Nicht nur wegen Verlusten im Ukraine-Krieg: Neue Krise droht – auch über mögliches Kriegsende hinaus
Das Bevölkerungswachstum der Ukraine gibt Anlass zur Sorge – nicht erst seit den Verlusten im Ukraine-Krieg. Der Trend bedroht auch die Zukunft des Landes.
Kiew – Tagtäglich sterben unzählige Soldaten im Ukraine-Krieg – auf beiden Seiten. Regelmäßig informiert der Generalstab der Ukraine über die russischen Verluste im Ukraine-Krieg. Inzwischen sollen etwa 885.130 Soldaten getötet oder verletzt worden sein. Über die eigenen Zahlen wird in der Regel geschwiegen – mutmaßlich, um nicht die Moral der Truppe zu gefährden. Allerdings ist klar, dass die Einheiten von Präsident Wolodymyr Selenskyj ebenfalls auf verlustreiche Jahre zurückblicken. Und das könnte für das Land künftig zu einem gravierenden Problem werden – auch über das Ende des Ukraine-Kriegs hinaus.
Auch wegen Verlusten im Ukraine-Krieg: Bevölkerung der Ukraine schwindet
Seit nunmehr drei Jahren hat der Ukraine-Krieg das Leben der Menschen in dem von Kämpfen zerrütteten Land fest im Griff. Dennoch bemüht sich Präsident Selenskyj unermüdlich darum, bei westlichen Partnern um weitere Hilfe und Waffenlieferungen zu werben. Gegenwärtig sieht er sich allerdings mit der Kehrtwende der US-Politik konfrontiert: Donald Trump zeigte in den vergangenen Tagen mehr als deutlich, dass die US-Unterstützung künftig keine Selbstverständlichkeit mehr für die Verteidiger sein wird. Auch die sichere Versorgung bei der Kommunikation mit Hilfe von Musks Starlink ist nicht mehr garantiert.
Doch Selenskyj steht im Ukraine-Krieg nicht nur vor Problemen bei den Waffenlieferungen. Die Verluste im Ukraine-Krieg an der Front übersteigen seit dem Beginn der Kämpfe die Zahl der Geburten deutlich. Da die Zahl der Todesfälle dreimal höher ist als die der Geburten, weist die Ukraine die höchste Sterberate weltweit auf, während die Geburtenrate zu den niedrigsten gehört. Und dies könnte auf lange Sicht zur nächsten Krise für die Regierung der Ukraine werden: zu einer demografischen.
Verluste im Ukraine-Krieg treiben demografische Krise der Ukraine an
Doch die Ukraine kämpft nicht erst seit Beginn des Ukraine-Kriegs mit einem demografischen Problem. In den vergangenen 25 Jahren ist die Bevölkerung um etwa ein Fünftel gesunken: von 50,9 Millionen im Jahre 1996 auf 41,4 Millionen im Jahre 2022. Das schreibt das Statistische Bundesamt. Hinzu kommt, dass der Frauenanteil bereits vor dem Ukraine-Krieg überdurchschnittlich hoch ausfiel.
Seit drei Jahren wird die demografische Krise zusätzlich nicht nur von den Verlusten im Ukraine-Krieg beschleunigt: Etwa sieben Millionen Menschen flohen ins Ausland. Wie die britische Times schreibt, seien viele davon Frauen im gebärfähigen Alter. Die Zeitung mutmaßt deshalb: Sollte der Trend weitergehen, könnte die Bevölkerungszahl im Jahr 2051 nur noch 25 Millionen betragen. Eine Entwicklung, die mutmaßlich in Kiew mit Besorgnis registriert wird. Schon jetzt sollen Fruchtbarkeitsbehandlungen in der Ukraine gefördert werden, in der Hoffnung, so mehr Geburten zu fördern.
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Mögliches Ende im Ukraine-Krieg: Demografische Krise bleibt
Dieser Tage wird im Zusammenhang mit der Lage im Ukraine-Krieg immer wieder über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs gesprochen. In der kommenden Woche sind Gespräche in Saudi-Arabien geplant, bei denen Vertreter der USA und der Ukraine mit Russland über eine mögliche Waffenruhe sprechen wollen. Auch US-Präsident Trump plant einen Besuch in Riad. Für den Fall, dass zeitnah Frieden in der Ukraine erreicht werden könnte, würde die demografische Krise für die Nation bleiben.
