Supervulkan in Italien: Forscher finden Möglichkeit, Erdbeben vorherzusagen

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Der an der ISS angebrachte Sensor misst die Temperaturunterschiede am Supervulkan. © INGV

Forschende haben eine Möglichkeit entdeckt, wie Erdbeben am Supervulkan in Italien aus dem Weltall heraus vorhergesagt werden können.

Pozzuoli/Neapel - Seit mehr als zwei Jahren terrorisiert der Supervulkan der Phlegräischen Felder bei Neapel in Süditalien rund eine halbe Million Einwohner der Roten Zone der Caldera. Die Beben werden immer heftiger, die Schäden immer größer. Und Experten warnen, dass noch schlimmere Beben folgen werden – sogar Tote werden befürchtet. Offizielle Stellen erwarten aber derzeit keinen Ausbruch. Manche Experten und Expertinnen warnen hingegen schon vor einer möglicherweise bevorstehenden Eruption des riesigen Vulkans.

Neben der Hafenstadt Pozzuoli (76.255 Einwohner) ist auch der Westen der Metropole Neapel (937.242 Einwohner) betroffen und somit Städte, die auch gerne bei einem Urlaub in Italien angesteuert werden. Hunderte Menschen sind schon obdachlos geworden, weil ihre Häuser eingestürzt sind. Nun besteht die Hoffnung, dass Erdbeben in den Phlegräischen Feldern künftig vorhergesagt werden können – was bisher als unmöglich galt. Eine von Forschenden des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanforschung INGV durchgeführte Studie schlägt vor, die Wärmedaten der Internationalen Raumstation ISS zur Warnung vor Erdbeben im Phlegräischen Gebiet zu nutzen.

Internationale Raumstation nimmt den Supervulkan im Süden Italiens ins Visier

Eine in der Fachzeitschrift Remote Sensing Letters veröffentlichte INGV-Studie mit dem langen Titel  „Ein neuartiger Algorithmus zur Wärmeüberwachung mithilfe von ECOSTRESS-Zeitreihen: der Fall der Phlegräischen Felder, Neapel, Italien“ schlägt die Nutzung von Wärmebildern der Internationalen Raumstation (ISS) vor. Mit dem Sensor im All kann man dem INGV zufolge erhebliche Temperaturschwankungen erkennen, die starken Erdbeben in den Phlegräischen Feldern vorausgehen.

Die Methode nutzt Daten, die vom ECOSTRESS-Instrument gesammelt wurden. Das ist ein auf der ISS installierter Sensor der Nasa, der die Oberflächentemperatur mit einer räumlichen Auflösung von etwa 70 Meter bei häufigen Überflügen über das Gebiet in einem Zeitraum von etwa drei Tagen schätzen kann. Die INGV-Forschenden erstellten zwei Temperaturreihen, die zwischen 2021 und 2024 aus Wärmebildern zweier Gebiete des Solfatara-Kraters erstellt wurden, der für seine Schwefelquellen bekannt ist. Gewählt wurden die Bocca Grande am westlichen Kraterrand und die Fangaia, wo die heißen Quellen brodeln.

Italienische Forschende finden heraus: Kurz, bevor die Erde bebt, wird sie heißer

„Der Temperaturunterschied zwischen den beiden Gebieten wurde mit zwei unterschiedlichen statistischen Methoden analysiert, sodass die erkannten Anomalien mit den wichtigsten in dem Gebiet aufgezeichneten seismischen Ereignissen verglichen werden konnten“, heißt es in einer Pressemitteilung des INGV.

Die Temperaturen wurden aus dem All an zwei Stellen der Solfatara gemessen.
Die Temperaturen wurden aus dem All an zwei Stellen der Solfatara gemessen. © INGV

Weiter wird berichtet „Wir haben anomale Temperaturschwankungen in der Emissionszone von Solfatara festgestellt, die einigen stärkeren Erdbeben vorausgingen, und zwar mit einer Vorlaufzeit von einigen Tagen bis zu einigen Wochen“, erklärt Alessandro Piscini, INGV-Forscher und Erstautor des Artikels.

Italienisches Institut erhofft sich Bebenvorhersagen, die bislang unmöglich erschienen

Das erstaunliche Ergebnis: „Am 17. Mai 2024 beispielsweise ging ein Temperaturanstieg von fünf Grad Celsius dem Erdbeben der Stärke 4,4 um drei Tage voraus.“ Bei dem Erdstoß der Stärke 4,2 am 27. September 2023 lag der am 21. September beobachtete Temperaturanstieg demnach sogar über sieben Grad Celsius. Die statistische Methode zeigte ebenfalls Temperaturanomalien für diese beiden Beben auf, die am 12. April 2024 bzw. am 6. September 2023 auftraten.

Das Diagramm zeigt die Temperaturanstiege im Verhältnis zu den Bebenstärken. © ingv

Bei einer Vergleichsstudie am ebenfalls vulkanisch entstandenen Lago Mefite 80 Kilometer weiter östlich im Landesinneren wurden ähnliche Ergebnisse festgestellt: „Einige thermischen Anomalien wurden ein bis wenige Wochen vor und nach den großen seismischen Ereignissen rund um den See beobachtet“, heißt es.

Beunruhigend ist für die Phlegräischen Felder: „Darüber hinaus hat der Durchschnittswert der Temperaturdifferenz in den letzten Jahren zugenommen, was mit der Zunahme anderer bereits in der Region beobachteter Signale übereinstimmt.“ Damit ist neben den immer stärker werdenden Beben der steigende Anstieg des Bodenniveaus um 1,40 Meter seit 2005 in der Mitte der Caldera sowie die wachsenden Kohlendioxidemissionen gemeint, die mittlerweile besorgniserregend sind. 

Wann die neue Vorhersage-Methode in Italien angewandt wird, ist noch unklar

Cristiano Fidani, INGV-Forscher und Co-Autor der Studie, resümiert: „Die durch zwei verschiedene statistische Analysen hervorgehobenen Temperaturanomalien machen uns zuversichtlicher hinsichtlich des möglichen Zusammenhangs zwischen den Oberflächentemperaturschwankungen und der seismischen Aktivität in der Region.“ Wann und ob die Methode in der Praxis genutzt werden kann, darüber gibt es allerdings keine Angaben. Immerhin ist Italien an der ISS beteiligt.

Am dampfenden Solfatarakrater wurden vor Starkbeben erhöhte Temperaturen vom All aus gemessen.
Am dampfenden Solfatarakrater wurden vor Starkbeben erhöhte Temperaturen vom All aus gemessen. © IMAGO/Dreamstime

Kürzlich hatten Forschende in Bebenwellen Muster entdeckt, die einen Ausbruch des Vulkans ankündigen könnten. Fischer hatten zudem kürzlich von unter Wasser durch Thermalquellen gekochten Fischen berichtet.

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