Jede(r) Fünfte in Rente armutsgefährdet: In diesen Bundesländern ist die Lage besonders schlimm

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Neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, wie unterschiedlich die Armutsgefährdung in Deutschland ist. Die Opposition blickt neidisch ins Nachbarland.

Berlin – Trotz immer wieder steigender Renten ist in Deutschland fast ein Fünftel aller Menschen ab 65 Jahren armutsgefährdet. Das ergeben neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erfragt hat und der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA vorliegen. 19,4 Prozent aller Menschen über 65 Jahren waren 2024 von Armut gefährdet. Doch es gibt große Unterschiede zwischen Regionen und Geschlechtern.

Altersarmut: NRW, Hessen und Frauen besonders betroffen

Über 3,4 Millionen ältere Menschen bekamen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung, sie galten also als armutsgefährdet. 2021 lag dieser Anteil ebenfalls bei 19,4 Prozent, in den Folgejahren sank er auf 18,3 Prozent. 2024 dann wieder der Anstieg. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich zwischen Frauen und Männern. Während im letzten Jahr „nur“ 17 Prozent der Männer armutsgefährdet waren, lag die Quote unter Frauen bei 21,4 Prozent. Frauen befinden sich öfter in prekären Situationen, auch weil sich Erziehungs- und Versorgungsleistungen nicht in finanzieller Absicherung widerspiegeln.

Große Unterschiede gibt es außerdem zwischen den Bundesländern. Zwar hat das Statistische Bundesamt nicht von jedem Land Zahlen über den Mikrozensus erfasst, es fehlen Bremen, das Saarland und Hamburg, andere Länder sind nur teilweise angegeben. Die Daten geben aber dennoch interessante Einblicke. Die höchste Armutsgefährdung älterer Menschen gab es in Mecklenburg-Vorpommern (21,9 Prozent) und in Hessen (21,8). Besonders in Hessen stieg die Armut innerhalb eines Jahres stark an. Frauen ab 65 Jahren waren 2023 noch zu in 21,7 Prozent der Fälle von Armut gefährdet, 2024 wuchs die Quote auf 24,5 Prozent an, fast jede vierte Frau galt also als armutsgefährdet.

Wagenknecht fordert Rentengipfel mit Merz und Wüst

Ebenfalls hoch lag die Quote in NRW, mit 21,7 Prozent aller älteren Menschen wuchs die Armutsgefährdung im Vergleich zum Vorjahr (20,8 Prozent) deutlich. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht zeigt sich angesichts dieser Zahlen empört. „Neuer Rekord bei der Altersarmut in NRW. Über 800.000 Armutsrentner in NRW sind eine traurige Entwicklung“, sagte Wagenknecht unserer Redaktion – mit dem Hinweis, dass Altersarmut Frauen besonders trifft.

Sahra Wagenknecht im Interview
BSW-Chefin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht fordert einen Rentengipfel im Kanzleramt. © picture alliance/Bernd von Jutrczenka

Wagenknecht fordert kurz vor den Kommunalwahlen deshalb Taten von NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst (CDU). „Der Ministerpräsident sollte sich mehr für seine Rentnerinnen und Rentner einsetzen und einen Rentengipfel im Kanzleramt verlangen. Dabei sollte Schwarz-Rot die Rentenpolitik unserer Nachbarn übernehmen. In Österreich ist die Durchschnittsrente 800 Euro höher. Was Österreich kann, muss auch Deutschland können.“ Tatsächlich sind die gesetzlichen Renten in Österreich höher. Insgesamt zahlen Land und Menschen dort anteilig aber auch deutlich mehr ins Alterssicherungssystem ein.

Rente – Deutschlands Armutsproblem im europäischen Vergleich

Unterdurchschnittliche Gefährdungsquoten haben die Bundesländer Baden-Württemberg (15,9 Prozent), Schleswig-Holstein (18,2), Sachsen (17,5), Thüringen (16,9) und Bayern (18,6). Überraschend dabei: Die sonst in vielen Fragen der wirtschaftlichen Stärke oder niedrigen Gesamtrenten klare Abgrenzung zwischen Ost und West ist in der Armutsgefährdungsquote so nicht ersichtlich. Altersarmut ist ein deutschlandweites Phänomen und Problem.

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Die Zahlen zeigen aber auch: Die Armutsquoten stiegen seit 2021 in einigen Ländern zwar an (BaWü, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Rheinland-Pfalz), sanken in anderen aber auch (Brandenburg, Berlin, Bayern, NRW, Sachsen-Anhalt, Thüringen). Im EU-Vergleich liegt Deutschland in Sachen Armutsbedrohung nahe am Durchschnitt. Deutlich niedrigere Armutsgefährdungsquoten haben etwa die Niederlande oder Finnland.

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