Autoindustrie warnt vor Zoll-Eskalation – EU sollte von Gegenzöllen absehen
Die EU denkt über Vergeltungsmaßnahmen im Handelsstreit gegen die USA nach, die Industrie warnt: Das könnte vor allem für deutsche Hersteller nach hinten losgehen.
Washington/Brüssel – Der Handelsstreit um Strafzölle zwischen den USA und der EU steuert einem vorläufigen Finale entgegen: Seit April erhebt die US-Regierung unter Präsident Donald Trump zusätzliche Zölle von 25 Prozent auf importierte Kraftfahrzeuge, die nicht in den USA produziert wurden.
Der 79-Jährige begründet die Maßnahme mit angeblichen Ungleichgewichten im Handel und droht sogar mit weiteren Zöllen von bis zu 30 Prozent, sollte es bis zum 1. August keine Einigung mit dem europäischen Staatenbündnis geben.
Deutsche Autoindustrie warnt vor Eskalation im Handelskonflikt mit den USA
Das Problem aus deutscher Sicht: Hiesige Autobauer sind zwischen die Fronten geraten. Für die Automobilindustrie sind die Folgen offenbar schon jetzt deutlich spürbar: „Die Belastungen durch die US-Strafzölle gehen inzwischen in die Milliardenhöhe“, erklärt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Die Zusatzkosten beziehen sich auf den Zeitraum seit April, als die Trump-Administration die Zölle in die Höhe schraubte.
Müller mahnt in dem Bild-Bericht: „Gegenzölle dürfen die eigene Industrie nicht belasten. Bei etwaigen Gegenmaßnahmen der EU ist zu bedenken, dass circa zwei Drittel der Autoexporte aus den Vereinigten Staaten in die EU von deutschen Herstellern stammen.“ Die Funktionärin fordert von Brüssel ein „strategisch kluges Agieren“ und warnt vor einem vergifteten Gegenzoll-Wettlauf mit den Vereinigten Staaten.
Gegenzölle auf US-Fabrikate wären ein Bumerang für die deutsche Wirtschaft
Die EU prüft als Reaktion auf die US-Maßnahmen eigene Gegenzölle auf amerikanische Automobilprodukte. Doch Experten und Branchenvertreter sehen das kritisch. Der Grund ist die starke Verstrickung deutscher Autobauer mit den USA:

„Reagiert die EU-Kommission mit Gegenzöllen auf automobile Produkte aus den USA, so würden die Kosten – allein für die Hersteller – pro Prozentpunkt Zollsatz um weitere rund 100 Millionen Euro pro Jahr steigen“, rechnet Müller vor.
Das Problem: Die Mehrheit der importierten Fahrzeuge, die aus den USA nach Europa kommen, würden von deutschen Marken wie BMW oder Mercedes-Benz stammen. Auch der Chef der Münchner Premiummarke schlägt deswegen Alarm.
EU und USA im Clinch: Befürworten Merz und Macron den Kurs von Brüssel?
Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Amtskollege Emmanuel Macron setzen zunächst auf Verhandlungen. Die Devise: Erst reden, dann reagieren. „Das Inkrafttreten von Gegenmaßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt hält er nicht für geeignet“, erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius jüngst. Dennoch müsse die EU vorbereitet sein, falls die Gespräche scheitern. Generell stehe man „hinter den Vorschlägen der Kommission“.
Der interessante Unterschied: Während die deutsche Automobilindustrie mit dem US-Markt verflochten ist, spielt dieser für französische Autokonzerne kaum eine Rolle. Das dürfte einer der Gesprächspunkte sein, über den sich die beiden Regierungschefs aktuell austauschen.
Strategische Gegenmaßnahmen in Richtung USA: EU hat mehrere Optionen
So ist hauptsächlich die deutsche Autobranche besonders verwundbar für politische Entscheidungen auf beiden Seiten des Atlantiks. Prinzipiell ist die EU keineswegs machtlos, wenn es um die Verhandlungen mit den USA geht. Sogar eine „nukleare Option“ wird in Betracht gezogen, bei einem möglichen Gegenschlag gegen die Großmacht aus Übersee:
Neben klassischen Gegenzöllen gibt es „brutale Optionen“ – etwa gezielte Maßnahmen gegen US-Tech-Konzerne oder Agrarprodukte. Rechtlich hat die Europäische Kommission also große Möglichkeiten - und ein potenziell „brutales Druckmittel“. (PF)