Die Sendung wirkte wie eine Dauerwerbesendung der Linken. Es gab auch ein Interview mit mir, das als Einspielfilm gezeigt wurde. Aber mir hatte RTL im Vorgespräch gesagt, Reichinnek werde gegen einen Vertreter der Union diskutieren, wahrscheinlich Carsten Linnemann oder Karl-Theodor von Guttenberg.
Doch keiner von beiden kam dann tatsächlich in der Sendung, sondern stattdessen war ein Gespräch mit der ehemaligen ÖRR-Journalistin Pinar Atalay zu sehen, die keine der Falschbehauptungen von Reichinnek widerlegte, sondern mehr wie eine Stichwortgeberin wirkte. Die erste Frage, nachdem von Armut in Deutschland die Rede war: „Wie wütend macht Sie das?“
Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe und war selbst ein erfolgreicher Unternehmer. Gerade ist sein anti-egalitärer Roman erschienen: „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“. Leseauszüge finden Sie hier.
Reichinnek: Unwidersprochene Behauptungen bei RTL
Reichinnek versuchte den Eindruck zu erwecken, sie habe nichts gegen Millionäre, sondern nur gegen Milliardäre, die sie stärker besteuern wollte. Millionäre sollten nur mit 1 Prozent Vermögensteuer belegt werden – „lächerlich wenig“, wie sie meinte. Fakt ist: Für Einkommensmillionäre soll laut der Linken gleichzeitig die Einkommensteuer auf 75 Prozent erhöht werden. Davon sagte Reichinnek nichts – und hier korrigierte sie Atalay auch nicht.
Laut dem Programm der Linken soll derjenige, der 50 Millionen Vermögen hat, fünf Prozent Vermögensteuer bezahlen. Das hieße: Nach zehn Jahren ist fast die Hälfte des Vermögens (20 Millionen Euro) beim Finanzamt. Wer eine Milliarde hat, soll laut der Linken mit 12 Prozent besteuert werden – nach zehn Jahren sind über 70 Prozent weg. Das nennt man Enteignung. Da das Vermögen der Milliardäre überwiegend nicht auf dem Konto liegt, sondern im Betriebsvermögen von Personengesellschaften gebunden ist, bedeutet dies eine Enteignung: Aus privaten Unternehmen werden Staatsbetriebe.
Debatte um Vermögensteuer: Lieber Schweiz oder Nordkorea?
Reichinnek fordert ein Land ohne Milliardäre. Solche Länder gibt es: Laut der "Forbes"-Liste sind Kuba und Nordkorea Länder ohne Milliardäre. Dagegen gibt es, bezogen auf die Bevölkerungsgröße, in Schweden mehr Milliardäre als in den USA. Auch in der Schweiz ist der Anteil der Milliardäre sehr hoch. Entscheiden Sie selbst, ob Sie lieber in Nordkorea und Kuba, den Ländern ohne Milliardäre, oder in der Schweiz und Schweden, den Ländern mit vielen Milliardären, leben wollen.
Reichinnek behauptet, 71 Prozent der Vermögen der Superreichen in Deutschland seien geerbt. Sie bezieht sich dabei auf "Oxfam"-Zahlen, eine erwiesenermaßen höchst suspekte Quelle. Was sie nicht sagt: Etwa zwei Drittel bis 80 Prozent der Reichen in Deutschland haben ihr Vermögen nicht geerbt, sondern sind Selfmade-Millionäre. Die meisten Reichen in Deutschland sind nicht durch Erbschaften reich geworden, auch wenn man oft anderes hört.
Mythos Erbenreichtum: Studien widersprechen Oxfam-Zahlen
2012 erschien eine Dissertation von Melanie Böwing-Schmalenbrock, „Wege zum Reichtum“, in der empirisch untersucht wurde, wie die Vermögenden hierzulande reich geworden sind. Erbschaften, so zeigt die Studie, spielen eine wichtige Rolle, aber sie sind bei weitem nicht so wichtig wie die Erwerbstätigkeit. In mehr als der Hälfte der reichen Haushalte dominiert laut der Studie die Erwerbstätigkeit als Reichtumsquelle gegenüber Erbschaften.
Reichinnek ist wütend, weil „zwei Millionen Kinder in Deutschland in Armut leben“. Auch das stimmt nicht. 2,2 Millionen Kinder in Deutschland gelten als „armutsgefährdet“. Das ist keineswegs dasselbe wie „arm“. Als armutsgefährdet gelten Personen, deren Haushaltseinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens beträgt.
Kinderarmut in Deutschland: Arm oder armutsgefährdet?
Dieser Begriff der „relativen Armut“ ist jedoch völlig sinnlos, was dieses Gedankenexperiment zeigt: Hätten heute alle Menschen in Deutschland ein zehnmal höheres Einkommen, wäre laut dieser Definition die Zahl der Menschen in relativer Armut dennoch gleich geblieben, weil Bezugsgröße der Median ist.
Ist der böse Kapitalismus an Kinderarmut schuld? Etwa die Hälfte der Kinder, die Bürgergeld beziehen, sind Ausländer. Ihnen geht es in Deutschland wesentlich besser als in ihren Heimatländern. Von den deutschen Kindern, die vom Bürgergeld leben, hat ein hoher Teil Migrationshintergrund. Von den Bürgergeld-Beziehern insgesamt haben über 60 Prozent einen Migrationshintergrund.
