„Dienst darf nicht überfordern“: Langjähriger Kommandant über Herausforderungen bei der Wehr
18 Jahre lang war Josef Schelle Kommandant der Birkländer Feuerwehr, jetzt hat er sein Amt an seinen bisherigen Stellvertreter Hermann Geiger übergeben. Wir haben ihn zum Interview getroffen.
Birkland – 18 Jahre lang war Josef Schelle Kommandant der Birkländer Feuerwehr, jetzt hat er sein Amt an seinen bisherigen Stellvertreter Hermann Geiger übergeben. Die Heimatzeitung sprach mit dem 62-Jährigen über in Erinnerung gebliebene Einsätze, das preisgekrönte Birkländer Löschwasserkonzept und warum weniger manchmal mehr ist.
Herr Schelle, wie ist es zur Entscheidung gekommen, dass Sie nicht mehr weitermachen werden als Kommandant der Birkländer Feuerwehr?
Das ist langsam gereift. Zum einen war für mich ein Grund, dass ich mit 62 Jahren keine volle Periode mehr hätte machen können, auch wenn man in Bayern die Altersgrenze auf 67 anheben will. Zum anderen dürfen nach 30 Jahren auch mal Jüngere ran.
Ist Ihnen die Entscheidung leicht gefallen?
Für mich war es einfach ein logischer Schritt. Irgendwann braucht es eben einen Generationenwechsel.
Mit ihrem Stellvertreter Hermann Geiger ist bereits ein Nachfolger gefunden. Eine gute Lösung, oder?
Auf jeden Fall. Er hat mich jetzt 18 Jahre lang begleitet, er weiß, worum es geht. Es hat auch im Verein einen Wechsel gegeben, daher waren sich alle einig, dass es gut ist, wenn noch ein paar alte Hasen wie er in der Führung bleiben. Wir wollten einen richtigen Bruch vermeiden, ich denke, das ist gelungen.
„Dienst darf nicht überfordern“: Scheidender Kommandant über Herausforderungen bei der Wehr
Sie waren 18 Jahre lang Kommandant, davor bereits zwölf Jahre Stellvertreter. Welche Einsätze sind Ihnen in der langen Zeit besonders in Erinnerung geblieben?
Da gibt es viele. An zwei Einsätze denke ich aber besonders gerne zurück, weil wir als Feuerwehr da waren und helfen konnten, bevor es zum Brand kam. Beide Male waren wir zu heißen Heustöcken gerufen worden, die wir rechtzeitig abtragen konnten. Andernfalls wären beide Höfe abgebrannt. Das war deswegen so prägend, weil die Feuerwehr sonst meist kommt, wenn der Schaden schon da ist. Nicht vergessen werde ich auch die Viehrettung aus der Güllegrube oder das Landjugendfest 2013, wo Unmengen Besucher zur Viehschau kamen und wir für die vielen Autos riesige Flächen spontan als Parkplatz ausweisen mussten. Natürlich gab es auch kuriose Einsätze, wie eine Personensuche, wo wir keine Person, dafür eine Cannabisplantage fanden (lacht).
In Ihre Zeit als Kommandant fällt auch die Idee für ein Löschwasserkonzept, mit dem die Feuerwehr Birkland für Aufsehen gesorgt hat und sogar einen Preis beim bundesweiten Wettbewerb „IF-Star, innovative Feuerwehren“ gewann.
Damals kamen zwei Punkte zusammen, einmal die Not bei der Löschwasserversorgung im Ort und die Not an Finanzmitteln der Gemeinde zu der Zeit. Das hat bewirkt, dass man nachdenkt und Lösungen findet. Natürlich ist man da am Ende auch stolz drauf, wenn es Anerkennung findet, aber der Grundgedanke ist die Verbesserung im Dorf. Bei der Preisverleihung im Forum des Deutschen Feuerwehrverbandes in Berlin haben die gar nicht fassen können, dass man mit primitiven Dingen, wie einem Wasserfass und einer zur Löschwasserzisterne umfunktionierten Güllegrube, etwas für 30 000 Euro auf die Füße stellen kann, was normalerweise 600 000 bis 700 000 Euro kostet (lacht).
Immer mehr Feuerwehren klagen, dass es ihnen an Nachwuchs mangelt. Ist das auch in Birkland ein Problem?
