Merz-Plan für Arbeitszeiterfassung und Ende des Acht-Stunden-Tags: „Wir sind doch nicht in 1995“
Neben flexibleren Arbeitszeiten plant die Koalition eine Pflicht zur digitalen Zeiterfassung. Ein Branchenkenner sagt, wann es damit losgehen könnte.
Acht Stunden Arbeit am Tag und nur in Ausnahmefällen ein bisschen mehr: Das ist derzeit der Standard in Deutschland. Geht es nach Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seiner schwarz-roten Koalition, soll die bisher gültige tägliche Höchstarbeitszeit allerdings wegfallen – zugunsten einer Arbeitszeit-Höchstgrenze pro Woche.
Die Regierung wolle „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Arbeitnehmer könnten dann beispielsweise statt fünfmal acht Stunden in der Woche auch vier Zehn-Stunden-Tage arbeiten, um auf ihr Soll zu kommen.
Parallel dazu hat sich die Regierung vorgenommen, eine „Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten“ einzuführen. Eine generelle Pflicht für Unternehmen, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter zu erfassen, gibt es bereits seit 2022. Bislang geschehe das aber bisweilen auf eher altmodische Art und Weise, kritisiert Frederik Neuhaus im Interview mit IPPEN.MEDIA: Gerade kleinere Unternehmen „arbeiten oft mit Zetteln oder Excel-Dateien“, sagte der Chef der Zeiterfassungsfirma clockin. „Man glaubt es nicht. Wir sind doch im Jahr 2025 und nicht 1995.“

Verpflichtende Zeiterfassung: „Wichtig bei flexibleren Arbeitszeiten“
Das Problem laut Neuhaus: „Viele Angestellte arbeiten deutlich mehr als vereinbart, der Gesundheitsschutz durch Ruhepausen wird vernachlässigt. Das ist auch wichtig bei nun kommenden flexibleren Arbeitszeiten.“ Neuhaus weiter: „In den meisten Betrieben gleichen sich Mehr- und Minderstunden aus. Wichtig ist die Augenhöhe zwischen den Parteien. Die Politik sollte elektronische Erfassung vorschreiben – manuelle Zettelwirtschaft ist 2025 nicht mehr zeitgemäß.“
Während Arbeitgeber diese Flexibilisierung mehrheitlich begrüßen, warnen Arbeitnehmervertreter vor Gesundheitsrisiken durch zu lange Arbeitstage. Die Mehrheit der Deutschen ist für eine Neuregelung. So befürworteten in einer Yougov-Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur 38 Prozent der Befragten die Pläne der Bundesregierung, eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit einzuführen. Jede(r) Fünfte (20 Prozent) lehnt dagegen den Vorstoß ab, 37 Prozent sehen ihn neutral.
Arbeitszeiterfassung: „Oft haben die lautesten Meckerer etwas zu verbergen“
Frederik Neuhaus von clockin geht davon aus, dass die Pflicht zur digitalen Zeiterfassung „innerhalb des nächsten Jahres kommt. Größere Unternehmen werden zuerst wohl verpflichtet, kleinere erhalten längere Umsetzungsfristen.“ Sorgen, die Zeiterfassung könnte zu einer verstärkten Überwachung der Mitarbeiter führen, tritt er im Interview mit IPPEN.MEDIA entgegen: „Als Kommunikationsmittel auf Augenhöhe ist Zeiterfassung sinnvoll. Sie zeigt nur Start- und Endzeiten – keine Überwachung. Oft haben die lautesten Meckerer etwas zu verbergen.“ (as/sh)