Migration und Sozialstatistik: Warum Zahlen oft falsch interpretiert werden
Die Linke ist die Partei, die wie keine andere für offene Grenzen eintritt. In ihrem Programm fordert sie „offene Grenzen für alle Menschen“. Nur: Man kann nicht erst Millionen Arme ins Land lassen und dann sagen: „Schaut mal, wie böse der Kapitalismus ist, denn es gibt immer mehr Arme.“ Auf den Einwand, bei hohen Vermögen- und Erbschaftsteuern würden die Reichen das Land verlassen, sagte Reichinnek: „Es ist mehrfach belegt, dass die Menschen nicht wegziehen.“ Das ist falsch. Die Erfahrungen zeigen das Gegenteil.
Als es in Schweden in den 70er-Jahren eine hohe Erbschaft- und Vermögensteuer gab, sind zahlreiche Milliardäre weggezogen. Nachdem diese Steuern in Schweden abgeschafft wurden, sind viele zurückgekommen. Die Zahl der Milliardäre stieg von zwei auf über 30. Dem Land hat das nicht geschadet, sondern genutzt, wie ich in diesem Artikel, den ich zusammen mit einem Experten aus Schweden geschrieben habe, gezeigt habe. Dagegen haben Großbritannien und Norwegen kürzlich die Steuern für Reiche erhöht und viele Reiche sind gegangen. "Henley & Partners" prognostiziert allein für dieses Jahr eine Nettoabwanderung von über 16.000 Millionären aus Großbritannien.
Vergleich: Schweiz, Schweden und Großbritannien – was Steuern wirklich bewirken
Heidi Reichinnek führt als Argument die Schweiz an, wo es eine Vermögensteuer gibt – und trotzdem leben dort viele Reiche. Auch hier verbiegt sie die Fakten. Erstens sind die Einkommensteuern und Unternehmenssteuern in der Schweiz sehr niedrig. Ja, es gibt eine Vermögensteuer, aber die hängt von den Kantonen ab. Die meisten sehr Reichen leben deshalb in Zug, wo ein Milliardär etwa 0,25 Prozent Vermögensteuer zahlt – die Linke dagegen fordert eine Vermögensteuer für Milliardäre, die fast 50-mal höher ist als in Zug.
Reichinnek sieht den marxistischen Bürgermeister von New York City, Zohran Mamdani, als Vorbild, der im Wahlkampf vor allem mit dem Thema Mieten bei jungen Menschen gepunktet hat. Sie setzt sich für einen „Mietendeckel“ ein, der „uns nichts kostet“, wie sie in RTL sagt.
Stimmt das wirklich? Der Mietendeckel wurde ja bereits ausprobiert. Eingeführt hatten ihn in Deutschland die Nationalsozialisten. Am 20. April 1936, dem 47. Geburtstag Adolf Hitlers, ordnete die Reichsregierung an, die Mieten in Deutschland einzufrieren. Dies wurde als Geschenk des „Führers“ an die „Volksgenossen“ verkauft. In der DDR bestand der Mietendeckel fort. Die Linke, rechtsidentisch mit der SED in der DDR, will wieder das umsetzen, was schon in der DDR Grundlage der Wohnungspolitik war.
Wohnungsnot in Ostdeutschland: Folgen eines jahrzehntelangen Mietendeckels
Wohin hat die DDR-Philosophie „Nur Staatswohnungen sind gute Wohnungen“ und „Mietendeckel“ in der Praxis geführt? 1989 wurden 65 Prozent aller DDR-Wohnungen (die 3,2 Millionen Nachkriegsbauten eingerechnet) mit Kohleöfen beheizt, 24 Prozent hatten keine Innentoilette, 18 Prozent hatten kein Bad, 40 Prozent der DDR-Mehrfamilienhäuser galten als schwer geschädigt, 11 Prozent waren gänzlich unbewohnbar, 200 Altstadtkerne in der DDR waren akut gefährdet.
Mit 80 Milliarden Euro Steuergeldern musste der böse kapitalistische Westen die heruntergekommenen Wohnungen in Ostdeutschland wieder bewohnbar machen und neuen Wohnraum schaffen. In Berlin macht die Linke Wahlkampf mit dem Thema Wohnungsnot und steht in Umfragen sehr gut da. Was viele nicht wissen: Die Linke hat die meiste Zeit in Berlin mitregiert – in 12 der letzten 20 Jahre.
Niemand hat dem Wohnungsbau in Berlin so geschadet wie Katrin Lompscher (Linke), die von Dezember 2016 bis August 2020 Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in der rot-rot-grünen Landesregierung von Berlin war. Man hatte das Gefühl, dass sie sich täglich nach dem Zähneputzen direkt die Frage stellte: „Was kann ich heute wieder tun, um Bauträger in meiner Stadt zu ärgern?“
Sie führte den Mietendeckel in Berlin ein, der dann jedoch vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Damit hat sie Bauträger und Investoren aus Berlin vertrieben und ist selbst maßgeblich schuld an der Wohnungsnot in der Hauptstadt. Heidi Reichinnek konnte ihre Propaganda in RTL unwidersprochen verbreiten. Keine der Falschbehauptungen wurde widerlegt. Liegt das daran, dass Pinar Atalay es selbst nicht besser weiß, oder liegt es an ideologischer Nähe zur Linke?
Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe und war selbst ein erfolgreicher Unternehmer. Demnächst erscheint sein Buch WELTRAUMKAPITALISMUS. Mehr zum Inhalt und Leseauszüge: https://weltraumkapitalismus.de/