Rente, Steuer, Bürgergeld, Migration: Die Konflikt-Themen im Koalitions-Krimi zwischen Union und SPD

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SPD und Union starten erste Sondierungen zu einer möglichen Koalition. Doch es gibt viel Konflikt-Potenzial - etwa bei Rente, Steuern, Bürgergeld und Migration.

Berlin – Nach der Wahl ist vor der Koalition. Zumindest hofft das Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz. Die SPD ist seine einzige Option als Koalitionspartner, nachdem er eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hat. Doch viele in der SPD bremsen. Sie sehen keinen Automatismus für eine Koalition mit Merz. Zudem gibt es etliche Konfliktthemen.

Am Freitag starteten nun die ersten Sondierungsgespräche der Parteispitzen von Union und SPD. Nach dpa-Angaben geht es zum Start auch darum, atmosphärische Unstimmigkeiten zwischen den Parteien auszuräumen. Damit gemeint sind Ärger auf beiden Seiten, der während des Wahlkampfes entstanden war – etwa als die SPD der Union wegen der Abstimmung mit der AfD zur Migration einen Tabubruch vor – Scholz zog sogar Merz‘ Vertrauenswürdigkeit infrage. Merz selbst hatte zuletzt auf „linke Spinner“ geschimpft.

Es gibt viel zu klären zwischen den Parteien. Wirklich spannend wird es aber wohl bei den Sachfragen. In einer angespannten wirtschaftlichen und weltpolitischen Situation müssen SPD und Union bei etlichen Punkten einen gemeinsamen Nenner finden. Ein Überblick, bei welchen Themen es haken dürfte:

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Migration

CDU/CSU fordern eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik, um sogenannte irreguläre Migration zu verhindern. Dazu gehören auch ausnahmslose Zurückweisungen von Geflüchteten an den Landesgrenzen - auch von Asylsuchenden. Die SPD hält dies weiter weder mit dem Grundgesetz vereinbar noch mit EU-Recht. Zudem will die Union den Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten, die kein Asyl bekommen haben, aber aus anderen Gründen vorerst blieben können, aussetzen. Die Sozialdemokraten wollen dies weiter ermöglichen.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt NGO-Anfrage

Für Unverständnis bei der SPD sorgte in den vergangenen Tagen eine parlamentarische Anfrage der Union zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach von einem „Foulspiel“ und forderte CDU/CSU auf, diese zurückzunehmen. Die Anfrage betrifft auch Organisationen, die vor dem Hintergrund der AfD-Unterstützung eines Unions-Antrags zur Verschärfung der Migrationspolitik zu den jüngsten Demonstrationen gegen Rechts aufgerufen hatten.

Lars Klingbeil und Friedrich Merz treffen zu ersten Sondierungsgesprächen über eine mögliche Koalition von SPD und Union zusammen.
Lars Klingbeil und Friedrich Merz treffen zu ersten Sondierungsgesprächen über eine mögliche Koalition von SPD und Union zusammen. © dpa/Michael Kappeler//dpa/Kay Nietfeld

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Bürgergeld

CDU-Chef Friedrich Merz will „Totalverweigerern“, die eine Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur ablehnen, die Bezüge komplett streichen. Dafür nimmt Merz auch Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in Kauf. Den Begriff Bürgergeld will er abschaffen und durch „neue Grundsicherung“ ersetzen. Die SPD hält hingegen am Bürgergeld fest. Sie will aber deutlich stärker auf die richtigen Arbeitsanreize, auf mehr Beratung und auf Kontrollen setzen, ob Arbeitsangebote auch wahrgenommen werden.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Mindestlohn

Die Union will den Mindestlohn von derzeit 12,82 Euro pro Stunde nicht über eine politische Entscheidung anheben. Die Lohnuntergrenze soll weiterhin die unabhängige Mindestlohnkommission regelmäßig anpassen, die sich aus den Sozialpartnern zusammensetzt. Die SPD fordert hingegen eine Anhebung auf 15 Euro spätestens ab 2026. In der SPD-geführten Ampel-Koalition war der Mindestlohn schon einmal durch einen politischen Beschluss auf zwölf Euro erhöht worden.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Steuern

