Taliban an Bord? - Nächster Afghanen-Flug landet heute – die zentrale Sicherheitsfrage bleibt ungeklärt

Der Ärger über die Einreise von 155 Afghanen nach Deutschland, die Ende Februar in Berlin gelandet waren, ist noch nicht verflogen, da wird die Debatte neu befeuert. Am Mittwoch soll schon der nächste Flieger landen. Voraussichtlich bringt er weitere 157 Afghanen ins Land.

Das liegt auch an dem sogenannten Bundesaufnahmeprogramm, das die Ampel-Regierung um Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ins Leben gerufen hat. Immer wieder stand es in der Kritik  – auch jetzt wieder. Nach Informationen von FOCUS online sind der Union Hinweise zugespielt worden, die den Verdacht nahelegen, dass sich eine unbekannte Person mit falscher Identität eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erkauft haben könnte. 

In dem genannten Fall soll es sich um eine nicht näher definierte Person handeln, die sich über eine einflussreiche afghanische Familie gegen Geld eine falsche Identität verschafft haben könnte. Auf diese Art sei sie dann in das Bundesaufnahmeprogramm gelangt.

Hinweise auf Taliban-Einschleusung über Schutzprogramm

Im vergangenen Sommer soll es laut Medienberichten schon Hinweise vom Militärischen Abschirmdienst gegeben haben, dass Personen, die sich als Ortskräfte der Bundeswehr in Afghanistan gemeldet hatten, heimlich Kontakt zu den Taliban pflegen und versucht hätten, unter dem Schutzschirm der Ortskräfte nach Deutschland zu kommen. Die Bundesregierung hatte dies in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Unionsfraktion jedoch bestritten.

Das Bundesaufnahmeprogramm war nach der Machtergreifung des Taliban-Regimes im August 2021 von der Berliner Ampel-Koalition beschlossen worden und sollte ursprünglich bis Ende September 2025 dauern, dem regulären Ende der Legislaturperiode. Es hat nichts mit der Aufnahme der tausenden Ortskräfte zu tun, die mit der Bundeswehr während der Mission in Afghanistan zusammenarbeiteten.

Die Union hatte im vergangenen Jahr eine Kleine Anfrage zu den rund 3000 afghanischen Staatsbürgern gestellt, die über Bundesaufnahmeprogramm eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhalten haben. Rund 750 Personen von ihnen sollen inzwischen nach Deutschland eingereist sein.

Union wundert sich über Geheimhaltung von Liste

CDU und CSU hatten bei der Anfrage unter anderem wissen wollen, wer hinter den rund 100 Nichtregierungsorganisationen steckt, die die Personen für das Bundesaufnahmeprogramm ausgewählt haben – und nach welchen Kriterien. Das Bundesinnenministerium hatte auf Anfrage mitgeteilt, dass bisher mehr als 47.000 Aufnahmezusagen aus insgesamt vier verschiedenen Aufnahmeverfahren erteilt worden seien. Laut Faeser-Ministerium seien bislang 25 Millionen Euro Kosten angefallen

36.000 von ihnen seien mittlerweile mithilfe der Bundesregierung nach Deutschland eingereist, teilte das Innenministerium weiter mit. „Ohne ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen“, hatte die Unionsfraktion seinerzeit in der Anfrage betont. 

Unter den Personen mit Aufnahmezusage befinden sich laut BMI rund 24.800 ehemalige afghanische Ortskräfte, einschließlich ihrer Familienangehörigen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage hatte die Regierung angegeben, dass die Teilnehmer der Aufnahmeprogramme vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vor der Einreise überprüft worden seien sollen.

„Die Einreise der Ortskräfte haben wir immer unterstützt, das Programm geht ja noch auf die letzte Regierung unter Angela Merkel zurück. Wir wussten, wer da zu uns kommt“, hieß es dazu weiter aus Unionskreisen. Aber bei den anderen Programmen seien viele Fragen offen. Man wundere sich unter anderem darüber, warum die Regierung die Identität der auswählenden Nichtregierungsorganisationen zur Verschlusssache erklärt habe. 

Union will Notwendigkeit von Flugkosten-Übernahme klären

Auch die Übernahme der Flugkosten für die Flüchtlinge wird in der Union kritisch gesehen. „Während der Pandemie ist den deutschen Staatsbürgern, die im Ausland waren, der Heimflug auch nicht bezahlt worden, solange kommerzielle Airlines genutzt werden konnten“, heißt es. 

Die Union will prüfen, ob das Programm eingestellt werden kann. Dies hatte am Donnerstag bereits Alexander Throm (CDU), der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, in einem Gespräch mit FOCUS online gefordert. „Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan mit über 3000 Aufnahmezusagen war eine schwere Fehlentscheidung der Ampel“, so Throm. 

Wie weiter in Unionskreisen zu erfahren war, soll auch geprüft werden, ob die Bundesregierung die Flugkosten für die Einreise weiterer afghanischer Staatsbürger nach Deutschland übernehmen muss.

Unter den 155 Afghanen nur fünf einstige Ortskräfte

Neben den 24.800 Aufnahmeerklärungen für ehemalige Ortskräfte samt Familie und den 3000 Fällen aus dem Bundesaufnahmeprogramm hat die Bundesregierung rund 8500 Personen samt Angehörigen über die sogenannte Menschenrechtsliste sowie 9700 Personen samt Familien im Rahmen des Überbrückungsprogramms die Einreise nach Deutschland gestattet.

Unter den 155 afghanischen Passagieren, die am Dienstag nach Deutschland einreisen konnten, befanden sich laut BMI nur fünf ehemalige Ortskräfte plus 22 Familienmitglieder, während der übergroße Teil aus Personen bestand, die über das Bundesaufnahmeprogramm einreisen konnten.

Weiterhin unklar bleibt, was mit rund 3000 weiteren afghanischen Staatsbürgern passiert, die bereits eine Aufnahmezusage von Deutschland erhalten haben und derzeit in Islamabad festsitzen. 400 Personen haben laut BMI die Genehmigung über das Ortskräfteverfahren erhalten, 950 aus dem Überbrückungsprogramm, knapp 1500 aus dem Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Personen aus Afghanistan und 90 über die Menschenrechtsliste.

Weiterer Afghanen-Flug mit angeblichem Ehepaar

Zumindest ein Teil von ihnen wird nun am Mittwoch nach Deutschland geflogen. Der Charterflug aus Pakistan sollte einem Bericht der „Bild“ zufolge vor allem ehemalige Ortskräfte an Bord haben. Doch offenbar werden davon nur zwei mit 13 Angehörigen einreisen. Die übrigen Passagiere sollen über die anderen Verfahren nach Deutschland gelangen.

Wie diese ausgewählt wurden, ist unklar. Die „Bild“  zitiert einen hohen Regierungsbeamten, der von einem „völlig intransparenten“ Prozess spricht. Die Zeitung führt als Beispiel ein afghanisches Ehepaar an, das sich mit einer gefälschten Heiratsurkunde für das Aufnahmeprogramm beworben hatte. Statt die Einreise zu verweigern, ließ sich das Auswärtige Amt von Fotos überzeugen, die die beiden als Paar zeigten, und erkannte eine „eheähnliche Beziehung“ an.