TV-Kolumne „Hart aber fair“ - In ARD-Talk offenbart Lindner, auf welche Wahl-Strategie die FDP setzt
Plötzlich lacht das Publikum im Studio schrill auf. Soeben hatte „Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth davon geredet, dass es amtliche 15.774 Totalverweigerer gebe, die Bürgergeld beziehen, aber sich in jeglicher Form weigerten, arbeiten zu gehen. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner nahm das zum Anlass, von einer viel höheren Zahl solcher arbeitsscheuen Bürgergeldempfänger zu sprechen.
„Das sagt die Arbeitsagentur“, so der ehemalige Bundesfinanzminister. „Auch wenn jetzt hier gelacht wird. Da muss es erstmal einen Fallführer auf sich nehmen, denjenigen zu markieren. Es gibt aber auch viele, wo es jahrelang keinen Kontakt mehr gegeben hat.“ Das Bürgergeld-Thema ist ein FDP-Thema. Es bedient jenes Klischee, das die liberale Wählerschaft am 23. Februar an die Urne bringen soll. Die FDP dümpelt in aktuellen Umfragen bei vier Prozent.
Lindner führt den Klassenkampf von oben
Christian Linder spricht von jenen Menschen, denen die Sprachkenntnisse und die Ausbildung fehlen, um für den „deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen“. Diese Verweigerer müssten sanktioniert werden. Lindner sagt unmissverständlich: „Wir müssen denen ein Angebot machen, und zwar so verbindlich, dass sie es auch annehmen.“
Hinzu käme aus der Sicht der FDP eine gesetzlich verankerte regelmäßige Meldepflicht. „Niemandem, dem es schlecht geht, verweigere ich die Hilfe. Aber es gibt auch Menschen, die die Solidarität der Steuerzahler missbrauchen.“ Der Liberale führt den Klassenkampf von oben, in der Hoffnung, die Stimme bei den Besserverdienern abzugreifen. Das Vorhaben ist natürlich legitim, aber die Art und Weise doch sehr platt.
„Solidarität hat zwei Seiten“
Im TV-Studio sitzt eine Bürgergeldempfängerin. Die junge Frau mit Kind erklärt, dass immer am Monatsende kein Geld mehr da ist. Der Regelsatz liegt bei 536 Euro plus Wohngeld plus Nebenkosten. Moderator Klamroth möchte von Linder wissen, ob er den Regelsatz für zu hoch hält. Immerhin waren die Liberalen im Grundsatz stets gegen das Bürgergeld.
Lindner will nicht als hartherzig dastehen. Er fragt, ob die junge Frau eine Krankheit habe, weshalb sie nicht arbeiten könne. Moderator Klamroth bejaht. Dann erklärt Lindner diplomatisch: „Solidarität hat zwei Seiten. Von denjenigen, die arbeiten können, darf die Gesellschaft erwarten, dass sie alles tun, um arbeiten zu gehen.“ Ansonsten würde der Warenkorb entscheiden, wie viel Geld einem Empfänger an Sozialleistungen zusteht. Da halte er sich raus.
Linken-Chef: „Zu viele Menschen haben unter Lindner gelitten“
Der ehemalige Bundesfinanzminister hat auch einen konkreten Vorschlag, wie sich die Leistung in Deutschland wieder lohnen kann. Er hat dazu bereits einen Gesetzesentwurf erarbeitet. „Ich habe den Gesetzesentwurf im Finanzministerium. Den habe ich da versteckt“, erklärt Linder und grinst schelmisch. „Den kann ich wieder rausholen.“ Offenbar geht der ehemalige Ampelkoalitionär davon aus, dass er dieses Ministerium in seiner politischen Karriere noch mal von innen sieht.
Bei seinem Vorschlag geht es darum, dass geleistete Überstunden steuerfrei sind. Bislang ist das nur an Sonn- und Feiertagen der Fall. Der Parteivorsitzende der Linken, Jan van Aken, der die Liberalen unlängst als „asozial“ bezeichnet hat, sagt: „Früher waren die Liberalen mal eine liberale Partei.“ Das aber sei lange her. Er wolle nicht, dass die FDP noch mal in den Bundestag einzieht. „Es haben viel zu viele Menschen unter Lindner gelitten.“
Lindner schärft sein Profil
Christian Lindner segelt im Wahlkampf voll auf dem Kurs seiner Klientel. Er weiß, er muss sein ehemaliges Stammpublikum mobilisieren. Seine Strategie ist der Lobgesang des Kapitals. Der Umstand, dass das Vermögen weniger besteuert wird als das Einkommen, rechnet er auf einen Steuersatz von 48 Prozent hoch. Lindner erklärt: „Wenn sich unternehmerische Risikobereitschaft nicht auszahlt, geht es uns allen schlechter.“
Lindner ist in seiner eigenen Partei mittlerweile nicht mehr unumstritten. Er muss liefern. Zuletzt erklärte er sogar, er würde die Sozialleistungen einfrieren, um die Bundeswehr zu finanzieren. Zudem will er das Umweltbundesamt abschaffen. Zur Schärfung seines Profils und jenes seiner Partei setzt er vornehmlich auf Abgrenzung. An diesem Abend bei Louis Klamroth kommt das eher unsympathisch rüber. Aber auch das schärft ein Profil.