„Waffen auf Satelliten“: Wie Chinas Welträumpläne bei einem Angriff auf Taiwan helfen sollen
China und die USA liefern sich einen neuen Wettlauf ums All. Dabei geht es nicht nur um Flüge zu Mond und Mars – sondern auch um militärische Ziele.
Zuletzt betrat 1972 ein Mensch den Mond. Geht es nach der Regierung in Peking, dann soll schon in den nächsten Jahren erstmals ein Chinese über Mondoberfläche spazieren. Die Volksrepublik betreibt ein ambitioniertes Weltraumprogramm, bei dem aber nicht nur friedliche Ziele im Vordergrund stehen: „Geforscht wird etwa an Waffen, die auf Satelliten montiert werden können und die andere Satelliten, aber auch Ziele auf der Erde treffen können“, sagt Antonia Hmaidi, Analystin bei der Berliner China-Denkfabrik Merics.
Frau Hmaidi, noch sind die USA die weltweit führende Weltraumnation. Will China das ändern?
China will eine Großmacht in Wissenschaft und Technologie werden, und ein wichtiger Aspekt davon ist das chinesische Raumfahrtprogramm. Dabei geht es Peking auch um Prestige: China will Menschen auf den Mond bringen, was den USA ja schon vor Jahrzehnten gelungen ist, später dann sollen Menschen zum Mars geflogen werden.
NASA-Chef Bill Nelson glaubt, dass ein Großteil von Chinas Raumfahrtprogramm militärischer Natur ist.
Das chinesische Raumfahrtprogramm untersteht dem Militär, auch die chinesischen Taikonauten sind fast alle ehemalige oder aktuelle Militärs. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass China in den nächsten Jahrzehnten militärischen Nutzen daraus zieht, Menschen auf den Mars zu bringen, relativ gering. Militärisch relevant sind andere Teile des chinesischen Weltraumprogramms.
Zur Person
Antonia Hmaidi beschäftigt sich bei der Berliner China-Denkfabrik Merics mit der Geopolitik von Technologie, Chinas Streben nach technischer Eigenständigkeit sowie mit Chinas Cybersicherheit und Hacking-Kampagnen.

„Sollte sich China zu einem Angriff auf Taiwan entscheiden, könnten solche Fähigkeiten eine wichtige Rolle spielen“
Welche sind das?
Während des Golfkriegs Anfang der 90er hat China erlebt, wie entscheidend Satelliten für die militärische Überlegenheit der USA und ihrer Verbündeten waren. Seitdem arbeitet China gezielt daran, in dem Bereich seine Fähigkeiten auszubauen. Da geht es einerseits um präzise Geolokalisierung wie mit GPS, aber auch um sichere Kommunikation, zum Beispiel um Quantenkommunikation. Hier hat China sogar einen Vorteil gegenüber den USA: Es ist das einzige Land, das Quantensatelliten im Orbit hat und diese auch betreibt.
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Welche Rolle spielen dabei die Pläne der chinesischen Regierung, Taiwan zu annektieren?
Wir haben zu Beginn des Ukraine-Kriegs gesehen, wie Russland versucht hat, die Viasat-Satelliten auszuschalten, die das ukrainische Militär zur Kommunikation genutzt hat. Sollte sich China zu einem Angriff auf Taiwan entscheiden, könnten solche Fähigkeiten ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Befinden sich China und die USA in einem Wettlauf ums All, wie wir ihn ab den 50-ern zwischen den USA und der Sowjetunion gesehen haben?
Ich denke schon, dass wir uns in einem neuen „Space Race“ befinden. Bei diesem Wettbewerb geht es um zwei Dinge. Zunächst um die Frage, welches Land zuerst Menschen auf den Mars schickt. Einen praktischen Nutzen hätte das zwar nicht, wir haben ja auch den Mond nie richtig genutzt. Sowohl China als auch die USA wollen das aber um das Jahr 2030 herum schaffen. Die USA waren in den letzten Jahren allerdings nicht besonders erfolgreich, ihre eigenen Zeitpläne einzuhalten, anders als China.
„China gleicht seine Nachteile zum Teil dadurch aus, dass es risikobereiter ist“
Und der zweite Aspekt des Wettbewerbs?
