Viele Fragen zum Anschlag in Moskau: Terror-Experte stellt Lage beim IS-Ableger klar

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Der Anschlag auf Besucher eines Konzerts nahe Moskau wirft auch für Westeuropa viele Fragen auf. Ein Terror-Experte versucht, einige von ihnen zu klären.

Moskau – Während Wladimir Putin noch über eine Involvierung der Ukraine in den Anschlag auf eine Konzerthalle nahe Moskau sinniert, nimmt man in Europa die Bekennerschreiben eines Ablegers aus dem Terrornetzwerk des „Islamischen Staats“ ernst. Experten sehen ein neuerliches Erstarken islamistischer Terrororganisationen. Nicht zuletzt wegen des anhaltenden Kriegs im Gazastreifen.

Mutmaßliche Attentäter von Moskau laut Terror-Experte Teil von gefährlichstem IS-Ableger

Mit Blick auf den Anschlag auf die Crocus City Hall am vergangenen Freitag, 22. März, stellen sich in dieser Hinsicht viele die Fragen: Was ist das für eine Gruppe, die unter dem Namen „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) agiert? Welche Gefahr geht davon für Deutschland aus? Und warum haben sich die Attentäter bei dem Angriff auf die Konzerthalle nicht in die Luft gesprengt?

Ein mutmaßlich an dem Attentat auf ein Konzerthalle in Moskau beteiligter Mann wird in Moskau in den Gerichtssaal gebracht.
Ein mutmaßlich an dem Attentat auf eine Konzerthalle bei Moskau beteiligter Mann wird in den Gerichtssaal der russischen Hauptstadt gebracht. Experten sehen eine wachsende Gefahr durch islamistischen Terror in ganz Europa. © Alexander Zemlianichenko/dpa

Antworten dazu gibt unter anderem Peter Neumann, Terrorismus-Experte und Professor für Security Studies am King's College in London. Seiner Einschätzung nach handelt es sich bei dem in Afghanistan verwurzelten ISPK um einen „sehr aktiv, sehr ambitioniert und sehr aggressiv“ auftretenden Ableger des „Islamischen Staats“, erklärte Neumann gegenüber dem BR. Während andere Gruppen, etwa im Irak und Syrien, mit sich selbst kämpfen würden, sei der ISPK als einziger dazu in der Lage, Angriffe im Ausland zu starten.

Bei dem ISPK handelt es sich um dieselbe Gruppe, die auch einen Anschlag auf den Kölner Dom im Dezember 2023 geplant haben soll. Außerdem sollen die beiden vergangene Woche in Gera festgenommen mutmaßlichen Terroristen dem ISPK angehören. Sie hatten offenbar einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant.

Terror-Experte sieht islamistischen Terrorismus wieder auf dem Vormarsch

Allgemein sieht Neumann den islamistischen Terror wieder auf dem Vormarsch. Seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem sich anschließenden Krieg im Gazastreifen habe es eine neuerliche islamistische Mobilisierung auch in Westeuropa gegeben. So habe es allein seit dem 7. Oktober mehr versuchte Terroranschläge gegeben als im ganzen Jahr 2022. „Die größte, aktuelle terroristische Bedrohung in Deutschland, in Europa, ist jetzt wieder von der islamistischen, von der dschihadistischen Seite“, sagte Neumann dazu gegenüber dem Deutschlandfunk.

Aufklärung von Terror-Experte über IS auch auf Sozialen Medien

Auch in den Sozialen Medien ist Neumann aktiv, um über die neue Gefahr des islamistischen Terrorismus aufzuklären und Falschinformationen entgegenzuarbeiten. Auf seinem X-Profil beantwortet er auch Fragen aus der Community. Zum Beispiel, warum die Attentäter sich nicht selbst in die Luft gesprengt haben, sondern im Anschluss an das Massaker geflüchtet sind.

Laut dem Experten gibt es hinsichtlich der Aktionen des IS Unterschiede in deren Abläufen. So werde in der Planung zwischen Märtyrer- und Kommando-Operationen unterschieden. Bei ersteren gehe es gezielt darum, sich bei dem Attentat selbst zu töten. Hingegen bei den Kommando-Operationen sei der Ausgang für die Täter offener. Dabei werde so lange getötet, bis sie selbst von Sicherheitskräften erschossen würden oder ihnen die Flucht gelänge. So wie etwa der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, der erst auf seiner Flucht in Italien getötet wurde.

Anschlag bei Moskau laut Terror-Experte sogenannte Kommando-Operation

Letzteres ist den mutmaßlichen Attentätern von Moskau offenbar gelungen. Sie wurden laut offiziellen Angaben von russischen Sicherheitskräften in der Region Brjansk gestellt. Dass es sich bei dem Attentat vom Wochenende um eine „Kommando-Operation“ des IS handelt, macht Neumann an einer speziellen Formulierung in einem der Bekennerschreiben fest, wonach sich die Angreifer „anschließend in ihre Basen zurück[gezogen]“ hätten. Dem Spezialisten nach eine typische Formulierung des „Islamischen Staat“.

Und auch dem im Netz verbreiteten Theorie, bei einem den Bekennerschreiben beigefügten Foto würden die Terroristen den falschen, nämlich den linken Zeigefinger recken, weshalb es sich gar nicht um „echte“ Islamisten handeln würde, widerspricht Neumann. Anhand einer ganzen Reihe von Bildern anderer IS-Kämpfer zeigt er, dass es sich dabei einfach um Fehler ihrerseits handelt und es mindestens nicht alleine als Erklärung einer wie auch immer gelagerten Verschwörung dienen kann. (pkb)

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