Ich erinnere mich noch an die Sätze meiner Kindheit.
- „Reiß dich zusammen.“
- „Stell dich nicht so an.“
- „Du musst schon was leisten, wenn du geliebt werden willst.“
Damals dachte ich: Das sei normal. Ich dachte, jede Familie funktioniere so. Erst viel später habe ich verstanden, dass es nicht normal war – sondern ein System.
Meine Eltern waren beide so erzogen worden. Sie waren der Überzeugung, das wäre gesund und normal. Deswegen haben sie diese Werte an uns Kinder weiter gegeben. Aus Liebe und zu unserem Schutz. Dieses System lehrte mich, mich anzupassen, mich kleinzumachen, Erwartungen zu erfüllen. Das war der Beginn meines Co-Narzissmus. Nicht in einer Partnerschaft, sondern schon in meiner Familie.
Chris Oeuvray ist psychologische Beraterin und Narzissmus-Expertin. In ihren Büchern wie „Du genügst“ zeigt sie Betroffenen toxischer Beziehungen Wege zu Selbstwert, Stärke und einem befreiten Leben. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.
Sie sind nicht allein
Wenn Sie aus einer Familie mit co-narzisstischen Eltern kommen, dann wissen Sie, wie prägend diese Kindheit ist. Sie haben gelernt: Anerkennung gibt es nur, wenn Sie Leistung bringen. Liebe ist nicht bedingungslos, sondern an Erwartungen geknüpft. Gefühle sind nicht willkommen, wenn sie unbequem sind.
Co-Narzissmus entsteht genau hier: Kinder entwickeln Überlebensstrategien. Sie werden still, brav, perfekt. Sie hören auf, eigene Bedürfnisse zu spüren, weil sie gelernt haben: Nur wenn ich mich anpasse, bleibe ich sicher.
Das Tragische: Diese Muster begleiten uns ins Erwachsenenleben – in Beziehungen, im Beruf, in Freundschaften. Und wir geben diese als Eltern an unsere Kinder weiter.
Kennen Sie das auch?
- Sie stellen automatisch die Bedürfnisse anderer über Ihre eigenen, ohne es zu merken.
- Sie fühlen sich verantwortlich für die Stimmung im Raum. Wenn jemand wütend oder traurig ist, suchen Sie den Fehler bei sich.
- Sie haben Schwierigkeiten, zu sagen, was Sie wollen, weil Sie nie gelernt haben, dass Ihre Wünsche wichtig sind.
- Sie spüren eine innere Leere, obwohl Sie „funktionieren“ und für andere da sind.
Wenn Ihnen das vertraut vorkommt, dann haben Sie vermutlich schon früh gelernt, im Schatten narzisstischer Dynamiken zu überleben.
Drei Wege, um die Prägung zu durchbrechen
1. Schreiben Sie Ihre Familiengeschichte neu
Nehmen Sie ein Blatt Papier und schreiben Sie Ihre Geschichte aus Ihrer Sicht. Nicht aus der Sicht Ihrer Eltern. Schreiben Sie auf, was Sie erlebt haben, was Sie gefühlt haben. Dieser Perspektivwechsel gibt Ihnen die Erlaubnis, Ihre Wahrheit ernst zu nehmen, auch wenn sie in Ihrer Familie nie Raum hatte.
2. Der innere Elternteil
Stellen Sie sich vor, Sie wären heute Ihr eigener Vater oder Ihre eigene Mutter. Was hätten Sie als Kind gebraucht? Worte der Anerkennung? Schutz? Wärme? Sagen Sie sich heute genau das, was Ihnen damals gefehlt hat. Sie können Ihr inneres Kind nicht zurück in die Vergangenheit bringen, aber Sie können ihm jetzt geben, was damals nicht da war.
3. Brechen Sie die Muster in kleinen Schritten
Wenn Sie Kinder haben, beginnen Sie mit kleinen Gesten: Hören Sie zu, wenn sie weinen. Nehmen Sie ihre Gefühle ernst. Geben Sie Liebe, ohne Bedingungen zu knüpfen. Jeder kleine Schritt, den Sie heute anders machen, ist eine Revolution. Nicht nur für Ihr Kind, sondern auch für Sie selbst.
Wenn Sie das alles machen, werden Sie …
… Schritt für Schritt die Ketten Ihrer Vergangenheit sprengen.
Sie werden merken, dass Ihre Kindheit Sie geprägt hat, aber nicht für immer bestimmen muss. Sie werden erfahren, dass Sie heute die Macht haben, Ihr Leben neu zu gestalten, frei von den alten Mustern. Und Sie werden sehen: Sie sind nicht länger gefangen im Spiegel Ihrer Familie. Sie sind der Mensch, der Sie immer schon waren.
Denn wahre Heilung bedeutet: Nicht nur die Vergangenheit verstehen, sondern in der Gegenwart neu wählen. Erkennen Sie sich wieder? Schreiben Sie es in den Kommentar.
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Bildquelle: Chris Oeuvray
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