist. Vor rund 200 Gästen sprach Poschardt über Meinungsfreiheit, Feigheit im Management und das Ende der Debatte.

Als er das oben genannte Zitat brachte, gab es Lacher – und Betroffenheit. Denn viele erkannten sich selbst: als Schweigende in einer lauten, moralisch aufgeladenen Öffentlichkeit. Es war der Moment, in dem Poschardt nicht mehr nur Provokateur war – sondern Sprachrohr.

Und warum ist das wichtig?

Weil wir das Debattieren verlernt haben. Weil viele Unternehmer, Führungskräfte, Intellektuelle innerlich nicken, aber äußerlich schweigen. Weil wir verlernt haben, Differenzierung auszuhalten. Und weil jemand wie Poschardt den Preis für uns alle zahlt – mit Widerspruch, Shitstorm und Einladungsstornos.

Dafür gebührt ihm Respekt.

Persönlich? Ich danke ihm.

Nicht, weil ich jedes Wort teile. Sondern weil ich Menschen bewundere, die den Mut haben, die Debatte zu öffnen. Die sich der Gefahr aussetzen, missverstanden zu werden – und es trotzdem tun.

Mein Vater Klaus – ein kantiger Küstenmensch aus Schleswig-Holstein – hat mir mal gesagt: "Wenn dir eine Meinung nicht gefällt, musst du sie erst recht anhören. Deine eigene kennst du ja schon.“

Poschardts Buch ist genau das: unbequem, herausfordernd, aber notwendig. Für die Debatte. Für unsere Demokratie. Und für den Mut, wieder laut zu denken.

Lesetipp (Anzeige)

"Nie wieder sprachlos!: Mit den richtigen Worten besser durchs Leben" von Michael Ehlers

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.