Agri-PV - Der große Energie-Kniff, der Deutschlands Bauernhöfe retten kann
Nicht erst seit den sogenannten Bauernprotesten zu Beginn des Jahres ist klar: Landwirtinnen und Landwirte stehen unter Druck. Die konventionelle, Boden ausbeutende Form der Landwirtschaft gerät an ihre Grenzen, nicht zuletzt wegen einer immer schärferen Klima-Gesetzgebung auf europäischer und nationaler Ebene.
Denn die Landwirtschaft in ihrer derzeitigen Form ist enorm klimaschädlich: Nach Angaben des Umweltbundesamts war der Agrarsektor im Jahr 2023 für insgesamt 52,2 Millionen sogenannte CO2-Äquivalente verantwortlich, das entspricht knapp acht Prozent des gesamten deutschen Ausstoßes von Treibhausgasen. Als besonders problematisch gelten die Viehhaltung, die große Mengen Methan ausstößt, sowie das Düngen der Böden mit Stickstoffen, das klimaschädliches Lachgas freisetzt.
Vor dem Gewinn stehen die Kosten
Die Umstellung auf umweltfreundlichere Methoden, etwa die Böden schonende regenerative Landwirtschaft, hat bislang jedoch nur ein kleiner Teil der deutschen Agrarbetriebe in Angriff genommen. Denn der Wandel ist teuer und riskant.
Zwar zeigte eine Studie des Naturschutzbundes Deutschlands (NABU) und der Boston Consulting Group (BCG) bereits Anfang 2023, dass landwirtschaftliche Betriebe ihre Gewinne um bis zu 60 Prozent steigern können, wenn sie auf regenerative Methoden umstellen. Die Kosten für Betriebsmittel sind geringer, die Böden sind gesünder und somit ertragreicher, die Ernten sind besser vor den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels geschützt. Doch der Weg dorthin ist zunächst mit Kosten verbunden.
Einfache Fläche, zweifacher Nutzen
Jetzt aber zeigt eine Studie von BCG und des Agrarkonzerns Baywa einen Weg, wie sich die Umstellung finanziell schultern lässt: Mit einem neuen Nebenverdienst. Die Installation sogenannter Agri-Photovoltaik-Anlagen, auch Agri-PV genannt, kann einem mittelgroßen Betrieb 55.000 bis 75.000 Euro zusätzlichen Gewinn pro Jahr einbringen, heißt es in der Untersuchung.
Bei der sogenannten Agri-PV handelt es sich grob gesagt um Solarpanels, die auf Feldern stehen. Auf diese Weise kann die Fläche doppelt genutzt werden: Einerseits zur Stromerzeugung, andererseits zum landwirtschaftlichen Anbau. Die Anlagen haben außerdem den Vorteil, dass sie den Früchten und Pflanzen unter sich einen Schutz bieten vor Hagel oder übermäßiger Sonneneinstrahlung.
„Eine zusätzliche Einnahmenquelle“
Die Anlagen liefern außerdem stabile Erträge, heißt es in der Studie - die sich dann wieder für Investitionen nutzen lassen. „Auch wenn die Gewinne im ersten Jahr etwas niedriger sind, erhalten die Höfe von Anfang an eine zusätzliche Einnahmenquelle“, heißt es in der Studie. Denn die Landwirte können entweder eine Pachtgebühr von Solar-Projektentwicklern für die Bereitstellung der Fläche verlangen, sie können den erzeugten Strom verkaufen - oder sie können ihn einfach selbst nutzen und somit ihre Stromrechnung senken.
Die Studie skizziert auch einen weiteren Vorteil: Agri-PV-Anlagen harmonieren sehr gut mit den Methoden der regenerativen Landwirtschaft. Die Solarpanels schützen nicht nur den Boden, direkt unter den Modulen entstehen außerdem Flächen mit erhöhter Biodiversität, auf denen zum Beispiel Wildblumen und Insekten ein Zuhause finden. Diese Diversität hilft nicht nur den Böden und somit dem Ertrag, sie nutzt auch dem Klima.
Darf es auch ein Windrad sein?
Trotz allem bleiben auch Fallstricke, warnen die Autorinnen und Autoren der Studie. Je nach Lage des Hofes lohnt sich die Installation einer Agri-PV-Anlage eventuell nicht, weil die Sonneneinstrahlung zu gering ist. Regulatorische und rechtliche Hürden können den Prozess komplizierter gestalten als gedacht. Bei Extremwetter besteht das Risiko von Schäden an den Anlagen. Und: Projektpartner aus dem Solarbereich stehen trotz des Solar-Booms der letzten Jahre notorisch auf finanziell wackligen Füßen und können unvermittelt ausfallen.
Trotz allem ist das Potenzial groß, schlussfolgert die Studie. Die ersten großen Agri-PV-Projekte sind in Deutschland derzeit in der Umsetzung: Etwa der „Klimapark Steinhöfel“ in Brandenburg, der auf einer Fläche von 500 Hektar bis zum Jahr 2026 Europas größtes Agri-PV-Feld schaffen will. Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen auch einen Blick nach Frankreich: Dort stellen die ersten Landwirtinnen und Landwirte bereits Windräder auf ihre Flächen.
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