Unglaubliche Panne: Trump-Regierung lädt versehentlich Reporter in hochsensiblen Kriegs-Chat ein
Geheime Pläne enthüllt: Ein US-Journalist stolpert versehentlich in einen geheimen Regierungschat – mit brisanten Details zu Militärschlägen im Jemen.
Washington – Viele Menschen würden wohl gerne einmal hinter die Kulissen der politischen Entscheidungsfindung blicken. Genau das war dem Chefredakteur des US-Magazins The Atlantic Mitte März möglich – allerdings ungewollt. Aus Versehen wurde er zu einem geheimen Chat mit US-Vizepräsident JD Vance und Verteidigungsminister Pete Hegseth hinzugefügt, die gerade Militärschläge planten.
Gebets-Emojis in geheimem US-Chat über Militärangriff auf die Huthi-Miliz im Jemen
Dank zahlreicher Hollywood-Filme glauben viele eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, wie politische Entscheidungsträger Angriffspläne ausarbeiten. Wie es – zumindest in der zweiten Amtszeit des US-Präsidenten Donald Trump – tatsächlich abläuft, lässt sich dank einer Panne im Weißen Haus nun recht gut nachvollziehen. J.D. Vance, Verteidigungsminister Hegseth und Außenminister Marco Rubio schreiben teils nonchalant in einem Signal-Gruppenchat über Militäroperationen, inklusive Gebets-Emojis, Schimpftiraden gegen Europa und eines ungewollten Leaks zwei Stunden vor dem Angriff. Aber der Reihe nach.
Atlantic-Chefredakteur Jeffrey Goldberg schildert am Montag (24. März), wie er am 11. März auf der Messaging-App Signal eine Kontaktanfrage von einem Nutzer namens Michael Waltz erhielt. Er sei nicht davon ausgegangen, dass es sich um den echten nationalen Sicherheitsberater von Donald Trump handelte, habe die Anfrage aber dennoch angenommen, so Goldberg. Zwei Tage später wurde er dann der Signal-Chatgruppe „Houthi PC Small Group“ hinzugefügt.
Neben Vance, Hegseth und Rubio waren auch Finanzminister Scott Bessent und Tulsi Gabbard, die Direktorin der Nationalen US-Geheimdienste in dem Chat. Goldberg ging zunächst davon aus, dass es sich unmöglich um die tatsächlichen Regierungsmitglieder handeln könne. Der Reporter vermutete eine Art Desinformationskampagne oder einen Betrugsversuch dahinter, den Chat verfolgte er jedoch weiterhin.
Geheime Debatte: Vance und Hegseth diskutieren Militärschlag im Jemen
Am 14. März begannen in der Gruppe politische Diskussionen über das Für und Wider eines Militärschlags auf die Huthi-Miliz im Jemen. JD Vance warf ein, er glaube, der Angriff sei ein Fehler: „Drei Prozent des US-Handels laufen über den Suezkanal. 40 Prozent des europäischen Handels. Es besteht die reale Gefahr, dass die Öffentlichkeit dies nicht versteht und nicht versteht, warum es notwendig ist.“
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Damit wich der Vizepräsident in dem geheimen Chat der Linie von Trump ab – obwohl er öffentlich bislang bei allem zugestimmt hatte. „Ich bin mir nicht sicher, ob dem Präsidenten bewusst ist, wie sehr dies seiner aktuellen Europa-Aussage widerspricht“, so Vance weiter. Außerdem bestehe das Risiko eines moderaten Anstiegs der Ölpreise. Die Gruppe debattiert weiter, Zuspruch bekommt Vance grundsätzlich von Hegseth. Der US-Verteidigungsminister plädiert aber darauf, nicht mehr zu warten. Die Nachricht könnte durchsickern „und wir wirken unentschlossen“, lautet einer seiner Einwände.