Wir sehen einen Wettbewerb zwischen China und den USA um die Frage, wer die Umlaufbahn der Erde kontrolliert. Geforscht wird etwa an Waffen, die auf Satelliten montiert werden können und die andere Satelliten, aber auch Ziele auf der Erde treffen können. Bislang hat sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt, keine Satelliten abzuschießen. Aber das ist lediglich eine etablierte Norm, die jederzeit gebrochen werden kann. Etwa, wenn ein großer Krieg ausbricht. In einem solchen Fall wären logistische Fähigkeiten von entscheidendem militärischen Nutzen: Welche Kriegspartei kann schneller wieder neue Satelliten ins All bringen? Wer kann seine Satelliten am schnellsten reparieren oder im Falle einer Cyberattacke am schnellsten wieder zum Laufen bringen?
Welches Land hat im „Space Race“ die Nase vorn?
Generell würde ich sagen, dass die USA technologisch vorne liegen. So haben die USA eine Rakete entwickelt, die wiederverwendet werden kann, während China daran noch forscht. China gleicht seine Nachteile zum Teil aber dadurch aus, dass es risikobereiter ist. Chinesische Forscher nehmen etwa bei Raketenstarts in Kauf, dass mehr Trümmerteile im Orbit landen. Die USA sind da deutlich vorsichtiger. Ich glaube aber nicht, dass es aktuell militärisch relevante Fähigkeiten gibt, die China nicht auch nach gewisser Zeit erreichen kann, wenn auch möglicherweise mit mehr Ressourceneinsatz.
China betreibt seit zwei Jahren erfolgreich die Raumstation „Tiangong“. Die Internationale Raumstation ISS könnte hingegen schon in wenigen Jahren außer Dienst genommen werden, ein Nachfolger steht noch nicht fest.
Es würde mich wundern, wenn die USA zulassen würden, dass China als einziges Land über eine Raumstation verfügt. Zumal die chinesische Raumstation inzwischen kontinuierlich besetzt ist. China hat zwar angeboten, dass auch andere Länder seine Raumstation nutzen können. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dies bei anderen Raumfahrtnationen, außer bei Russland, auf positive Resonanz stößt. Möglich ist, dass die chinesische Raumstation eines Tages die einzige staatlich betriebene Raumstation ist – und dass die westlichen Länder eine privat oder halbprivat betriebene Raumstation nutzen werden.
„Europa fällt im internationalen Vergleich stark zurück“
Wo ist in diesem Wettbewerb zwischen China und den USA Platz für Europa?
Momentan betreibt Europa keine klar zielorientierte Weltraumpolitik. Europa fällt im internationalen Vergleich stark zurück und muss sich entscheiden, ob es an dem Wettbewerb teilnehmen will. Lautet die Antwort ja, dann müsste Europa viel mehr investieren, um konkurrenzfähig zu werden. Realistisch erscheint mir, dass sich Europa Nischen sucht, die es im amerikanischen System besetzen kann. Das hat Europa in der Vergangenheit schon gemacht, aber das wird mit der neuen Trump-Regierung natürlich nicht unbedingt leichter. Notwendig ist auch, dass sich in Europa eine „New Space Economy“ entwickelt, also ein Weltraumprogramm mit privaten Akteuren, etwa zum Aufbau eines Satelliteninternets.
Viele Menschen hierzulande betrachten ein Weltraumprogramm als Geldverschwendung. Ist das in China anders?
In China wird das Raumfahrtprogramm jedenfalls nicht so sehr infrage gestellt, wie das in Europa der Fall ist. Skepsis gegenüber Investitionen in Weltraumforschungsprogramme war bis vor wenigen Jahren nicht nur in Europa, sondern auch in den USA wahrzunehmen. Aber in den USA hat die Begeisterung für Raumfahrt in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was nicht zuletzt an Elon Musk und seiner Firma SpaceX liegen mag. Anders als China setzen die USA sehr stark auf die Beteiligung privater Unternehmen.
Welche Rolle spielen private Akteure in China?
Private Investoren spielen in China eine deutlich kleinere Rolle, entscheidend sind die staatlichen Akteure. Obwohl es in China Versuche gibt, die kommerzielle Raumfahrt voranzubringen, geschieht das allerdings nur sehr begrenzt. Denn die chinesische Regierung hat die Raumfahrt als strategisch wichtigen Bereich identifiziert, in dem sie die Kontrolle behalten will.