CDU/CSU wollen die Unternehmensteuern in mehreren Schritten auf maximal 25 Prozent senken, die SPD will Firmen hingegen durch Abschreibungen bei Investitionen unterstützen. Bei der Einkommensteuer strebt die Union eine Abflachung des Tarifs an und will die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz deutlich erhöhen. Außerdem soll der Soli komplett gestrichen werden. Die SPD will ihrerseits die Einkommensteuer für 95 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler senken, Top-Verdiener sollen jedoch einen höheren Beitrag leisten.

Friedrich Merz und Lars Klingbeil starten erste Gespräche über eine mögliche Koalition aus Union und SPD. © Collage: dpa/Sebastian Gollnow//IMAGO / HMB-Media

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Rente

Die SPD will ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent des Durchschnittseinkommens dauerhaft garantieren. CDU/CSU wollen Rentenniveau und Beitragssatz laut Wahlprogramm „durch wirtschaftliches Wachstum“ stabil halten. Im Wahlkampf hat die SPD Merz vorgeworfen, er nehme damit eine Kürzung der Renten in Kauf.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Schuldenbremse oder Sondervermögen?

Intensiv diskutiert wird in Union und SPD auch über eine Lockerung der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr. Beides könnte nur über eine Grundgesetzänderung erfolgen, dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig. Im scheidenden Bundestag wäre das mit CDU/CSU, SPD und Grünen möglich. Im ab dem 25. März tagenden Parlament ginge das aber nicht ohne die Linkspartei, die grundsätzlich gegen mehr Aufrüstung ist. CDU-Chef Merz hat seinerseits diese Woche eine Lockerung der Schuldenbremse noch im alten Bundestag bereits ausgeschlossen.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Waffenlieferungen an die Ukraine

Merz hat schon lange klar gemacht, dass er der Ukraine auch Taurus-Marschflugkörper mit großer Reichweite liefern würde. Die SPD lehnt das kategorisch ab, weil sie eine Eskalation im Konflikt mit Russland befürchtet. Ob die Frage aber in Koalitionsgesprächen eine Rolle spielt, ist angesichts der dynamischen Entwicklungen aufgrund des Vorstoßes von US-Präsident Donald Trump mit Kreml-Chef Wladimir Putin zu einer Beendigung des Konflikts fraglich.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Klimapolitik

Die Union will das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 „im Blick“ behalten, verweist aber auf die Notwendigkeit des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Die EU-Vorgaben zur Abkehr vom Verbrennungsmotor will sie ebenso wie das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung abschaffen. Zudem erwägt sie einen Wiedereinstieg in die Nutzung der Atomkraft. Ein von der SPD gefordertes Klimageld zur Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern steht zwar nicht im Wahlprogramm der Union - Merz sprach sich aber kurz vor der Wahl dafür aus.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Deutschlandticket

Die SPD will das Deutschlandticket dauerhaft zum aktuellen Preis anbieten, ergänzt durch vergünstigte Tarife für Familien, Studierende oder ältere Menschen. CDU-Chef Merz ist grundsätzlich für eine Weiterführung, stellt dies aber ausdrücklich unter den Vorbehalt einer möglichen Finanzierung, die nur noch für dieses Jahr gesichert ist.

Koalitionssuche zwischen SPD und Union: Streitpunkt Wahlrechtsreform

Die Union will das von der Ampel-Regierung unter SPD-Führung reformierte Wahlrecht wieder ändern. Grund ist, dass bei der Wahl am Sonntag 18 ihrer Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag kamen. Denn dies hängt aktuell davon ab, ob auf Landesebene die Direktmandate auch durch den Zeitstimmenanteil der Parteien gedeckt sind. (rjs/afp)

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