"Europa scheitert an eigener Dekadenz" – Leser über verpassten Fortschritt

Im aktuellen Leitartikel "Der ernüchternde Moment: Ich sah in den USA, wo wir meilenweit hinterherhinken" beschreibt FOCUS-online-Autorin Tanit Koch ihre erste Fahrt in einem Robotaxi in Arizona – ein Erlebnis, das auch viele Leser beschäftigt. In den Kommentaren entsteht eine lebhafte Debatte über Europas Rückstand bei Zukunftstechnologien. Einigkeit herrscht darin, dass die USA und China beim autonomen Fahren weiter sind. Uneinigkeit besteht darüber, warum: Die meisten sehen die Ursachen weniger in technischer Schwäche als in politischen und bürokratischen Hürden.

Verteilung der Meinung zu "Leserdebatte: Wie weit hinkt Europa wirklich hinterher?"
Viele Leser teilen die Beobachtung, dass Europa im Bereich autonomes Fahren hinter den USA zurückliegt. Uneinigkeit besteht über die Ursachen. FOCUS Online

Kritik an Bürokratie und Innovationsbremse

18 Prozent teilen Tanit Kochs Eindruck, dass Europa deutlich hinterherhinkt, führen das aber nicht auf technische Defizite, sondern auf politische und bürokratische Hemmnisse zurück. Zu viele Vorschriften, zu wenig Risikobereitschaft und langwierige Genehmigungen seien die wahren Ursachen. Tatsächlich gelten in der EU hohe Anforderungen an Datensicherheit, Haftung und Verkehrssicherheit. In den USA dagegen wird autonomes Fahren in Städten wie Phoenix längst im Regelbetrieb getestet. Die Leser sehen darin keinen Vorsprung an Know-how, sondern an Mut.

"Wir haben dafür Bürokratie, teuerste Energiepreise, Verordnungen, die keiner erfüllen kann, Technologiefeindlichkeit und bestrafen alle, die arbeiten gehen, mit Umverteilung."  Zum Originalkommentar

"Bei der Regulierungswut in Europa und Deutschland werden alle großen Innovationen an uns vorbeigehen. Die Musik spielt heute leider woanders, da bleibt für uns nur ein müdes Lächeln übrig."  Zum Originalkommentar

"Technik, die schnell skalieren kann. Und in den USA nun mal weniger reguliert. Mercedes hat als einziger in Europa eine Lösung für den Straßenverkehr und die breite Mehrheit. Aber solange in D noch über Bargeld diskutiert wird, das Fax geheiligt wird usw., weiß man, wer die wahren Bremser sind – und darf sich über gar nichts wundern."  Zum Originalkommentar

Klage über technologischen Rückstand

Kaum ein Thema bündelt den Frust über den technologischen Stillstand so sehr wie der Vergleich mit den USA. Viele Leser sehen Deutschland als Land, das einst Ingenieurskunst exportierte und heute um digitale Anschlussfähigkeit ringt. Der Rückstand bei Robotaxis gilt ihnen nur als Symptom einer tieferliegenden Schwäche: zu wenig Investitionen, zu wenig Risikofreude, zu viel Verwaltung.

"Wir waren mehrfach in Singapur. Als ich das letzte Mal meine Frau fragte, ob wir noch einmal nach Singapur fliegen wollen, hat sie sich sehr gefreut, um mir nach kurzer Pause zu sagen: Ich bin dann nur so deprimiert, wenn wir nach Deutschland zurückfliegen. Warum? Gegenüber Singapur befindet sich Deutschland in der technischen Steinzeit. Das Land der Erfinder gibt es nicht mehr."  Zum Originalkommentar

"Ich empfehle eine Reise nach China in eine der dortigen innovativen Städte – dann sieht und merkt man, wie weit die USA und noch viel weiter Deutschland hinterherlaufen. USA ist kein Maßstab mehr."  Zum Originalkommentar

"Wir hängen in so vielen Dingen schon meilenweit hinterher. Deswegen ist es ja so verwerflich, unsere Steuergelder im Ausland zu investieren, statt bei uns."  Zum Originalkommentar

Infrastruktur als Robotaxi-Hürde

Ein Teil der Leserschaft weist darauf hin, dass sich die amerikanische Realität nicht eins zu eins übertragen lässt. Phoenix, wo Koch ihr Robotaxi-Erlebnis hatte, gilt mit seinen breiten, geraden Straßen als technisches Paradies. Europäische Innenstädte dagegen bestehen aus engen Gassen, Kreisverkehren und unübersichtlichen Kreuzungen – für Sensoren und Algorithmen ein schwieriger Parcours. Auch die Haftungsfrage bleibt ungelöst: Wer trägt Verantwortung, wenn ein autonomes Fahrzeug einen Unfall verursacht? Die Leser betonen, dass der Rückstand Europas auch geographische und rechtliche Gründe hat – nicht nur politische.

