Südkoreas Präsident soll aus Haft freikommen – die Staatskrise ist jedoch noch nicht vorbei

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Schon in wenigen Tagen könnte Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol aus der Haft entlassen werden. Ihm droht aber weiterhin lebenslanges Gefängnis.

Es ist die jüngste Wende in der Staatskrise, die Südkorea seit Monaten nicht zur Ruhe kommen lässt: Am Freitag wurde der Haftbefehl gegen Yoon Suk-yeol, Südkoreas entmachteten Präsidenten, überraschend aufgehoben. Um Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu beseitigen, erscheine es „angemessen“, die Untersuchungshaft aufzuheben, erklärte das zuständige Gericht in der Hauptstadt Seoul. Yoons Anwälte hatten den Antrag vergangenen Monat mit der Begründung eingereicht, die Staatsanwaltschaft habe den Präsidenten einen Tag nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Frist angeklagt.

Yoon wird allerdings erst aus der Haft entlassen, wenn die Staatsanwaltschaft binnen sieben Tagen keine Berufung gegen die Entscheidung einlegt. Der 64-Jährige war Mitte Januar festgenommen worden, nachdem er sich zuvor wochenlang und mithilfe seiner Sicherheitskräfte den Ermittlungsbehörden widersetzt hatte.

„Die Entscheidung des Gerichts, die Verhaftung aufzuheben, zeigt, dass die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land noch lebendig ist“, teilten Yoons Anwälte am Freitag mit. Von der oppositionellen Demokratischen Partei (DP) hieß es, die mögliche Entlassung Yoons dürfe nicht mit einem Freispruch verwechselt werden. „Diese Gerichtsentscheidung hat nichts mit dem Amtsenthebungsverfahren des Verfassungsgerichts gegen Yoon Suk-yeol zu tun“, sagte DP-Sprecher Han Min-soo. „Es wird keine Auswirkungen haben.“

Ausrufung des Kriegsrechts: Südkoreas Präsident Yoon stürzt das Land in eine Krise

Yoon hatte Südkorea Anfang Dezember mit seiner einsamen Entscheidung, das Kriegsrecht auszurufen, in politisches Chaos gestürzt. Sechs Stunden und eine kurzfristig einberufene Parlamentssitzung später hatte Yoon das Kriegsrecht zwar wieder zurückgenommen; seitdem aber haben sich die Gräben zwischen den politischen Lagern in Südkorea weiter vertieft.

Yoon Suk-yeol hatte seine Entscheidung damit begründet, die oppositionelle DP, die seit rund einem Jahr über eine Parlamentsmehrheit verfügt, mache ihm das Regieren unmöglich. Weiter hatte Yoon behauptet, die DP sei von Nordkorea unterwandert; zudem warf er dem Regime von Diktator Kim Jong-un vor, die Wahlen manipuliert zu haben. Beweise für seine Behauptungen legte Yoon nicht vor.

Mitte Dezember enthob das südkoreanische Parlament, auch mit Stimmen von Yoons regierender People Power Party, den Präsidenten seines Amtes. Ob die Amtsenthebung aufrechterhalten wird oder Yoon in sein Amt zurückkehren kann, wurde in den letzten Wochen vor dem südkoreanischen Verfassungsgericht verhandelt, eine Entscheidung könnte schon in den kommenden Tagen fallen. Sollte das Gericht für die Amtsenthebung stimmen, müssten die Südkoreaner binnen 60 Tagen einen neuen Präsidenten wählen, gute Chancen hat Umfragen zufolge Oppositionsführer Lee Jae-myung.

Unterstützer von Yoon Suk-yeol demonstrierten am Freitag vor der Haftanstalt, in der Südkoreas entmachteter Präsident einsitzt.
Unterstützer von Yoon Suk-yeol demonstrierten am Freitag vor der Haftanstalt, in der Südkoreas entmachteter Präsident einsitzt. © Jung Yeon-je/AFP

Yoon drohen weiterhin lebenslange Haft – und theoretisch die Todesstrafe

In einem weiteren Verfahren muss sich Yoon im Zusammenhang mit der Ausrufung des Kriegsrechts wegen Aufruhr verantworten; ihm drohen lebenslange Haft oder theoretisch sogar die Todesstrafe, die in Südkorea aber seit Jahren nicht mehr vollstreckt wird. Auch wenn Yoon in sein Amt zurückkehren sollte, besäße er in dem Strafverfahren keine Immunität.

Zuletzt waren am vergangenen Wochenende in Seoul rund 150.000 Menschen auf die Straße gegangen, bei mehreren Kundgebungen hatten sie für beziehungsweise gegen Yoon protestiert. Auch an diesem Wochenende werden in Südkoreas Hauptstadt wieder Großdemonstrationen erwartet. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup Korea, die an diesem Freitag veröffentlicht wurde, unterstützen 60 Prozent der Befragten eine Amtsenthebung von Yoon.

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