Wenig später schreibt Vance: „Wenn du meinst, wir sollten es tun, dann los. Ich hasse es einfach, Europa schon wieder aus der Patsche helfen zu müssen.“ Hegseth antwortet: „Vizepräsident: Ich teile Ihre Abneigung gegen europäische Trittbrettfahrerei voll und ganz. Es ist erbärmlich. Aber [...] wir sind die Einzigen auf dem Planeten [...], die das können. Niemand sonst kommt auch nur annähernd heran. Die Frage ist der Zeitpunkt. Ich denke, jetzt ist ein ebenso guter Zeitpunkt wie jeder andere, angesichts der Anweisung des Präsidenten, die Schifffahrtswege wieder zu öffnen.“
Hegseth schickt geheime Pläne mit genauen Zielen, eingesetzten Waffen und Ablauf des Angriffs
Dann werden die im Chat enthaltenen Daten so brisant, dass Goldberg sie auch nachträglich nicht veröffentlichen kann, ohne aktive Geheimagenten zu entlarven oder Militärpersonal zu schaden. Nur so viel: Ein weiteres Update von Hegseth enthält genaue Informationen zu den Zielen, den dabei verwendeten Waffensystemen und dem exakten zeitlichen Ablauf der Militäroperation. Vance antwortet darauf: „Ich werde für den Sieg beten“, worauf zwei Nutzer die Nachricht mit einem Gebets-Emoji versehen. Die ersten Einschläge im Jemen sollen demnach um 13.45 Ostküstenzeit (19.45 Uhr deutscher Zeit) beginnen, heißt es.
Kurz darauf kamen Berichte über Detonationen in Sanaa, der jemenitischen Hauptstadt, wie der Altantic-Chefredakteur feststellte. Das überzeugte ihn schließlich, dass die Unterhaltung echt war. „Ich dachte nicht, dass es real sein könnte. Dann begannen die Bomben zu fallen“, schrieb er. Der nationale Sicherheitsberater der USA, Michael Waltz teilte kurz darauf weitere Entwicklungen in der Gruppe und sprach von „erstaunlicher Arbeit“ und versah einen Kommentar darauf mit drei Emojis: einer Faust, einer US-Flagge und Feuer. Nach Huthi-Angaben waren bei dem massiven US-Militäreinsatz am 15. März gegen die vom Iran unterstützte Miliz 53 Menschen getötet und knapp hundert weitere verletzt worden.
Signal-Debatte im Visier: Mögliche rechtliche Verstöße im geheimen Chat
Goldberg verließ die Gruppe daraufhin. Seinen Angaben nach schien niemand seine Anwesenheit bemerkt zu haben. Im Anschluss wendete sich der Reporter mit Fragen an Waltz, Hegseth und andere hochrangige Beamte, die Mitglieder des Chats waren. Brian Hughes, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, bestätigte die Authentizität des Chatverlaufs. „Wir prüfen, wie versehentlich eine Nummer hinzugefügt wurde“, so Hughes und behauptete, der Nachrichtenverlauf sei ein „Beweis für die intensive und sorgfältige politische Abstimmung zwischen hochrangigen Beamten“.
Laut dem Atlantic-Chefredakteur waren die Chat-Nachrichten teils so eingestellt, dass sie sich nach einiger Zeit selbst löschten. Das könnte gegen das US-Bundesarchivgesetz verstoßen haben. Möglicherweise habe Waltz durch die Koordination einer sicherheitsrelevanten Aktion über Signal zudem gegen das Spionagegesetz verstoßen, so die Einschätzung mehrere Anwälte gegenüber Atlantic. Der demokratische Politiker Chris Coons schrieb auf der Plattform X, jeder einzelne der Regierungsmitarbeiter in dem Chat „hat nun eine Straftat begangen“. „Unsere nationale Sicherheit befindet sich in den Händen kompletter Amateure“, kommentierte die demokratische Senatorin Elizabeth Warren (bme).