"Europa hat viel zu wenige Straßen und sie sind zu schmal gebaut. Das Schachbrettmuster in den USA macht es Roboter-Taxis dagegen leicht. Das funktioniert in Europas Straßenlabyrinth nicht."  Zum Originalkommentar

"Man darf nicht vergessen, dass US-Städte wie Phoenix eine ganz andere Infrastruktur haben. Da wird viel mehr einfach nur geradeaus gefahren. Ich möchte mir z.B. kein Robotaxi in der Altstadt von Neapel vorstellen."  Zum Originalkommentar

"Hier in Europa sind die Straßen viel enger und unübersichtlicher, damit besteht ein ungleich größeres Potenzial, dass die Robotaxis stecken bleiben und den nachfolgenden Verkehr blockieren. Hinzu kommen die Haftungsfragen. Wer ist strafrechtlich verantwortlich, wenn so ein Robotaxi einen Unfall mit Personenschaden baut?"  Zum Originalkommentar

Sorge um Jobs durch Automatisierung

Andere blicken weniger auf die Technik als auf deren Folgen. Wenn Robotaxis flächendeckend kommen, was geschieht mit den Menschen, die heute Autos steuern, Waren liefern oder Transporte koordinieren? Viele Leser fürchten, dass Automatisierung soziale Schieflagen verschärft. Der technologische Fortschritt, der in den USA Arbeitskräftemangel abfedert, könnte in Deutschland neue Abhängigkeiten von Sozialleistungen schaffen. Die Frage, ob jede Innovation automatisch Fortschritt bedeutet, zieht sich wie ein roter Faden durch diese Kommentare.

"Wieder ein Job weniger für Geringqualifizierte, die dann in die Sozialsysteme wechseln."  Zum Originalkommentar

"Noch mehr arbeitslose Leute hier, da fahren die doch lieber Taxi. Wenn alles diese seelenlosen Maschinen machen, hat niemand mehr was zu tun."  Zum Originalkommentar

"Ist das Fortschritt, wenn man bei ständig wachsender Bevölkerung Jobs durch immer mehr Automatisierung wegfallen lässt? Lass doch den Taxifahrern ihren Job."  Zum Originalkommentar

Skepsis gegenüber autonomer Technik

Einige Leser äußern Zweifel an der Einsatzreife autonomer Fahrzeuge. Genannt werden Sicherheitsrisiken, technische Fehlfunktionen und unklare Verantwortlichkeiten. Zwar gelten die Systeme als lernfähig und kontinuierlich verbessert, doch das Vertrauen vieler bleibt begrenzt. Die Leser sehen den aktuellen Entwicklungsstand als Übergangsphase, in der Zuverlässigkeit und Akzeptanz noch wachsen müssen.

"Mit der heutigen Computertechnik, auch mit KI, wird es kein autonomes Fahren geben. Einmal von schleichenden Taxis, welchen ambitionierten Verkehrssituationen bei hohen Geschwindigkeiten völlig überfordert sind, abgesehen."  Zum Originalkommentar

"Ich halte mich für ziemlich technikaffin, aber ich bin, gerade weil ich seit Jahrzehnten mit Computern (und ihren Fehlern) arbeite, nicht bereit, mein Leben selbstfahrenden Autos im normalen Verkehr anzuvertrauen. Fortschritt sieht für mich anders aus."  Zum Originalkommentar

Vorwurf an deutsche und EU-Entscheidungsträger

Mehrere Kommentare richten sich gegen die politische Steuerung von Innovation. Kritisiert werden fehlende Förderprogramme, lange Entscheidungswege und ein Mangel an Priorisierung von Zukunftstechnologien. Während internationale Wettbewerber den Ausbau automatisierter Mobilität aktiv vorantreiben, werde in Deutschland vor allem reguliert und geprüft. Branchenverbände fordern seit Längerem eine koordinierte Digitalstrategie und schnellere Verfahren. 

"Die EU ist halt mit Moral und Klima beschäftigt, da ist keine Zeit für moderne Technik und Forschung und Fortschritt."  Zum Originalkommentar

"Bei uns werden Autos und moderne Technik abgeschafft. Die Regierung will Billerbü und Lastenräder."  Zum Originalkommentar

"Wer in Asien war, insbesondere China, weiß wohin die Reise geht. Für Europa in Richtung Deindustrialisierung und Rückschritt und für 'rest of world' – vor allem Asien – Fortschritt, Wohlstand und Dominanz. Europa scheitert an seiner eigenen Dekadenz."  Zum Originalkommentar

Sonstiges

Neben sachlicher Kritik finden sich auch ironische und distanzierte Stimmen. Einige Leser kommentieren die Begeisterung über die Robotaxi-Erfahrungen humorvoll, andere zeigen Resignation über den langsamen Fortschritt.

"Die Deutschen sind allerdings massenweise Liebhaber der autonomen Rasenmäher. Die werden drüben eher selten eingesetzt. Wer versteht das?"  Zum Originalkommentar

"Wenn an keinen "schlimmeren" Punkten hinterherhinken als im "Fahrvergnügen" von Robotaxis, bin ich beruhigt."  Zum Originalkommentar

Diskutieren Sie mit! Sind Europas Hürden für Robotaxis hausgemacht oder sind die USA einfach das bessere Testfeld? Denken Sie, dass Bürokratie, politische Prioritäten oder unsere Infrastruktur größere Barrieren sind – oder halten Sie das gesamte Thema Robotaxis für überschätzt? Schreiben Sie uns Ihre Meinung und mischen Sie sich in die Debatte ein!

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