Unklar ist gegenwärtig, ob und wie viele Geflüchtete wieder in das Land zurückkehren. Dieser Tatsache sei sich auch die Regierung in Kiew bewusst, erklärte Olga Tokariuk im Ukraine-Forum des Thinktanks Chatham House. Im schlimmsten Fall rechnet die ukrainische Regierung damit, dass bis zu 3,3 Millionen Ukrainer niemals zurückkehren werden, so Tokariuk.
Verluste im Ukraine-Krieg erschweren Wiederaufbau nach Ende des Kriegs
Die Folgen für die Ukraine wären durch die demografische Krise gewaltig: Nach den Verlusten im Ukraine-Krieg und der flächendeckenden Zerstörung würde dies den Wiederaufbau des Landes massiv erschweren. Und auch die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine würde nach dem Ende des Ukraine-Kriegs durch einen massiven Arbeitskräftemangel ausgebremst werden.
Gegenwärtig scheint der Widerstandswille der Ukrainer ungebrochen – trotz drei Jahren Ukraine-Krieg. Eine aktuelle Studie, über die auch die FAZ berichtete, zeigt, eine große Mehrheit der Ukrainer ist weiterhin nicht bereit für ein Kriegsende die russische Kontrolle ihres Landes zu akzeptieren. Doch mit sinkenden Zukunftsaussichten könnte auch diese Haltung schwinden. Insbesondere, wenn die Lage an der Ukraine-Front sich weiter verschlechtert. Zuletzt gab es zunehmend Berichte darüber, dass Russland in Kursk immer weiter vorrückt und so einen territorialen Verhandlungspunkt der Ukraine negiert. Das berichtete unter anderem CNN.
Ende des Ukraine-Kriegs: Weiterer Bevölkerungsrückgang erwartet
Sollte es zeitnah zu einem Ende des Ukraine-Kriegs kommen, würde dem ukrainischen Arbeitsmarkt theoretisch eine große Gruppe junger Männer, die gegenwärtig Kriegsdienst leisten, zur Verfügung stehen. Allerdings befürchten Experten, dass sich jetzt getrennte Familien dazu entschließen könnten, künftig nicht in der Ukraine zu leben – falls sich die Wirtschaft des Landes nur langsam erholt. Ella Libanowa vom Institut für Demografie und Probleme der Lebensqualität in Kiew analysiert in ihrer Untersuchung aus dem Sommer 2024, dass die Ukraine so weitere 1–1,5 Millionen junge, gut ausgebildete Männer verlieren könnte.
Kombiniert mit den Verlusten im Ukraine-Krieg und der sinkenden Fertilitätsrate prognostiziert sie – selbst unter idealen Bedingungen – einen weiteren Bevölkerungsrückgang. Je länger der Ukraine-Krieg andauert, desto weitreichender könnten allerdings die Folgen für das Bevölkerungswachstum werden. Dass weitere Kriegsflüchtlinge das Land verlassen, gilt als wahrscheinlich.
Problem für Selenskyj: Bevölkerung der Ukraine schwindet – Prognose für Ukraine-Krieg
Die demografische Krise der Ukraine scheint sich immer weiter zum unaufhaltsamen Problem zu entwickeln, auf das die Regierung nur bedingt Einfluss nehmen kann. Selenskyj wirbt seit knapp drei Jahren um Unterstützung, die zuletzt immer mehr zu schwinden drohte. Dabei könnte fehlende Unterstützung das Bevölkerungsproblem der Ukraine weiter verschärfen: „Ohne die Amerikaner wird es sehr schwierig“, sagte der Militärexperte Franz-Stefan Gady zuletzt gegenüber dem Spiegel. Er vermutet, dass die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg weitere Ukrainer zur Flucht veranlassen könnte. „Es wird dann unwahrscheinlich, dass das Land noch einen Kriegswinter übersteht.“ (fbu)