Schauen Sie auf die drei „B“ – um bessere Anlageentscheidungen zu treffen
Haben Sie in Ihren Lieblingsmedien auch schon einmal solche Schlagzeilen gelesen: „Technologie-Aktien bleiben stark“. Oder: „Großanleger steigen bei Unternehmen XY ein“. Auch beliebt: „Diese Aktie ist jetzt besonders spannend“.
Für viele Anleger stellt sich die Frage: Woran erkennt man, ob eine Aktie ein gutes oder ein schlechtes Investment ist? Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, sollten Sie sich einige Grundprinzipien aneignen. Diese nennen wir die drei „B“ der Aktienanalyse. Damit können Sie besser einordnen, worauf es wirklich ankommt, und der Einstieg in das Thema ist gar nicht so kompliziert.
„B“ Nummer 1: Business Model
Sie erwägen, in einen Titel zu investieren. Überprüfen Sie, ob das Unternehmen einen klar nachvollziehbaren Nutzen und eine klare Bedürfnisbefriedigung für seine Kunden sowie eine stabile Marktposition hat. Stellen Sie kritisch folgende Fragen: Welche Produkte oder Dienstleistungen werden angeboten? Deckt das Unternehmen einen langfristigen Bedarf – auch in einem sich wandelnden Marktumfeld? Wie erwirtschaftet das Unternehmen seine Gewinne und bleiben diese auch nachhaltig erhalten? Beschäftigen Sie sich mit dem Geschäftsmodell!
Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das Software für Geschäftsprozesse entwickelt und regelmäßig Lizenzeinnahmen generiert, verfügt häufig über stabile Einnahmequellen. Anders sieht es bei Firmen aus, die stark von Projektgeschäften oder schwankender Nachfrage abhängig sind.
„B“ Nummer 2: Bilanz
Erarbeiten Sie sich ein Basiswissen zur Rechnungslegung von Unternehmen. Es geht dabei nicht darum, jede Zahl im Geschäftsbericht zu kennen. Aber Begriffe wie Eigenkapital, Verschuldung, Liquidität oder operativer Cashflow sollte man einordnen können. Wer weiß, was hinter diesen Posten steckt, kann besser einschätzen, wie sich die Gewinne zusammensetzen und ob ein Unternehmen finanziell solide aufgestellt ist.
„B“ Nummer 3: Bewertungskennzahlen
Maßstäbe für die Bewertung einer Aktie werden häufig als Multiplikatoren bezeichnet. Dazu zählt etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis, welches hilft, eine Aktie einzuordnen. Entscheidend ist dabei nicht allein der absolute Wert, sondern die Relation: Wie ist das Unternehmen im Verhältnis zu seiner Branche, Wettbewerbern und ähnlichen Unternehmen bewertet? Aus einem solchen Vergleich kann man wertvolle Erkenntnisse ziehen, ob eine Aktie teuer oder billig ist. Die wichtigsten Bilanzzahlen und Bewertungsmultiplikatoren sind über Finanzportale, Unternehmenswebseiten und Börsenapps öffentlich gut zugänglich.
Risiken und Warnsignale
Sie haben mit diesen Grundbausteinen das Rüstzeug erworben. Nun können Sie Risiken in den Bilanzen und Jahresabschlüssen Ihrer Portfoliowerte genauer inspizieren. Wir hatten eingangs über Geschäftsmodelle gesprochen: Ein besonders klares Warnsignal, auf das auch Profi-Investoren vornehmlich achten, ist ein schwer verständliches oder intransparentes Geschäftskonzept. Wenn auch nach eingehender Beschäftigung nicht klar wird, wie ein Unternehmen Geld verdient, sollte Zurückhaltung geübt werden.
Unternehmen, die in vielen Geschäftsfeldern gleichzeitig aktiv sind, dabei aber keine erkennbare Strategie oder Ertragslogik zeigen, sind schwer einschätzbar. Je weniger greifbar das Angebot ist, desto schwerer lässt sich das Potenzial beurteilen und desto größer ist das Risiko, dass man Enttäuschungen erlebt.
Zudem sollten Kapitalmarktbewertungen für Sie künftig eine wichtige Bezugsgröße sein. Sogenannte Hype-Aktien, also solche Unternehmen, die in sozialen Medien, Börsenforen oder der Wirtschaftspresse stark präsent sind, erscheinen auf den ersten Blick oftmals besonders attraktiv. Doch die öffentliche Aufmerksamkeit hat ihren Preis: Oft sind die Erwartungen an das Unternehmen bereits so hoch, dass selbst kleine Enttäuschungen zu starken Kursverlusten führen können.
Gute Geschäftsmodelle führen in der Regel zu hohen Bewertungen. Nur weil ein Unternehmen gut aufgestellt ist, bedeutet dies jedoch nicht automatisch, dass auch die Aktie ein gutes Investment darstellt – sie kann längst zu teuer sein. Umgekehrt gilt: Auch Unternehmen mit scheinbar weniger überzeugenden Geschäftsmodellen können unterbewertet sein und dadurch interessantes Potenzial bieten.
Daher ist es wichtig, stets eine unemotionale, ganzheitliche Analyse vorzunehmen.
Fazit: Schauen Sie den Unternehmen in die Bücher
Wer sich ein nüchternes Bild von den drei „B“ der Aktienanalyse verschafft, erhöht die Chancen auf durchdachte und langfristig erfolgreiche Anlageentscheidungen. Machen Sie es wie die Großinvestoren und beschäftigen Sie sich vor einem Investment mit Geschäftsmodellen sowie grundlegenden Bilanzkennzahlen und Bewertungsmaßstäben. Mit einem wachsamen Blick für kritische Signale – etwa hohe Verschuldung, unklare Geschäftsmodelle oder übertriebene öffentliche Begeisterung – lassen sich unnötige Risiken vermeiden.
Dr. Matthias Meitner, CFA, ist Mitglied des Aufsichtsrats der CFA Society Germany sowie Professor für Finance & Accounting an der International School of Management (ISM) und Managing Partner von VALUESQUE, einer Boutique für Unternehmensbewertung und -analyse. Daneben ist er Mitglied im Capital Market Advisory Committee (CMAC) der IFRS Foundation und Mitglied der Technical Expert Group Financial Reporting der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG).
Über die Kolumne „Finanzen. Klartext. Verstanden“
Für Privatanleger lohnt sich oftmals ein Blick darauf, wie professionelle Investoren den Markt einschätzen, mit neuen Entwicklungen der Finanzbranche umgehen und ihre Portfolien ausrichten. In dieser Kolumne schreiben Investmentexperten der CFA Society Germany alle 14 Tage für Focus online. Der Verband setzt sich mit rund 3.000 Mitgliedern aktiv für Finanzbildung in Deutschland ein.