In den USA lässt sich aktuell ein Trend beobachten, der die klassische 40-Stunden-Arbeitswoche in Frage stellt. Doch wie man zunächst annehmen könnte, soll die Stundenanzahl nicht verringert werden, im Gegenteil: Wie das Business-Portal "Fast Company" erläutert, setzen diverse amerikanische KI-Startups inzwischen auf die 72-Stunden-Woche.
Statt 9-to-5 heißt das von neun bis 21 Uhr, an sechs Tagen der Woche. Die sogenannte "996"-Kultur hat ihren Ursprung wohl in China, aber auch bekannte Unternehmer wie Elon Musk fördern seit langem eine Arbeitsmoral mit hoher Opferbereitschaft ihrer Mitarbeiter. Bei Tesla sagte er einst ironisch, sei eine Arbeitszeit von 80 Stunden nachhaltig.
72-Stunden-Woche: KI-Startups suchen "obsessive" Mitarbeiter
"Bestimmte Mitarbeiter, insbesondere jüngere Arbeitnehmer, begrüßen dieses Maß an intensivem Engagement sogar, insbesondere wenn zusätzliche Bezahlung oder Anreize angeboten werden", erklärt Karriereexperte Keith Spencer die Anziehungskraft dieses Modells.
Das in New York City ansässige KI-Startup Rilla proklamiert diese Subkultur laut "Washington Post" direkt in ihrer Stellenanzeige: Personen, die keine Lust auf 70 Stunden pro Woche haben, sollen sich erst gar nicht bewerben.
Laut Spencer sei der Trend besonders bei KI-Startups zu beobachten, die "diesen Ansatz verfolgen, um das Wachstum zu beschleunigen und auf globaler Ebene wettbewerbsfähig zu bleiben". Sie würden nach Arbeitnehmern suchen, die "obsessiv" und "süchtig" nach diesem Workload sind.
Startup-Arbeitstrends bergen gesundheitliche Risiken
Die extremen Arbeitszeiten führen bereits zu massiven Burnout-Wellen in der KI-Branche: Laut einer Umfrage des Arbeitsforums "Blind" berichten fast 60 Prozent der Tech-Arbeitnehmer von Symptomen wie Erschöpfung und Angstzuständen. KI-Entwickler sind besonders betroffen. "Das Rennen um KI treibt Ingenieure an ihre Grenzen – viele arbeiten 70+ Stunden und fühlen sich trotzdem hinterher", warnt Tech-Analyst Gergely Orosz gegenüber CNBC.
Die WHO belegt das: Über 55 Stunden pro Woche erhöhen das Herzinfarkt-Risiko um 35 Prozent. In den USA gibt es keine Obergrenze für Arbeitszeiten – nur Mindestlohnregelungen. Alexandr Wang, CEO von Scale AI, sieht den Trend bei CBNC kritisch: "Das ist das Patentrezept für Burnouts und Klagen".
Gegenentwurf Europa: 4-Tage-Woche im Test
Während US-KI-Firmen die 72-Stunden-Woche pushen, testen europäische Unternehmen wie die niederländische Firma Basecamp laut "HR Morning" erfolgreich die 4-Tage-Woche mit 32 Stunden – bei gleicher Produktivität. In Deutschland fordert IG Metall genau diesen Ansatz für die Autoindustrie.