„500 Jahre Zwölf Artikel“: Festakt mit Bundespräsident Steinmeier und Ministerpräsident Söder
Memmingen feiert 500 Jahre Zwölf Artikel mit einem Festakt in St. Martin. Steinmeier und Söder würdigen die historische Bedeutung der Freiheitsrechte.
Memmingen – Mit einem feierlichen Festakt in der Memminger Kirche St. Martin wurde das Event- und Gedenkjahr „500 Jahre Zwölf Artikel“ offiziell eröffnet. Hochrangige Vertreter aus Politik und Gesellschaft, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder, ehrten die Bedeutung der Zwölf Artikel, die zu den frühesten Forderungen nach Freiheitsrechten in Europa zählen. Die Veranstaltung wurde von rund 1.000 Ehrengästen besucht, während weitere 1.000 Interessierte den Livestream in den Sozialen Medien verfolgten.
500 Jahre Zwölf Artikel: Gedenkjahr in Memmingen feierlich eröffnet
Die Zwölf Artikel, im März 1525 in der Memminger Kramerzunft verfasst, gelten als eine der ersten dokumentierten Forderungen nach Grundrechten. Sie waren der Auslöser einer Freiheitsbewegung, die sich im Frühjahr und Frühsommer 1525 wie ein Lauffeuer über ganz Süd- und Mitteldeutschland ausbreitete.
„Wir sind stolz auf dieses kostbare Erbe unserer Stadt, auf die Zwölf Artikel, die in ihrer Botschaft ‚Mir wöllet frei sein‘ bis heute nichts an Aktualität verloren haben. Freiheit und Gerechtigkeit sind immer noch nicht selbstverständlich“, hob Oberbürgermeister Jan Rothenbacher bei der Begrüßung der Gäste in St. Martin hervor. „Die Zwölf Artikel erinnern uns daran, dass eine Gesellschaft nur dann stark ist, wenn alle an ihr teilhaben können, wenn Macht nicht missbraucht wird und wenn Gerechtigkeit keine Frage der Herkunft, des Geschlechts oder des Einkommens ist.“
Steinmeier und Söder würdigen Bedeutung der Freiheitsrechte
„Salopp gesagt: Am Anfang war das Wort, und das kam aus Memmingen“
„Im März 1525 schrieb der Verfasser der Zwölf Artikel hier in Memmingen: Aus der Heiligen Schrift ergibt sich, „dass wir frei sind und sein wollen“. Dass wir es bleiben, liegt heute in unser aller Hand!“, betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Festansprache. „Begegnen wir den Bedrohungen von Freiheit nicht mit Gleichgültigkeit. Die Freiheitsgeschichte, die hier von Memmingen ausging, verpflichtet uns: Das späte Erbe, das wir genießen dürfen, das Erbe der Aufständischen von 1525, das dürfen wir niemals wieder aus der Hand geben!“
Memmingen sei damals, im Zeitalter der Reformation, der Ausgangspunkt eines Massenaufstands für Freiheit und Recht gewesen, wie es ihn in West- und Mitteleuropa bis zur Französischen Revolution nicht mehr geben sollte, so der Bundespräsident. Er unterstrich die Bedeutung der Zwölf Artikel auch in der heutigen Zeit: „Die Erinnerung an die Orte, Akteure, Ideen und Ereignisse unserer Freiheitsgeschichte ist in dieser unruhigen Zeit wichtiger denn je. Denn wir erleben ja gerade, dass die freiheitliche Demokratie bedroht und angegriffen wird – im Innern ebenso wie von außen und mit einer Wucht, die viele von uns nicht für möglich gehalten hatten.“
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Eröffnung der Bayernausstellung durch Ministerpräsident Söder
Ministerpräsident Dr. Markus Söder eröffnete die Bayernausstellung „Projekt Freiheit – Memmingen 1525“ des Hauses der Bayerischen Geschichte, die im Dietrich-Bonhoeffer-Haus zu sehen ist und das historische Ereignis sowie seine Auswirkungen eindrucksvoll darstellt. „Die Zwölf Artikel der schwäbischen Bauernschaft waren die frühesten bekannten Forderungen nach grundlegenden Freiheitsrechten. In ihnen werden Prinzipien wie Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe formuliert. Memmingen hat Weltgeschichte geschrieben. Eine Idee, die einmal geboren ist, kann man nicht mehr einsperren. Sie bildet die Grundlage unserer heutigen Demokratie“, sagte Söder in seiner Ansprache.
„Freiheitsrechte reloaded“ der Memminger Lindenschule
Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Schulprojekt „Freiheitsrechte reloaded“, in dem die Schülerinnen und Schüler der Lindenschule, Charlie, Saad, Besjana, Ronja, Yll, Ceylin und Leonard, gemeinsam mit den Lehrkräften Franziska Raindl und Matthias Frankenberger die Zwölf Artikel in eine moderne Sprache übertrugen. Die Jugendlichen formulierten zeitgemäße Freiheitsrechte, darunter „Jeder darf in der Gesellschaft mitbestimmen“, „Jeder darf innerhalb der Regeln frei sein“, „Jeder darf die Natur achtsam nutzen“ und „Jeder darf für seine Arbeit gerecht entlohnt werden“. Mit ihrer kreativen Umsetzung anhand von Plakaten mit Symbolen, die sie mit der Memminger Künstlerin Pia Kaltenbrunn erarbeitet hatten, verdeutlichten sie, dass die zentralen Forderungen von vor 500 Jahren bis heute nichts an Relevanz verloren haben.
Gesprächsrunde zu Demokratie und Freiheit
In einer Gesprächsrunde mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, und Markus Blume, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, wurde der Wert der Freiheit und Demokratie hervorgehoben. „Die Zwölf Artikel markieren einen der wichtigsten Schlüsselmomente der deutschen Demokratiegeschichte. Zugleich stehen sie mit den darauffolgenden Bauernkriegen für das Leid und die vielen Opfer, die das Ringen um eben diese Rechte in unserem Land gefordert haben“, so Claudia Roth.
Kunstminister Markus Blume betonte, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit sei, sondern eine Errungenschaft. Die Bauern von 1525 wären Pioniere der Menschenrechte, denn ihr Ruf nach Freiheit sei wegweisend gewesen – und sei bis heute eine Mahnung! „Denn auch in unserer Zeit müssen wir unsere Freiheit verteidigen – gegen Spaltung und Hass, gegen Extremismus, gegen Angriffe auf unsere plurale Demokratie. Die Lehre der Zwölf Artikel ist klar: Wer Freiheit schützen will, muss für sie eintreten.“
Die Moderation des Festakts übernahmen Dekanin Claudia Schieder und Dekan Christoph Schieder, Sprecher des Kuratoriums „Memminger Freiheitspreis 1525“. Sie erinnerten daran, dass die Zwölf Artikel auf Bibelworte Bezug nehmen und somit eine tiefe gesellschaftspolitische Dimension besitzen. „1525 hätten die Bauern nie zu träumen gewagt, dass 500 Jahre später ihre Forderungen als Meilensteine der Demokratiegeschichte gewürdigt werden“, so die Dekane.
Musikalisch gestaltet wurde der Festakt vom Bläserchor St. Martin unter der Leitung von Rolf Spitz, von Kirchenmusikdirektor Hans-Eberhard Roß an der Orgel sowie vom Konzertchor St. Martin und den Akademischen Schlossbläsern Bad Wurzach unter der Gesamtleitung von Hans-Eberhard Roß.
Den Festakt gibt es auch online unter https://www.youtube.com/watch?v=J7iKUfsmiog zu sehen.
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