„Wie oft nahmen wir Berlin ein?“ Putins Propagandisten drohen mal wieder
Deutschland ist beseelt vom Nazi-Geist, Estland gehört eigentlich zu Schweden – das russische Staatsfernsehen war diese Woche wieder kreativ.
Moskau/Narwa/Berlin – „Wir müssen diesen Moment nutzen, um Schweden eine Lektion zu erteilen, sodass sie in 200 Jahren kollektiv sagen: ‚Vielen Dank, wir werden nirgendwo mehr hingehen‘“. Mit diesen Worten kommentierte Margarita Simonjan eine Entscheidung der estnischen Regierung, der Grenzstadt Narwa eine Ausnahmeregelung für russischen Schulunterricht zu versagen. Die Chefpropagandistin des Kremlsprachrohrs RT war am Sonntag zu Gast bei „Sonntagabend mit Solowjow“, einer wöchentlichen Talkshow auf Russlands Staatskanal Rossija 1.

Russlands Staats-TV droht mit Einmarsch in Schweden und Deutschland
Estland bemüht sich seit Jahren darum, das Schulsystem in allen Landesteilen auf Estnisch umzustellen. Narwas Bevölkerung besteht jedoch zum Großteil aus russischen Muttersprachlern. Grund genug für Simonjan, Schweden – zu dem Narwa vor 300 Jahren gehörte – mit einer Invasion zu drohen. Schwedische Schulen würden ihren Schülerinnen und Schülern beibringen, es sei gut, dass ihr Land den Nordischen Krieg verloren hätte. Russlands Sieg hätte Schwedens „Ambitionen, sich einzumischen, nicht nur in Russland, sondern auch in internationaler Politik“ abgeschreckt. Simonjan wünscht sich deshalb, dass „das gleiche wie im Schweden des 18. Jahrhunderts noch einmal passiert“.
Doch nicht nur Schweden befand sich am Pfingstwochenende im Visier von Putins Propagandisten. Auch über Deutschland ließ Moderator Wladimir Solowjow sich in seiner Sendung am Montag aus. Journalisten, die Regierung, der „Nazi-Geist“ aller: Sie seien schuld daran, wenn in Deutschland Probleme auftauchten. „Wie oft haben wir Berlin eingenommen? Nur dieses Mal wird es einen Unterschied geben. Dieses Mal werden wir nicht gehen“, drohte der Moderator und rieb sich dabei die Hände.
Propaganda soll russischstämmige Menschen im Ausland erreichen
Der Kreml versucht mit solchen Aussagen, Misstrauen und Zwietracht in den Köpfen der russischsprachigen Minderheiten im Ausland zu säen. Die Staatssender sind trotz vielfältiger Sperren auch in Deutschland per Internet empfangbar. Für viele sind russische Nachrichten ein wichtiger Bezugspunkt oder ein geteiltes Familienerlebnis – selbst, wenn sie schon seit Jahren in Europa leben. Doch die ganz radikale Propaganda dürfte bei den wenigsten von ihnen verfangen: Einer Studie des Migrationsforschers Jannis Panagiotidis zufolge wählt die Mehrheit der Russlanddeutschen stabil die CDU – und 40 Prozent von ihnen sogar links der Mitte. (ah)
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