Brennerautobahn vor Verkehrskollaps? Experten streiten über Maßnahmen – „Wird Einschränkungen geben“

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Verstopfte Autobahnen und lange Wartezeiten am Brenner sorgen für Frust bei Urlaubern. Künftig könnte das zum Normalzustand werden, fürchten Verkehrsexperten.

Bozen – Frust und Resignation war die dominierende Gefühlslage vieler Menschen, die sich zuletzt auf den Weg in den Süden machten. Bis zu zweieinhalb Stunden Stop-and-Go-Verkehr mussten Italien-Reisende auf den verstopften Autobahnen am Brenner über sich ergehen lassen. Der Grund für den enormen Stau an der Grenze zwischen Österreich und Italien waren die von den italienischen Behörden wieder eingeführten Kontrollen.

Fritz Gurgiser, der Leiter der alpinen Bürgerrechtsorganisation „Transitforum Austria“, die sich für erträgliche Bedingungen auf den Transitstrecken einsetzt, glaubt, dass sich sowohl Urlauber als auch Einheimische und Fernfahrer an das Bild von schier endlos scheinenden Blech-Lawinen gewöhnen müssen.

Viel befahrene Route über den Brenner ist baufällig – „Müssen wir akzeptieren“

Gurgiser, unter anderem ehemaliger Abgeordnete des Tiroler Landtags, setzt sich seit Jahren für den Schutz von Luft und Lärm in der stark befahrenen Region ein. „Der Krug ist voll“, äußerte er kürzlich gegenüber der Südtiroler Tageszeitung.

„Wenn wir es nüchtern betrachten, müssen wir akzeptieren, dass die Straßen und Brücken von Innsbruck bis Bozen allesamt in den nächsten zehn Jahren zu sanieren sind“, erklärte Gurgiser in einem exklusiven Interview mit dem Südtiroler Nachrichtenportal. Die Konsequenz: Stau rund um den Brenner, vor allem aus Richtung Österreich.

Richtung Italien reiht sich eine lange Schlange an Fahrzeugen auf der Brennerautobahn A22. (Symbolfoto/Collage)
Die Autofahrt nach Italien erforderte zuletzt jede Menge Geduld. Am Brenner staute sich der Verkehr kilometerweit – sieht so die Zukunft auf der A22 aus? (Symbolfoto/Collage) © Imago

„Da heißt es, es wird Einschränkungen geben. Egal, ob wir auf die Lueg- oder die Europabrücke oder auf Südtiroler Seite auf die ewig anhaltenden Baustellen auf dem Brenner blicken. Der Transitverkehr wird dann nicht mehr wie gewohnt verkehren können“, warnt der engagierte Bürger und Verkehrsexperte.

Verkehrschaos am Brenner: Handelskammer fordert Aufhebung von Nachtfahrverbot

Der Brenner-Streit zwischen den Alpenländern tobt seit Jahren. Mit Ausnahme der Corona-Jahre 2020 und 2021 sind seit über einem Jahrzehnt konstant mehr als 25 Millionen Fahrzeuge über die Transit-Autobahn gerollt, wie die Handelskammer Bozen unter Berufung auf das Wirtschaftsforum (WIFO) berichtet.

Laut den Südtirol News verzeichnete die Region 2023 einen Rekord im PKW-Verkehr. Experten warnen daher seit Langem vor einem Verkehrskollaps, insbesondere auf der A22. Lokale Medien berichten, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die Situation dürfte sich ab 2025 noch verschärfen, wenn die Strecke aufgrund von Bauarbeiten an der sanierungsbedürftigen Luegbrücke auf eine Spur reduziert wird.

Der Blick auf die sanierungsbedürftige Luegbrücke in Tirol von unten (Stand: 16. Februar 2024).
Ab 2025 soll an der Luegbrücke, auf der eine Brennerautobahn entlangführt, saniert werden. Für Italien-Urlauber und Autofahrer auf die Durchreise wird das extreme Folgen haben, befürchten Experten. © Ulrich Wagner/Imago

Die Handelskammer Bozen rechnet damit, dass die Einschränkungen mindestens zweieinhalb Jahre andauern werden. Sie spricht sich daher dafür aus, das Nachtfahrverbot für den Schwerverkehr aufzuheben. „Durch eine Abschaffung des Nachtfahrverbots würde sich der Transitverkehr nicht auf die Tagesstunden beschränken, in denen zusätzlich auch viele Pkw auf der Autobahn verkehren“, so Handelskammerpräsident Michl Ebner.

Verkehrsexperte sieht Logistik in der Pflicht, um Brenner-Lage zu entschärfen

Gurgiser kann diesem Vorschlag überhaupt nichts abgewinnen. Er macht die Speditionen für den maroden Zustand rund um den Brenner verantwortlich. „Sie haben es geschafft, die Straßen durch ihre Überlastung frühzeitig zu ruinieren“, kritisiert er den LKW-Verkehr, obwohl dieser 2023 leicht zurückgegangen ist. In einem Informationsblatt schreibt er, „dass rund 90 bis 95 Prozent der Straßenschäden von den schweren Lastern verursacht“ werden.

„Diese Brücken und Autobahnen, sowohl nördlich als auch südlich des Brenners, wurden in den 60ern und 70ern gebaut. Sie waren niemals für eine Frequenz von 2,5 Millionen LKWs angedacht.“ Er hält es für unvermeidlich, dass die Logistik größtenteils auf die Schienen umsteigt und die Strecken in absehbarer Zeit saniert werden. Die aktuelle Situation zeigt bereits: „Kaum kommt es zur kleinsten Behinderung, entsteht ein kilometerlanger Stau, das ist ja nicht normal.“

Für ihn ist es keine Option, den Schwerverkehr auf die Normalstraße umzuleiten, um die Situation zu entspannen. „Diese Alternative existiert nicht“, so Gurgiser zur Südtiroler Tageszeitung. Zuletzt gab es jedoch Kritik vonseiten Brüssels an der Vorgehensweise Österreichs im Brenner-Streit.

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