„Die jungen Frauen wollen nicht mehr“: Nach fast 60 Jahren löst sich eine Institution im Dorf auf
In Endlhausen geht eine Ära zu Ende: Der Frauenverein wird offiziell aufgelöst. Vorsitzende Marianne Remy blickt auf Jahrzehnte voller Sport, Ausflüge und Freundschaften zurück.
Egling– Endlhausen hat gerade mal 653 Einwohner. Trotzdem hielt dort über viele Jahrzehnte hinweg eine kleine Gemeinschaft wacker zusammen: der Turnverein Endlhausen, der im Jahr 2008 in Frauenverein umbenannt wurde. Doch nun naht das Ende: Am 12. August treffen sich die Mitglieder in der Osteria Casa Toscana, um den traditionsreichen Verein aufzulösen: „Ich bin nicht traurig darüber“, sagt die Vorsitzende Marianne Remy. „Ich bin gesundheitlich ziemlich angeschlagen und kann einfach nicht mehr.“
„Unglaublich, was wir alles gemacht haben“
Remy war lange die treibende Kraft hinter dem Verein. Sie war 50 Jahre Vorsitzende und Schriftführerin und sogar 53 Jahre Kassierin. „Es ist schon unglaublich, was wir alles gemacht haben“, sagt sie mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte. Dabei hat es 1968 ganz klein angefangen. Eine lose Vereinigung von Frauen traf sich unter der Leitung von Anita Linke von April bis Oktober einmal wöchentlich zur Gymnastik im Turnraum des Schullandheims. Der damalige Endlhauser Bürgermeister Valentin Gröbmair schlug vor, dass die Frauen einen Verein gründen – und dies machten sie auch.
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Verein vor dem Aus gerettet
Ab 1971 fanden die Gymnastikstunden in der Lehrküche der Landwirtschaftsschule im Keller des ehemaligen Schulhauses statt. „Da waren lauter Küchengeräte drin, die uns im Weg umgegangen sind“, sagt Remy, die 1970 nach Endlhausen gezogen und dem Verein beigetreten ist. „Bei einem Bauern habe ich immer frische Milch geholt“, erinnert sich die gebürtige Münchnerin. „Da hat mich die Bäuerin angesprochen, ob ich Lust hätte, beim Turnen mitzumachen.“ Remy fackelte nicht lange: „In München hab‘ ich ja auch Skigymnastik gemacht.“
Anstieg der Mitgliederzahl
1975 zog Linke nach Sindelsdorf, dem Verein drohte die Auflösung. Dies wollte Marianne Remy nicht akzeptieren: „Davor hatte man mir bereits die Vereinskasse aufs Auge gedrückt, jetzt übernahm ich noch den Rest. Sprich: die Rolle der Vorsitzenden und Schriftführerin. Sie suchte und fand eine neue Gymnastiklehrerin. Die Mitgliederzahl stieg auf 36 an.
Sport und Ausflüge
1997 wurde die Endlhauser Schule aufgelöst, weil in Egling eine neue, große Schule gebaut wurde. Die Turnerinnen zogen ins ehemalige Klassenzimmer im ersten Stock, wo sie mehr Bewegungsfreiheit hatten. Wenige Monate später stand die Gemeindeauflösung bevor. Remy bat Bürgermeister Josef Brunner, dass die Gemeinde Endlhausen noch zwei Sprossenwände finanziert. „Eine schöne Zeit“, erinnert sich Remy. „Wir haben nicht nur Gymnastik gemacht. Den Sommer über sind wir Radl gefahren, haben Bergtouren gemacht, sind miteinander spazieren, schwimmen oder kegeln gegangen, haben Minigolf gespielt, sind ins Theater und zum Eisschlecken gefahren.“
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Legändere Nacht in Piding
Was war das schönste Erlebnis in all den Jahrzehnten? Marianne Remy muss nicht lange überlegen: der Jubiläumsausflug nach Piding im Juni 1998 im Sporthotel Neubichler Alm. „Da war zufällig eine Hochzeit, sonst hätten wir nicht so lang aufbleiben dürfen.“ Die Frauen machten eine Fackelwanderung zu einer Hütte im Wald. Dort verbrachten sie einen Grillabend und hatten einen Riesenspaß mit einem Alleinunterhalter. Dann ging’s zurück ins Hotel: „Um 4 Uhr morgens sind wir noch immer zusammengesessen“, erzählt Remy lachend. Die Mitglieder hätten darauf gedrängt, dass der nächste Ausflug wieder ins Sporthotel führt: „Aber ich habe gesagt: Das kommt überhaupt nicht infrage, so schön kann’s kein zweites Mal werden.“ Die weiteste Reise führte die Frauen nach Berlin, wo sie von Ilse Aigner empfangen wurden. Remy schwärmt: „Das war alles so viel mehr als Turnen.“
Altersschnitt stieg kontinuierlich
Im Jahr 2008 wurde der Turnverein in Frauenverein umbenannt, der Altersdurchschnitt der Mitglieder stieg kontinuierlich an. Es gebe zwar jede Menge Nachwuchs, sagt die Vorsitzende. „Aber die jungen Frauen wollen mit der Vereinsmeierei nichts mehr zu tun haben.“ Die Gymnastikstunden würden stundenweise gebucht, ähnlich wie in der Volkshochschule. An diesen Gymnastikstunden beteiligen sich nur noch zwei Frauen. „Die anderen sind zu alt“, sagt Remy. „Es geht einfach nicht mehr.“ Und auch sonst habe sich viel geändert: „Ich habe noch immer Brieferl geschrieben und ausgetragen, heutzutage verständigen sie sich mit WhatsApp.“
Abschied mit Geschenken
Als Abschiedsgeschenk erhalten die verbliebenen Mitglieder ein Buch, den Rest des Vereinsvermögens soll eine Palliativstation erhalten. Marianne Remy freut sich jedoch sehr, dass sich die Frauen auch nach der Vereinsauflösung einmal monatlich zu einem Stammtisch treffen wollen.