Es läuft an sich ganz gut. Wir „fangen“ unseren Nachwuchs im Alter von ca. 16 bis 20 Jahren ein, da befinden sie sich oft in einer Phase der Umorientierung und treten gleich mit der ganzen Clique in die Wehr. Ein Vorteil ist auch, dass wir die Ausbildung bei uns am Standort durchführen. Eigentlich haben wir eine gute Struktur, in jeder Altersstufe sind es ähnlich viele Leute. Auch meine Altersgenossen sind noch dabei, wenn auch vielleicht nicht mehr an vorderster Front. Aber sie bringen Erfahrung mit und strahlen Ruhe aus, das ist wichtig. Sei es nur, wenn es darum geht, als Verkehrsposten einen aufdringlichen Autofahrer abzuweisen.
Junge Leute dürfen nicht überfordert werden
So etwas kommt immer öfter vor.
Ja, richtig. Das ist eine Entwicklung unserer Gesellschaft, dass keiner mehr Rücksicht nimmt und es ein unvorhergesehenes Ereignis nicht mehr geben darf. Da wird man angefunkt vom Verkehrsposten, weil jemand unbedingt durchfahren will, um seine Pizza zu holen vom Pizzadienst, der hinter dem Unfall im Stau steht. Da fragt man sich schon, wo die Prioritäten der Leute sind.

Zurück zum Nachwuchs: Wie gelingt es, die Leute bei der Stange zu halten?
Der Feuerwehrdienst darf sie nicht überfordern, ist meine Meinung. Es muss Zeit für Hobbys, Beruf und Familie bleiben. Das ist natürlich mit Blick auf die Übungen und die nötige Ausbildung immer auch eine Gratwanderung. Aber das war mir immer ein Anliegen. Da muss man einfach unterscheiden zwischen einer Dorf- und einer Stützpunktfeuerwehr. Wir haben auch deshalb zuletzt bewusst ein kleineres Fahrzeug mit weniger Ausrüstung beschafft, um die Belastung der Mannschaft in Grenzen zu halten. Denn wenn ich aufgrund der leistungsfähigeren technischen Ausstattung eine größere Region mit versorgen muss, ist die Gefahr der Überforderung groß.
Ihre Erfahrung werden Sie auch künftig weitergeben können, denn Sie bleiben der Birkländer Feuerwehr als Aktiver weiterhin treu.
Ja, ich werde weitermachen, solange es Gesetz, Gesundheit und der Herrgott es erlauben. Das gilt auch für meinen Part als Ausbilder, das ist mir ein Anliegen. So verliert man den Draht zur Jugend nicht.
Gibt es etwas, dass Sie vermissen werden, jetzt, wo Sie kein Kommandant mehr sind, oder überwiegt eher die Erleichterung darüber, dass man sich nicht mehr um alles kümmern muss?
Ein bisschen von beidem, vielleicht. Wir hatten letztens eine größere Übung, da war es ganz schön, den Ablauf mal aus einem anderen Blickwinkel als dem des Kommandanten zu sehen. Und wenn man dann sieht, dass die Ausbildung, die man die letzten 20 Jahre vermittelt hat, ganz gut umgesetzt wird, dann macht einen das schon ein bisschen stolz.
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Zum Schluss: Haben Sie einen Rat für Ihren Nachfolger?
Er soll seinen eigenen Weg gehen. Jede Zeit hat ihre Schwerpunkte, das ergibt sich einfach. Arbeit gibt es immer, denn das Dorf verändert sich und das hat am Ende auch immer Auswirkungen auf die Feuerwehr.
Kommandant und Stellvertreter bestätigt
Bereits Anfang April hat die Birkländer Feuerwehr Hermann Geiger zum neuen Kommandanten und Nachfolger von Josef Schelle gewählt. Auch der Posten des Stellvertreters wurde neu vergeben, allerdings stellte sich im Nachgang der Versammlung heraus, dass es dabei zu einem Formfehler gekommen war. So musste die Wahl Ende Mai wiederholt werden. Diesmal lief alles glatt, Stefan Guffler bekam das Vertrauen der Wehr ausgesprochen. In seiner jüngsten Sitzung hat der Peitinger Marktgemeinderat den neuen Kommandanten und seinen Stellvertreter einstimmig im Amt bestätigt, nachdem auch Kreisbrandrat Rüdiger Sobotta in seiner Stellungnahme keine Einwände erhoben hatte. Allerdings sei die Bestätigung mit einer Auflage für Guffler verbunden, wies Geschäftsleiter Stefan Kort hin. Weil dieser die Lehrgänge Gruppenleiter und Leiter einer Feuerwehr noch nicht absolviert habe, müsse der stellvertretende Kommandant die vorgeschriebene Ausbildung binnen eines Jahres nachholen.