„Begrenzt“: Experten rechnen mit Putins „unbesiegbarer“ Wunderwaffe ab

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Russland will 2018 eine fast unbesiegbare Superwaffe vorgestellt haben. Im Ukraine-Krieg kommt sie erstmals zum Einsatz. Die Resultate sind gemischt.

Moskau – Die ballistischen Luft-Boden-Raketen vom Typ Kinschal, zu Deutsch Dolch, gelten als eine der besten Waffen des russischen Militärs. Nach russischen Angaben können sie Ziele in bis zu 2000 Kilometer Entfernung treffen, extrem schnell und hoch fliegen und somit sämtliche Luftabwehrsysteme umgehen. Was ist dran am Mythos der „unbesiegbaren“ Wunderwaffe?

Wladimir Putin will eine Wunderwaffe vorgestellt haben.
Wladimir Putin will eine Wunderwaffe vorgestellt haben. © IMAGO/Grigory Sysoyev

Vorgestellt wurde die Rakete zuerst im März 2018 vom russischen Präsident Wladimir Putin, kurz darauf wurde von erfolgreichen Tests berichtet. Seitdem wuchs im Westen die Sorge. „Hyperschallraketen mit ihrer neuartigen Kombination von Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit können alle gegenwärtigen Raketenabwehrsysteme überwinden und verkürzen radikal die Reaktionszeit des angegriffenen Akteurs“, so ein Bericht der Münchener Sicherheitskonferenz aus dem Jahr 2019. Es machte sich die Befürchtung breit, dass selbst moderne Luftabwehrsysteme dieser neuen Bedrohung nichts entgegenzusetzen hätten.

Kinschal in der Ukraine: Der Mythos von Putins Wunderwaffe nimmt Schaden

Nach russischen Angaben gelang es Putins Streitkräften im März 2022 zwei ukrainische Stützpunkte im Gebiet Odessa zu treffen – mit Kinschal-Raketen. Damit ist der Ukraine-Krieg der erste Konflikt, in dem die Rakete eingesetzt wurde. Seitdem häuften sich die Berichte über Einsätze, in denen es Russland gelang, wichtige strategische Ziele zu treffen und die ukrainische Luftabwehr zu umgehen.

Was ist eine Hyperschallwaffe?

Eine Hyperschallwaffe ist eine Art von Waffe, die mit Geschwindigkeiten oberhalb der Schallgeschwindigkeit fliegt. Hyperschallgeschwindigkeit beträgt etwa die fünffache Schallgeschwindigkeit oder mehr. Es können Raketen, Gleitflugkörper oder andere Geschosse sein, die mit extrem hoher Geschwindigkeit fliegen.

Hyperschallwaffen sind besonders schnell, wodurch sie schwieriger zu erkennen und abzufangen sind. Sie haben verschiedene militärische Anwendungen, einschließlich der Fähigkeit, schnelle Präzisionsangriffe auszuführen oder die Verteidigungssysteme eines Gegners zu umgehen.

Im März 2023 gelang es den ukrainischen Streitkräften erstmals eine der russischen Hyperschallraketen abzufangen - ein überraschender Erfolg für Kiew. „Ich gratuliere dem ukrainischen Volk zu einem historischen Ereignis!“, so der ukrainische Luftwaffenkommandeur Mykola Oleschtschuk damals auf Telegram. Seitdem hat der Mythos von Putins Wunderwaffe Schaden genommen. Es hatte sich herausgestellt, dass es grundsätzlich möglich ist, die Kinschal mit einem Patriot-Flugabwehrsystem abzufangen.

„Eine ballistische Rakete, die an ein Flugzeug gehängt wird“ - Kinschal doch keine Wunderwaffe?

Trotz der wiederholten Erfolgsmeldungen können die Raketen jedoch ein Problem darstellen. Es gibt „bei so extrem schnellen Waffensystemen wenige Abfangraketen, die eine vernünftige Chance haben“, so Gustav Gressel vom Thinktank European Council on Foreign Relations im Interview mit der ARD-„Tagesschau“. Für eine Kinschal-Rakete seien oft mehrere Abfangraketen notwendig, da das Abwehrsystem wenig Zeit habe, auf die anfliegende Bedrohung zu reagieren. Vor allem beim Munitionsverbrauch mache sich das bemerkbar.

Eine Wunderwaffe sei Kinschal aber nicht. Im Grunde entpuppe sie sich „nur als eine ballistische Rakete, die an ein Flugzeug gehängt wird, damit sie ihre Reichweite und ihre Endgeschwindigkeit leicht verbessert“, so Gressel. Russland könne zudem nur etwa 100 komplexere Fernkampfwaffen im Monat produzieren. Um die Chance zu erhöhen, dass ein einzelner Flugkörper durchkomme, müsse Russland die Raketen aufsparen und dann - wie zuletzt Ende Dezember - eine große Angriffswelle starten.

„Kinschal fliegt sehr schnell und ist schwierig abzuwehren“ - zumindest auf dem Papier

Gressels Einschätzung zur Leistungsfähigkeit der Waffe deckt sich damit mit der anderer Fachleute. „Die Kinschal fliegt sehr schnell und ist schwierig abzuwehren“, so Nico Lange, Senior Fellow der Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz, gegenüber ntv. Allerdings habe sich auch gezeigt, dass die Rakete abgefangen werden könne. Damit sei „das russische Bohei um Kinschal“ nicht gerechtfertigt. Die Rakete sei zudem nicht, wie häufig behauptet, eine Hyperschallwaffe, sondern die Weiterentwicklung einer ballistischen Rakete.

Auch das britische Verteidigungsministerium bescheinigte der angeblichen Wunderwaffe bereits wenig beeindruckende Leistungen. Zwar sei die Rakete auf dem Papier beeindruckend, so das Ministerium in einem Post auf X (früher: Twitter) vom 21. Oktober 2023. Theoretisch könne sie schließlich „mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen und modernen Luftverteidigungssystemen ausweichen“. Praktisch befinde sich die Kischal jedoch „weiterhin in der Erprobung, wobei die Leistung in der Ukraine bisher schlecht“ sei. (tpn)

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