Trump fordert in den Ukraine-Verhandlungen bislang keine Kompromisse von Putin. Das freut Russlands Machthaber und stärkt ihn. Eine Analyse.
Wladimir Putin beschrieb einst seine KGB-Ausbildung in der zynischen Kunst, einen Besucher zu manipulieren. „Man muss diese Person zu einem Verbündeten machen“, sagte er. „Man muss dieser Person das Gefühl geben, dass sie und du etwas verbindet, dass ihr gemeinsame Ziele habt.“ Diese Fähigkeiten sind gegen Donald Trump – und besonders gegen seinen leichtgläubigen Friedensgesandten Steve Witkoff – mit so außergewöhnlichem Erfolg eingesetzt worden, dass Putin nun auf eine Win-win-Wette setzen kann.
Wenn Trump es schafft, die Ukraine in ein Friedensabkommen zu drängen, das russischen Bedingungen folgt, dann wäre dies offensichtlich ein Erfolg für Putin. Sollte hingegen Wolodomyr Selenskyj diesem Druck widerstehen, würde Trump wahrscheinlich aus dem Konflikt aussteigen und die verbleibende Unterstützung Amerikas für die Ukraine aufgeben. Auch das wäre ein Sieg für Putin und bestätigt die strategische Raffinesse, mit der der Kreml die Lage einschätzt.
Trumps absurde Verhandlungsposition gegenüber Putin
Es entzieht sich jeder rationalen Erklärung, doch Trump hat eine einzigartig absurde Verhandlungsposition im Ukraine-Krieg eingenommen: die Kunst des „Schmucks“ statt die Kunst des „Deals“. Seine Botschaft an Putin lässt sich in etwa so zusammenfassen: Du musst den Krieg beenden, sonst höre ich auf, deinem Feind zu helfen. Das lässt Putin ohne jeden Grund, Kompromisse einzugehen oder auch nur einen Zoll nachzugeben.
Im Gegenteil, er wird glauben, dass es nur zwei mögliche Ergebnisse gibt: Entweder die Ukraine kapituliert und schließt Frieden nach seinen Forderungen, oder die Ukraine verliert jede amerikanische Unterstützung. Dank der perversen Genialität der Trump-Witkoff-Diplomatie gewinnt Putin in beiden Fällen. Für Selenskyj entsteht dadurch die zwingende Notwendigkeit, genau diese binäre Ausganslage zu vermeiden.
Selenskyjs diplomatische Gegenstrategie in den Ukraine-Verhandlungen
Genau das erklärt Selenskyjs Besuch in London am Montag, um sich mit Keir Starmer, dem französischen Präsidenten Macron und dem deutschen Kanzler Friedrich Merz zu treffen. Selenskyj will, dass Europa und Amerika sich hinter einer gemeinsamen Vision für den Frieden in der Ukraine vereinen. Dies soll verhindern, Putin ein noch größeres Stück des Landes zu überlassen, als russische Soldaten derzeit besetzen, und zugleich der Ukraine eine unerschütterliche amerikanische Sicherheitsgarantie geben.
Diese Garantie soll durch die Stationierung Tausender europäischer Soldaten in einer „Rückversicherungsstreitkraft“ unterstützt werden. Die Europäer hofften, sie hätten ein gewisses Maß an transatlantischer Einheit wiederhergestellt, nachdem Marco Rubio, der US-Außenminister, vergangenen Monat Genf besucht hatte. Doch dann folgte Witkoffs Reise nach Moskau, begleitet von Jared Kushner, dessen Status als Schwiegersohn des Präsidenten ihm offenbar das Recht verleiht, über die Sicherheit Europas zu verhandeln.
Putins Erfolg mit amerikanischen Emissären
Während ihres fünfstündigen Treffens im Kreml am vergangenen Dienstag scheint Putin seine amerikanischen Besucher in Verbündete verwandelt zu haben. Er gab ihnen das Gefühl, dass alle gemeinsame Ziele teilen – ganz im Sinne seiner KGB-Ausbildung. Das bedeutet, dass die Europäer erneut eine diplomatische Rettungsmission starten, um die Position Amerikas von Putins Vorstellung einer Lösung weg- und wieder näher an ihre eigene heranzubewegen.
Doch allein die Tatsache, dass dieser Einsatz nötig ist – und dass Selenskyj nach London gekommen ist, um seine europäischen Freunde zu treffen – stellt einen weiteren Erfolg für Putin dar. Er hat eine weitere Kluft im atlantischen Bündnis aufgerissen, die die Europäer nun hastig zu schließen versuchen. Putin kann sich daran erfreuen, wie seine Feinde darüber streiten, welche Zugeständnisse sie sich leisten können, um Frieden in der Ukraine zu sichern.
Schon allein dadurch, dass mögliche Zugeständnisse in den Raum gestellt werden – etwa die völlig außergewöhnliche Idee, die Ukraine könnte sich aus Gebieten in der Region Donezk zurückziehen, die russische Truppen nicht einnehmen konnten –, wird Putin die Genugtuung haben, die ukrainischen Soldaten zu demoralisieren. Diese verteidigen dieses Land mit großer Zähigkeit und zu immensen Kosten, während Selenskyj politisch geschwächt wird.
Putin wird es als Selbstzweck betrachten, solche Forderungen zu stellen und öffentlich zu machen. Wenn er bekommt, was er will, kann er den Sieg für sich reklamieren. Wenn seine Bedingungen Frieden unmöglich machen, hat er jeden Grund zu hoffen, dass Trump einfach Selenskyj die Schuld gibt und die amerikanische Unterstützung für die Ukraine stoppt. Mindestens kann Putin so die ukrainische Führung diskreditieren und die Bereitschaft des Landes zu weiterem Widerstand untergraben.
Aktuelle Lage im Ukraine-Krieg
Währenddessen marschieren seine Truppen weiter voran und erobern, wenn auch zu enormen Kosten, weiteres Gebiet, wodurch jede Illusion zerbricht, er strebe tatsächlich Frieden an. Im vergangenen Monat eroberte Russland weitere 200 Quadratmeilen ukrainischen Territoriums, während Nacht für Nacht Putins Drohnen und Raketen weiterhin Zivilisten in Kyjiw und anderen Städten töten. All dies ist möglich wegen der letzten, krönenden Absurdität von Trumps Diplomatie.
Der Fokus seines Drucks und seiner Wut bleibt die Ukraine. Putin sieht sich keinerlei weiteren Drohungen oder Strafen ausgesetzt, die über das hinausgingen, was Amerika bereits verhängt hat. Er kann zufrieden vom Kreml aus zusehen, wie Trump ihm erlaubt, Poker mit einem Einsatz zu spielen, bei dem er nur gewinnen kann. (Dieser Artikel von David Blair entstand in Kooperation mit telegraph.co.uk)