Sie betreten das Büro am frühen Morgen. Der Bildschirm flackert. Eine neue KI-Gestützte Analyse schlägt vor, Ihre Arbeitsweise zu optimieren — automatisch. Noch heute soll ein Algorithmus entscheiden, welche Aufgaben Sie übernehmen, welche Priorität Ihre Projekte bekommen.
Ein leises Frösteln überkommt Sie: Wer ist hier eigentlich Herr über Ihre Entscheidungen? Sie oder die Maschine?
So beginnt die Geschichte eines Unternehmens, das sich zur digitalen Vorzeigefirma wandeln wollte, und fast alle seine Mitarbeitenden in eine Abhängigkeit führte, die subtiler wirkt als jede Hierarchie.
Ich lade Sie ein, hinter die Fassade zu schauen, in die Schatten, in denen Co-Narzissmus und innere Anpassung wachsen, wenn KI und Kontrolle zusammenkommen.
Chris Oeuvray ist psychologische Beraterin und Narzissmus-Expertin. In ihren Büchern wie „Du genügst“ zeigt sie Betroffenen toxischer Beziehungen Wege zu Selbstwert, Stärke und einem befreiten Leben. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.
Was steckt dahinter?
Digitale Transformation ist ein Schlüsselwort unserer Zeit. In der Schweiz und global schreitet sie voran: Maschinen lernen, Prozesse optimieren sich, Daten analysieren sich automatisch.
Doch mit dieser Macht entsteht eine unsichtbare Spannung: Wer führt? Wer folgt? Wer lächelt, wenn der Algorithmus über Sie urteilt?
In dieser Grauzone kann Co-Narzissmus neu entstehen: in Ihren Musterbeziehungen zur Technik, zu Führung, zu sich selbst. Plötzlich passen Sie Ihr Verhalten an, nicht nur, um Kolleg:innen zu gefallen, sondern um den unsichtbaren Erwartungen der Maschine gerecht zu werden. Sie lernen, schneller Ergebnisse zu liefern, Entscheidungen ohne Widerstand, berechenbar zu sein, weil ungewollte Abweichung sofort registriert wird.
Wenn Menschen nicht merken, dass sie sich selbst programmieren, dann sind sie die Verlängerung eines Systems geworden, das Ihre Individualität langsam verschluckt.
Kennen Sie das auch?
- Sie treffen Entscheidungen und ertappen sich dabei, dass Sie zuerst denken: „Was sagt der Algorithmus?“
- Sie fühlen sich unsicher, wenn Sie abweichen. Innovationsgeist wird unterdrückt, um nicht „auffällig“ zu sein.
- Sie verlieren Impulse, Ihre eigenen Ideen, weil das System schneller „beste Lösungen“ vorschlägt.
- Sie spüren eine innere Leere, obwohl Sie sich „anpassen“, optimieren, leisten, und doch außen vor bleiben.
Wenn Sie diese Schatten spüren, dann sind Sie nicht allein. Dieses Phänomen ist neu. Es braucht neue Werkzeuge, um sich zu schützen.
Drei kreative Gegenstrategien
1. Der Protokoll-Fluss
Führen Sie ein kleines Tagebuch: Protokollieren Sie täglich drei Entscheidungen, bei denen Sie gespürt haben, wie stark der Algorithmus oder die digitale Vorgabe Sie beeinflusst hat. Schreiben Sie dazu: „Warum habe ich so entschieden? Woher kam der innere Einfluss?“ So erkennen Sie, wo Ihre eigene Stimme abgedrängt wurde.
2. Der manuelle Micro-Interventionsraum
Erlauben Sie sich täglich einen Moment, in dem Sie bewusst manuell wählen, ohne digitales System: Eine E-Mail mit Ihrer eigenen Formulierung schreiben, eine Aufgabe per Hand priorisieren, eine Idee skizzieren, bevor Sie sie in das System eingeben. Diese kleinen Anker erinnern Ihr Gehirn daran, dass Sie Entscheidungsträger:in sind, nicht nur Ausführende.
3. Die bewusste Rebellion
Wählen Sie einen Aspekt, in dem Sie bewusst nicht optimieren: ein Projekt, bei dem Sie Zeit lassen, Raum für Fehler offenhalten, Ihr Tempo bestimmen. Verkünden Sie es vielleicht nicht laut. Es reicht, dass Ihr System spürt: Nicht alles soll digital kalkulierbar sein. Das weckt langsam Respekt für die Unberechenbarkeit Ihres Selbst.
Wenn Sie das alles machen, werden Sie …
… wieder spüren, wo Ihre Grenzen sind, und dass sie kein Gegner sind, sondern achtsam mit KI umgehen.
… erleben, wie Ihr inneres Selbst zurück ins Licht tritt, jenseits von Datenpunkten und Prognosen.
… merken, dass echte Kreativität und menschliche Intuition nicht ersetzt werden können, sondern das System benötigen. Nicht umgekehrt.
… aus einer Erweiterung des algorithmischen Systems eine selbstbestimmte, starke Person werden, mit Kontrolle über Ihre Identität.
Denn hinter jeder digitalen Transformation wohnt die Frage: Wer bestimmt? Maschine oder Mensch? Wenn Sie diesen Weg gehen, werden Sie nicht zum Nebendarsteller in Ihrer eigenen Geschichte. Sie werden wieder Regisseur:in.
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Bildquelle: Chris Oeuvray
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"Du genügst: Empathen lieben. Narzissten zerstören." von Chris Oeuvray.